Frage an Alois Gerig von Stuart W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Gerig,
der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Beschäftigtendatenschutz sieht einen dramatischen Abbau des Datenschutzes am Arbeitsplatz vor. So kann Videoüberwachung am Arbeitsplatz gegenwärtig nur bei konkretem Verdacht gegen bestimmte Personen als letztes Mittel zulässig sein. Nach dem geplanten „Beschäftigtendatenschutzgesetz“ könnte jeder Arbeitsplatz hingegen permanent und ohne jeden Anlass videoüberwacht werden. Zudem würde der anlass- und verdachtslose Abgleich von Beschäftigtendaten, um etwaige Pflichtverletzungen aufzuspüren, erstmals legalisiert werden („Screening“). Dies würde großflächige, verdachtsunabhängige Datenabgleiche über alle Beschäftigten zulassen. Derzeit ist ein solches Stochern im Nebel ohne jeglichen Verdachtsmoment verboten.
„Im Ergebnis würden die vorgesehenen Änderungen in zentralen Bereichen des Arbeitslebens eine Verschlechterung des Datenschutzes für die Beschäftigten zur Folge haben“, warnen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Die Gewerkschaften laufen schon seit Monaten Sturm gegen das Vorhaben.
„Formulierungsvorschlägen“ des Bundesinnenministeriums vom 07.09.2011 zufolge ist überdies die Abschaffung des Fernmeldegeheimnisses für Privatgespräche am Arbeitsplatz, die Legalisierung eines permanenten Mithörens dienstlicher Telefongespräche und Mitlesens dienstlicher E-Mails, die Zulassung einer permanenten Videoüberwachung von Beschäftigten „zur Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen“ sowie ein Vorrang von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge selbst vor dem geringen gesetzlichen Schutzniveau geplant.
Nutzt mein Arbeitgeber diese Spielräume, werde ich am Arbeitsplatz künftig ständig kontrolliert werden, etwa durch permanente Videoüberwachung und regelmäßige Aufzeichnung, Mitschnitte oder Mithören meiner Telefonate und E-Mails.
Als betroffener Bürger Ihres Wahlkreises bitte ich Sie um Mitteilung, ob Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen werden und warum.
Mit freundlichem Gruß
Stuart Walker
Sehr geehrter Herr Walker,
vielen Dank für Ihre Email zum Thema Beschäftigtendatenschutz. Das Gesetz befindet sich in der parlamentarischen Beratungsphase und soll im Frühjahr diesen Jahres beschlossen werden. In erster Lesung wurde am 15.Dezember 2011 erst einmal über das Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, das zu größerer Rechtssicherheit im Beschäftigungsverhältnis beitragen soll, beraten.
Die von Ihnen geäußerte grundsätzliche Kritik an dem Gesetzentwurf teile ich ausdrücklich nicht. Die christlich-liberale Bundesregierung geht mit dem Gesetz zum Schutz der Beschäftigtendaten in Betrieben und Unternehmen einen beachtenswerten Schritt. Das Gesetz wird ganz unmittelbar mehr als 40 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland betreffen. Sie alle werden in diesem nachlesen können, welche personenbezogenen Daten der Arbeitgeber erheben, speichern und verarbeiten darf. Bereits in der vorliegenden Fassung stellt der Gesetzesentwurf eine Verbesserung und Ausweitung des Schutzes der Arbeitnehmerdaten dar. Wir sollten uns davor hüten, die Erhebung von Arbeitnehmerdaten durch einen Arbeitgeber reflexhaft als Eingriff zu verurteilen. Viele Daten werden zugunsten der Arbeitnehmer erhoben: Hierzu gehören beispielsweise Unternehmens- und Kapitalbeteiligungen, Bonus- und Rabattprogramme, gesundheitliche Vorsorgeprogramme und betriebliche Versicherungen.
Um die Einheitlichkeit des Datenschutzrechts zu gewährleisten, haben wir uns darauf geeinigt, den Beschäftigtendatenschutz im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) aufzunehmen. Es wäre es nicht sinnvoll, den Datenschutz im Betrieb über mehrere Gesetze zu verstreuen. Dies hat praktische Vorteile für die Anwendung des Gesetzes durch die betrieblichen Datenschutzbeauftragten und für die Angestellten in den Betrieben und Unternehmen. Diese Entscheidung wurde auch von den Sachverständigen der Anhörung ausdrücklich begrüßt. Da der Innenausschuss federführend für das Datenschutzrecht verantwortlich ist, wurde ihm auch das Beschäftigtendatenschutzrecht zugewiesen.
Bereits im Koalitionsvertrag hat sich die christlich-liberale Koalition darauf verständigt, dass das Gesetz einen interessenausgleichenden Ansatz verfolgen muss und sich weitgehend an der bisherige Rechtsprechung orientieren soll.
Die Bundesregierung geht in ihrem Entwurf zum Wohle der Beschäftigten in einigen Bereichen weit über die gegenwärtige Rechtsprechung hinaus. Hierzu gehört eindeutig das Verbot der Überwachung von Mitarbeitern durch versteckte Kameras. Diese sogenannte verdeckte Videoüberwachung ist nicht zuletzt auf Grund der vergangenen Datenschutzskandale im Gesetzesentwurf ausdrücklich verboten. Es ist meines Erachtens ein für den Schutz der legitimen Interessen der Beschäftigten zentraler Punkt und stellt eine deutliche Verbesserung der gegenwärtigen Rechtslage dar.
Ein Abgleich von bestimmten Daten in Unternehmen und Betrieben dient der Verhinderung und der Aufdeckung von Pflichtverletzungen und Straftaten und somit dem betrieblichen Frieden.
Die Berichterstatter der beteiligten Bundestagsausschüsse haben viele Gespräche mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden geführt. Insbesondere auch die Forderungen des DGB wurden intensiv diskutiert. Wir betrachten die vorgebrachte Kritik und die Ablehnung des Gesetzesentwurfs durch den DGB-Bundesvorstand als einen gewerkschaftlichen Reflex auf ein Gesetz der christlich-liberalen Bundesregierung. Wir bedauern es ausdrücklich, dass der DGB offensichtlich nicht an einem interessenausgleichenden, fairen Kompromiss interessiert ist. Die Wirtschaft gibt sich hier konzilianter, auch entgegen der eigenen Interessen.
In den bisherigen Beratungen wurde deutlich, dass an dem derzeitigen Entwurf an der einen oder anderen Stelle noch technische Änderungen vorzunehmen sind. Aus meiner Sicht gehört hierzu das zu strikte Verbot abweichender betrieblicher und individueller Vereinbarungen. Hier gilt es eine Regelung zu finden, die dem Gedanken der Privatautonomie ausreichend Rechnung trägt, ohne den Schutz des Arbeitnehmers zu vernachlässigen. Unsere Aufgabe ist es daher, Fälle zu identifizieren, in denen wir solche Abweichungen zulassen wollen und solche, bei denen es der Schutz des Arbeitnehmers verbietet. Die Regelung wird es jedoch nicht zulassen, das Schutzniveau des Beschäftigtendatenschutzgesetzes zu unterschreiten.
Erforderlich sind in meinen Augen darüber hinaus Regelungen über eine (auch) private Nutzung von Telekommunikationsmitteln des Arbeitgebers. Auch hier kann es Fälle geben, in denen der Arbeitgeber unter engen Voraussetzungen Einblick in bestimmte Daten des Arbeitnehmers nehmen können muss. Die Alternative wäre, die private Nutzung des Internets und Telefons am Arbeitsplatz vollständig zu untersagen - eine lebensfremde Vorstellung. Zudem sollten wir eine Regelung schaffen, die den Datenaustausch innerhalb eines Konzerns erleichtert. Sämtliche von Ihnen genannten Maßnahmen wären nur unter engsten Voraussetzungen zulässig, keinesfalls anlasslos oder gar ständig. Es gilt vielmehr die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einen angemessenen Ausgleich zu bringen - dies wird mit dem Entwurf gewährleistet.
Über die jeweiligen Details wird sicherlich in den weiteren Beratungen noch ausführlich gesprochen und dann Gegenstand eines parlamentarischen Änderungsantrages. Ich bin aber überzeugt, dass dieses Gesetz beiden Seiten - sowohl dem Arbeitnehmer wie auch dem Arbeitgeber - Vorteile bringen wird, wenn es im Frühjahr diesen Jahres beschlossen werden wird.
Mit freundlichen Grüßen
Alois Gerig