Bundestagsabgeordneter Alois Gerig
Alois Gerig
CDU
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Frage von Reinhard W. •

Frage an Alois Gerig von Reinhard W. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gerig,

Die UN-Konvention gegen Korruption ist seit Dezember 2005 in Kraft und wurde von 140 Nationen, darunter auch Deutschland, unterzeichnet. Über 100 Nationen haben die Konvention mittlerweile ratifiziert, darunter Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Kanada, Polen, Spanien, Schweden und USA. Deutschland hat dagegen die Konvention noch immer nicht ratifiziert. Wesentlicher Hinderungsgrund ist die unzureichende Regelung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung (§108e StGB). Im Schlussdokument des G-8 Gipfels von Heiligendamm (7. Juni 2007), das unter deutschem Vorsitz verabschiedet wurde, hat sich Deutschland nicht nur verpflichtet die UN-Konvention umzusetzen, sondern auch zusammen mit den anderen G8-Staaten "beispielgebend" bei der "Bekämpfung der Korruption" zu sein.
Welche Position beziehen Sie persönlich zum o.g. Paragraphen 108e StGB?
Was muss passieren, damit die UN-Konvention endlich auch in Deutschland ratifiziert wird bzw. was spricht Ihrer Meinung nach gegen eine Ratifizierung?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort
Reinhard Wenig

Bundestagsabgeordneter Alois Gerig
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wenig,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. Oktober 2010. Ich bitte die verspätetet Antwort zu entschuldigen.

Sie sprechen in Ihrer Email die United Nations Convention against Corruption (UNCAC) vom 31. Oktober 2003 an. Dieser von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete völkerrechtliche Vertrag wurde bisher – wie Sie richtig schreiben – nicht ratifiziert. Auch Irland, Tschechien und Island haben die UNCAC bisher nicht ratifiziert.

In Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes heißt es: „Sie [die Abgeordneten des Deutschen Bundestages] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Hier ist das sogenannte freie Mandat der Bundestagsabgeordneten normiert.

Das freie Mandat – garantiert durch das Grundgesetz – gestattet auch die Vertretung von Partikularinteressen, worunter auch die bezahlte Lobby-Arbeit gehört.

Die Freiheit der Abgeordneten wurde von den Vätern und Müttern unserer Verfassung gerade aus den Erfahrungen des Dritten Reiches und als Gegensatz zum kommunistischen Abgeordnetenverständnis im Grundgesetz verankert.

Hier fußt auch das Problem der „Abgeordnetenbestechung“. Das deutsche Recht unterscheidet strikt zwischen Amt und Mandat. Während der Amtsträger sich gemäß den Korruptionstatbeständen (§§ 331 ff. StGB) strafbar machen kann, kann der Mandatsträger nur wegen der Abgeordnetenbestechung im engeren Sinn (Kauf und Verkauf von Stimmen, § 108e StGB) belangt werden.

Aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen behördlichem und behördenähnlichem Verwaltungshandeln einerseits und politischem Handeln in Volksvertretungen aufgrund eines freien Mandats andererseits wäre eine Gleichbehandlung von Abgeordneten und Amtsträgern (auch im Bereich der Korruption) sachwidrig.

Will man gleichwohl die Strafbarkeit für bestimmte verwerfliche Handlungen der Abgeordneten im Strafgesetzbuch ergänzen, so bestehen hinsichtlich einer derartigen Erweiterung wegen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots nach Artikel 103 Absatz 2 GG erhebliche Probleme. Was soll als Bestechung gelten? Genügt schon ein Abendessen mit einem Lobbyisten? Muss eine Geldzahlung erfolgen um den Tatbestand zu erfüllen?

Die tägliche Arbeit eines Abgeordneten ist geprägt von Arbeitssitzungen und Gesprächen. Lobbyverbände spielen dabei auch eine Rolle, denn mit ihrem Spezialwissen und ihren Argumenten können sie dem Abgeordneten bei seiner Entscheidungsfindung helfen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/5927 und 12/1630, S. 5, 6) zu § 108e StGB heißt es hierzu: „Der Amtsträger soll seine Entscheidung im Rahmen der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen treffen. Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen bereits an einem genau umgrenzen Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. Bei der Ausübung von Stimmrechten im Parlament spielen oft auch politische Gesichtspunkte und Rücksichtsnamen eine Rolle. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke mitverfolgt werden, die den eigenen Interessen des Stimmberechtigten entgegenkommen. Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat“.

Gerade weil es keinen fest umrissenen Pflichtenkreis eines Abgeordneten gibt, ist es bisher nicht gelungen einen verfassungskonformen, auf die tatsächlich verwerflichen Handlungen beschränkten Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Es besteht in dieser Hinsicht Handlungsbedarf. Dies setzt aber eine fundierte rechtswissenschaftliche und rechtspolitische Diskussion voraus. Rechtspolitik darf sich nicht daran orientieren, was populär, sondern was durchdacht und juristisch sauber formuliert ist.

Jegliche Form von Korruption zu verurteilen, wird sie doch zunehmend in der Gesellschaft als zulässig angesehen, als ein Weg um ein Ziel zu erreichen. Hier muss die Politik ansetzen und deutlich machen, dass Korruption in keinerlei Weise akzeptabel ist. Die gesamtgesellschaftliche Haltung zum Themenkreis Korruption muss sich ändern, hier ist jeder gefordert.

Mit freundlichen Grüßen

Alois Gerig