Frage an Alois Gerig von Martin K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gehrig,
vermutlich wird es im Bundestag in Kürze erneut zu einer Abstimmung bezüglich einer weiteren Ausweitung des EFSF kommen. Bei der ersten Ausweitung haben Sie zugestimmt. Würden Sie diese Zustimmung auch bei einer erneuten Erweiterung wiederholen?
Ich frage dies besonders im Hinblick auf folgende Punkte:
- Der bisherige Beitrag des EFSF zur Stabilisierung des Euros ist nicht zu erkennen. Stattdessen sind die Märkte noch nervöser und die Situation noch angespannter geworden.
- Die Lage Griechenlands scheint derartig hoffnungslos zu sein, daß mittlerweile von einem "Schuldenschnitt" ausgegangen wird (der noch vor wenigen Monaten nur von sog. "Europa-Skeptikern" befürwortet wurde). Es ist davon auszugehen, daß die Höhe des Schuldenschnitts bis zu Ihrer Antwort bei geschätzten 70 % liegen dürfte. Die Troika, die die Bemühungen Griechenlands untersucht, hat ebenfalls keine Nachrichten zu bieten, die Anlaß zur Meinung geben, daß Griechenland vor einer Staatspleite zu retten wäre. Davon ausgehend, daß auch nur ein weiteres Land Hilfen aus dem EFSF aufnehmen wird (und es gibt derer mehrere), wird sein Volumen nicht reichen. Dennoch wird versucht, die Mittel des EFSF zu vergrößeren (mittlerweile ernsthaft auch mit einer einst beim Finanzmarkt verdammten Methode, der sog. "Hebelwirkung").
- "Kredit" kommt von "credere", "glauben" - nämlich daran, daß man den Kredit zurückerhält. Wenn nun bei Griechenland ein "Schuldenschnitt" - also die Tatsache, daß alte Schulden nicht beglichen werden - schon sicher ist: Wie kann man dann noch ernsthaft glauben, daß dieses Land dazu in der Lage ist, diesen Kredit zurückzuzahlen?
- Die Problematik im europäischen Finanzbereich ist kein Problem Griechenlands oder anderer Länder, sondern des Systems. Unsere Gesellschaft hat Jahrzehnte lang mittels Verschuldung über ihre Verhältnisse gelebt, und die Kosten holen sie nun ein. Diesem Problem ist nicht mit weiterer Verschuldung beizukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Köhler,
vielen Dank für Ihre Email zum EFSF. Am 26.11. befasste sich der Deutsche Bundestag erneut mit dem europäischen Rettungsschirm EFSF. Bereits Ende September hatte sich der Deutsche Bundestag für eine Erweiterung des Rettungsschirm ausgesprochen. Nun ging es um die Frage, wie die Schutzfunktion des Schirms mit Hilfe eines „Hebels“ wirkungsvoller ausgestaltet werden kann.
Die Abgeordneten erteilten der Bundeskanzlerin für den EU-Gipfel den klaren Auftrag, für einen effizienten Einsatz der Finanzmittel zu sorgen. Ich halte es für richtig, über derart wichtige Fragen im Plenum des Bundestages abzustimmen – die breite parlamentarische Mehrheit im Bundestag hat Angela Merkel in Brüssel den Rücken gestärkt. Die Brüsseler Beschlüsse bringen Europa bei der nachhaltigen Bekämpfung seiner Schuldenkrise einen guten Schritt voran. Die unionsgeführte Bundesregierung hat sich dabei für einen umfassenden Ansatz eingesetzt, der fünf zusammenhängende Handlungsfelder in den Blick nimmt:
- Erstens eine tragfähige Lösung für Griechenland, die eine angemessene Beteiligung der privaten Gläubiger vorsieht.
- Zweitens eine hinreichende Eigenkapitalausstattung der Banken, um deren Verlusttragfähigkeit zu erhöhen und dadurch das Finanzsystem zu stabilisieren.
- Drittens eine effiziente Nutzung des temporären Rettungsschirms, um Ansteckungseffekte im Keim ersticken zu können.
- Viertens ein klares Bekenntnis potentiell von Finanzierungsproblemen gefährdeter Staaten, dass sie die notwendigen finanz- und wirtschaftspolitischen Anpassungsmaßnahmen ergreifen.
- Fünftens glaubwürdige Schritte zu einer europäischen Stabilitätsunion, die der vergemeinschafteten Geldpolitik eine finanzpolitische Säule zur Seite stellt.
In allen fünf Handlungsfeldern gibt es Fortschritte, die dabei helfen können, das Vertrauen von Bürgern und Investoren in die langfristige Stabilität der Eurozone nachhaltig zu festigen.
Neben dem „Hebel“ für den EFSF brachte der EU-Gipfel weitere wichtige Entscheidungen: Die Sparanstrengungen Griechenlands werden besser überwacht und die Banken müssen ihre Risikorücklagen vergrößern. Mit den Banken wurde zudem vereinbart, dass sie auf rund die Hälfte ihrer Forderungen gegenüber Athen verzichten. Für mich ist dies der richtige Schritt: Beim notwendigen Schuldenschnitt für Griechenland mussten die Banken in die Pflicht genommen werden. Sowohl die Börsen als auch die internationale Presse haben positiv reagiert – dies stärkt meine Überzeugung, dass wir zuvor im Bundestag richtig entschieden hatten.
Mit freundlichen Grüßen
Alois Gerig