Frage an Alexandra Thein von Rolf B. bezüglich Verbraucherschutz
Liebe Frau Thein,
welche Position vertreten Sie hinsichtlich der Stärkung der Bürgerrechte innerhalb der EU mit Blick auf die Vorratsdatenspeicherung durch Telekommunikationsunternehmen und die Übermittlung von Flugpassagierdaten in die USA und innerhalb der EU.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Breidenbach
Lieber Herr Breidenbach,
lieber Parteifreund,
ich danke Ihnen, dass Sie mir die Möglichkeit geben, meine Position in dieser Frage hier darzustellen.
Insbesondere seit dem Jahre 2001 ist das Verhältnis von staatlicher Sicherheits-Politik und dem Respekt vor den Freiheitsrechten der Menschen aus der Balance geraten. Eine Gesellschaft, in welcher jeder Bürger unter Generalverdacht steht und überwacht wird, ist nicht eine Gesellschaft, die ich für wünschenswert halte.
Vor diesem Hintergrund halte ich sowohl die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durch Telekommunikationsunternehmen wie auch das deutsche "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen" vom 21.12.2007 für falsch und werde mich - wann und wo immer das politisch machbar erscheint - für ihre Rücknahme einsetzen. Diese Regelungen, wonach Telekommunikationsanbieter ausnahmslos alle Telefon- und Internetverbindungsdaten ein halbes Jahr lang speichern und für Zwecke der Strafverfolgung sowie der Gefahrenabwehr vorhalten müssen, zeichnen den Weg in einen Überwachungsstaat. Einen nennenswerten Schutz der Bürger vor Gefahren hat diese Totalprotokollierung - an deren Vereinbarkeit mit dem Primärrecht der EU wie auch mit unserem Grundgesetz ich im Übrigen erhebliche Zweifel habe - nicht gebracht und bringt sie auch in der Zukunft nicht.
Die derzeit bestehende Praxis der exzessiven Übermittlung von Flugpassagierdaten in die USA (Passenger Name Records - "PNR") halte ich ebenfalls für falsch. Diese Daten umfassen etwa nicht nur Namen, Geburts- und Flugdaten, sondern auch Kreditkarteninformationen und beispielsweise besondere Essenswünsche, Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern. Auch Informationen über ethnischen Hintergrund, politische oder religiöse Überzeugungen, oder über das Sexualleben sind nicht ausgeschlossen. Die entsprechende Vereinbarung mit den USA kennt keine Begründung der Amerikaner, wofür die Daten überhaupt verwendet würden, keine Einspruchsrechte und keine Überprüfungs- oder Korrekturmöglichkeit für die Bürger, von einer unabhängigen Datenschutzaufsicht ganz zu schweigen. Hier sollte neu und besser verhandelt und notfalls das Abkommen einseitig außer Kraft gesetzt werden.
Derzeit kann man Flugreisenden in die USA nur empfehlen, zur eigenen Sicherheit im Flugzeug möglichst viel Schweinefleisch zu essen, Alkohol zu trinken und im Übrigen ein möglichst amoralisches Bild der eigenen Person zu vermitteln.
In diesem Zusammenhang gibt es auch eine Reihe anderer Sachverhalte, aus welchen ein Transfer umfangreicher Datenbestände aus Europa an die USA durch Firmen und Behörden stattfindet, die ich für politisch und/oder rechtlich bedenklich halte. Beispielhaft genannt seien hier die Übermittlung von Transaktionsdaten durch den Finanzdienstleister SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications) an US-Behörden, das Übereinkommen der Bundesregierung zum Transfer persönlicher Daten "zur Verhinderung und Bekämpfung schwerer Kriminalität" mit den USA oder zuletzt die pauschale Vereinbarung der EU mit den USA über den Austausch personenbezogener Daten ihrer jeweiligen Bürger "im Kampf gegen den Terrorismus".
Ein weiteres, in der Öffentlichkeit wenig beachtetes Problem ist die von den USA seit einigen Jahren geforderte detaillierte Information über alle Fracht-Importe. Diese Informationen werden in den USA öffentlich zugänglich gemacht, von privaten Firmen kommerziell ausgewertet und amerikanischen Unternehmen zur Verfügung gestellt, welche so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Exporteuren aus anderen Ländern - zum Beispiel aus Europa - erlangen.
Hier hat sich ein Überwachungsfanatismus Bahn gebrochen, dem es zu wehren gilt. Wir brauchen einen klaren Rahmen für den Transfer von Daten und strenge und verlässliche Schutzmaßnahmen für unsere Bürger.
Mit freundlichen liberalen Grüßen,
Ihre Alexandra Thein