Frage an Alexandra Dinges-Dierig von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dinges-Dierig,
meine Fragen beziehen sich auf mehrere Themen, die alle Bürgerrechte bzw. Menschenrechte betreffen.
1.
Die Abhörung der BundesbürgerInnen (durch NSA, BND usw.) wurde nicht ernst genommen. Nun ist das Thema wichtig, weil PolitikerInnen abgehört worden sein könnten. Dies erscheint mir als Doppelmoral und bestärkt mich in der Einschätzung, dass PolitikerInnen lediglich dem Eigenmarketing oder der Lobbyarbeit verbuden sind.
Wie wollen Sie in diesem Fall nicht nur die Rechte der Kanzlerin, sondern die Rechte der BürgerInnen - endlich! - vertreten? Als Erinnerungsstütze: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich ...
2.
Die UN-Konvention gegen Korruption, welche sogar die USA ratifizierten, wurde von der Bundesrepublik Deutschland immer noch nicht ratifiziert. Damit stellt sich Deutschland außerhalb der Reihe von Staaten, denen rechtsstaatliche Praktiken wichtig scheinen. Stichwort: Wirtschaft durch Korruption
Was werden Sie unternehmen, um anrüchige Parteispenden und Lobby-Einfluss zu unterbinden, um eine Arbeit des Parlaments zu gewährleisten, die dem Willen der BürgerInnen folgt?
3.
Bürgerrechte sind auch Menschenrechte. Wir können, wenn wir "unsere" Auffassung von Menschenwürde aufrecht erhalten wollen, wohl nicht unterscheiden zwischen "DeutschlandbürgerInnenrechten" und ErdenbürgerInnenrechten. Oder anders ausgedrückt:
Gibt es eine Menschenwürde für Deutsche oder Europäer und eine andere für "Außereuropäische"? Beziehen Sie bitte Stellung zu der Frage: Wie setzen Sie sich ein für die Rolle einer globalen Menschenwürde, der globalen Menschenrechte und der Realisierung dieser grundlegenden, unsere Zivilisation erhaltenden Werte?
Beste Grüße
J.Georg Brandt
Sehr geehrter Herr Brandt,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Sosehr ich mir eine einfache Lösung für den gesamten Komplex Datenschutz und Ausspähung von Daten wünsche - es wird sie nicht geben. Denn mit dem deutschen Rechtsrahmen können wir nur begrenzt auf eine internationale, vernetzte Welt im IT-Zeitalter reagieren. Es wird uns schlicht nicht möglich sein, per Gesetz Ausspähungen zu verbieten. Vielmehr müssen wir an vielen Stellschrauben drehen. Das beginnt bei jedem Einzelnen: Jeder muss mit seinen Daten sorgsam umgehen. Dazu braucht es natürlich eine bessere Aufklärung durch gezielte Bildung.
Mir ist bewusst, dass dies einige Aspekte der Ausspähung von Daten nicht verhindert hätte. Hier brauchen wir Aufklärung, die aufgrund der Zuständigkeit aber vor allem in den USA erfolgen muss. Und wir werden uns, hier sind Bundesregierung und Bundestag gefragt, mit unseren internationalen Partnern über unser Verständnis von Partnerschaft unterhalten müssen. Freunde dürfen Freunde nicht bespitzeln - das gilt zwischen Menschen genauso wie zwischen Staaten. Ein erster Schritt ist die Verabschiedung eines sogenannten "No-Spy"-Abkommens mit den USA, die hoffentlich bald erfolgen wird. Aber wir müssen weiter am Ball bleiben. Es gilt, Versäumnisse der letzten Jahre aufzuholen und gleichzeitig auf neue Entwicklungen schneller zu reagieren.
Bei der UN-Konvention gegen Korruption geht es um rechtliche Fragen, die eine Umsetzung äußerst schwierig machen. So unterscheidet das Dokument nicht zwischen Amtsträgern. Das Grundgesetz kennt diesen Unterschied aber sehr wohl. Denn Abgeordnete besitzen ein freies Mandat. Sie sind nur ihrem eigenen Gewissen und mittelbar ihren Wählern verantwortlich. Daher ist eine Ausdehnung der undifferenzierten Regelungen für Amtsträger verfassungsrechtlich heikel. Es darf dabei nicht zu einer Beschneidung der entsprechenden Rechte kommen. Die CDU/CSU-Fraktion beschäftigt sich laufend mit dieser Frage und sucht nach Lösungswegen. Damit wird sie auch in der kommenden Legislaturperiode fortfahren.
Mit der Verbesserung der Veröffentlichungspflichten zu Nebentätigkeiten der Abgeordneten hat bereits der 17. Deutsche Bundestag einen wichtigen Schritt zu mehr Transparenz gemacht. Eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte mit genauen Beträgen halte ich für rechtlich nicht umsetzbar, da hier in Geschäftsgeheimnisse eingegriffen werden könnte. Bei Kolleginnen und Kollegen, die etwa Steuerberater oder Rechtsanwälte sind, wäre es sogar noch schwieriger. Hier geht es nämlich auch um den Schutz der Mandanten.
Parteispenden auf der anderen Seite werden heute schon umfassend publiziert, zumal wenn sie größeren Ausmaßes sind. Das dient zur Information aller Wähler und kann Grundlage für eine Wahlentscheidung sein. Bei den Gegnern von Spenden durch die Wirtschaft fehlt mir bisher das Aufzeigen einer Alternative. Wer hier eine Beschränkung fordert, der muss sagen können, wie er sich die Finanzierung der umfassenden Aufgaben von Parteien dann vorstellt.
Zu dem Themenkomplex der Menschenrechte lassen Sie mich folgendes voranstellen: Ich glaube, dass die universalen Menschenrechte eine herausragende Leistung unserer aufgeklärten Zivilisation sind. Allerdings sind sie ein vor allem westlich-europäisches Konzept. Nichtsdestotrotz würde ich mir wünschen, dass die gesamte Welt sie übernimmt, eventuell sogar erweitert. Deshalb begrüße ich jede Maßnahme zur Verbreitung dieser Grundwerte unserer Zivilisation. Allerdings gestaltet sich dieser Prozess schwierig. Wir als Bundesrepublik Deutschland, und noch weniger einzelne Abgeordnete, werden allein nichts erreichen können. Es muss darum gehen, einen langfristigen Prozess des Umdenkens in einigen Ländern der Welt zu fördern.
Mit freundlichen Grüßen
Alexandra-Dinges-Dierig