Frage an Alois Gerig von Gerd R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Gerig
Seit Jahren beobachte ich die politische Situation in den von China annektierten Gebieten, insbesondere des tibetischen Territoriums, das ich selbst schon mehrmals besucht habe. Bitte lassen Sie mich wissen, was Sie und Ihre Partei nach der Wahl unternehmen werden, um eine friedliche Lösung der Tibetfrage herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen.
Gerd Raisch
Sehr geehrter Herr Raisch,
vielen Dank für die Anfrage.
Die blutigen Unruhen in der chinesischen Provinz Xingjiang in den letzten Wochen haben erneut auf die Situation der Minderheiten in China aufmerksam gemacht. Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Minderheit der Uiguren zeigt, dass der Umgang mit Minderheiten in China völlig inakzeptabel ist. Dies wird auch in Tibet deutlich: Den Tibetern wird seit über 50 Jahren ein Leben in kultureller und religiöser Selbstbestimmung verweigert. Im vergangenen Jahr wurden Proteste gewaltsam niedergeschlagen. Die Repressionen der kommunistischen Führung sind unerträglich und müssen so schnell wie möglich beendet werden.
Ich halte es für unverzichtbar, dass sich auch die nächste Bundesregierung für die Einhaltung der Menschenrechte in China einsetzt und die berechtigte Forderung der Tibeter nach kultureller, sprachlicher und religiöser Autonomie unterstützt. Um diese Ziele zu erreichen, wäre eine Isolierung Chinas nicht hilfreich. China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde, eine bedeutende Wirtschaftsmacht und ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Alle wichtigen Probleme der Weltpolitik können nicht ohne China gelöst werden. Beispiele hierfür sind der Abschluss neuer Welthandelsabkommen und der Klimaschutz. Vor diesem Hintergrund sollte die kommende Bundesregierung den bisherigen Weg des Dialoges mit China fortsetzen. Fortschritte bei den Menschen- und Minderheitenrechten müssen weiterhin ein Ziel dieses Dialoges sein.
Im September 2007 hat die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel den Dalai Lama im Bundeskanzleramt empfangen. Das Treffen stieß auf großes Missfallen in der chinesischen Regierung – die Kanzlerin hat für das Treffen eine vorübergehende Verstimmung in den deutsch-chinesischen Beziehungen in Kauf genommen. Daran wird deutlich, dass in der China-Politik der CDU das Thema Menschenrechte und die Lösung der Tibet-Frage grundsätzlich einen hohen Stellenwert einnehmen.
Um die Tibet-Frage friedlich zu lösen, sind aus meiner Sicht direkte Gespräche zwischen der chinesischen Regierung und dem Dalai Lama erforderlich. Ziel solcher Gespräche sollte es sein, auf dem Verhandlungsweg zu einem fairen Interessenausgleich zu kommen. Ein Interessenausgleich muss sowohl die territoriale Integrität Chinas wahren als auch dem Anspruch der Tibeter auf kulturelle, sprachliche und religiöse Autonomie gerecht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Alois Gerig