Frage an Alexander Salomon von Daniel B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Lieber Alexander Salomon,
auf der Podiumsdiskussion am 8. Februar war auffällig, dass Du den Begriff der Studiengebührenfreiheit vermieden und stattdessen von "gebührenfreiem Erststudium" gesprochen hast. Das ist jetzt wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass er schon so lange existiert, wie die Grüne Partei nach der Regierung in BW strebt. Schließlich habt Ihr bereits 2003 mit den sogenannten "StudienCredits" Euer eigenes, alternatives Studiengebührenmodell vorgestellt. (Siehe dazu etwa http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,273823,00.html )
Insbesondere sieht dieses Modell eine Staffelung der Gebühren je nach Fach vor. Ähnliche Konzepte hat bekanntlich auch die Bertelsmann-Stiftung seit Längerem gefordert, um eine marktförmige Steuerung von Studienabsichten zu erreichen.
Daher meine Fragen: Soll ein solches Gebührenmodell in BW eingeführt werden? Wenn ja, wie hoch sollen die jeweiligen Gebühren für bestimmte Fächer sein? Wenn nein, welche anderen Konzepte von Studiengebühren, -entgelten, -credits oder -konten plant Ihr?
Sehr geehrter Herr Bruns,
vielen Dank für ihre Nachfrage. Aus Respekt vor ihrer Frage und den Menschen, die ihr Studium aufgrund von Studiengebühren nicht aufnehmen können, möchte ich die Fragestellung detailliert beantworten.
Anders als noch 2003 wollen wir GRÜNE das Erststudium einschließlich Master-Abschluss in Baden-Württemberg gebührenfrei halten. Aber wir wollen Hochschulen in engen Grenzen die Möglichkeit geben, auch weiterhin Gebühren z.B. für weiterbildende Masterangebote zu verlangen. Das ist sozial gerecht, weil diese Angebote von Menschen wahrgenommen werden, die bereits ein Hochschulstudium abgeschlossen haben und in der Regel berufstätig sind. Und es ist die Voraussetzung dafür, dass überhaupt Lebenslanges Lernen an öffentlichen Hochschulen in Baden-Württemberg stattfindet, da die entsprechenden Angebote bisher kostendeckend über Gebühren finanziert werden. Würde man das verbieten, müsste man in Kauf nehmen, dass Weiterbildung nicht mehr von staatlichen Hochschulen geleistet werden könnte, sondern komplett an private Hochschulen abwandern würde und folglich für viele nicht mehr finanziell zu bewältigen wäre. Unser Ziel als Grüne ist aber gerade die Stärkung der Angebote für Lebenslanges Lernen, auch an öffentlichen Einrichtungen.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Einführung von Studiengebühren zu Verschiebungen in der sozialen Zusammensetzung an den Hochschulen geführt hat und die Tendenz verstärkt, dass wesentlich weniger Studierende aus sozial benachteiligten Familien kommen als aus privilegierteren Schichten. Doch es darf nicht vergessen werden, dass die Schere im Bildungssystem schon lange vor den Studiengebühren vorhanden war - diese sind daher weder die zentrale und wichtigste Ursache, noch ist die Abschaffung der Gebühren das zentrale Mittel, die soziale Selektivität zu bekämpfen. Dafür müsste wesentlich früher angesetzt werden, denn die Weichen für den Bildungsweg werden schon im Kindergarten, vor allem aber in der Schule gestellt, wo Baden-Württemberg mit dem dreigliedrigen Schulsystem über einen Selektionsmechanismus verfügt, der systematisch Aufstiegsmöglichkeiten durch Bildung verhindert und SchülerInnen aus benachteiligten Gruppen ausgrenzt. Von einer Abschaffung von Studiengebühren profitieren daher in überdurchschnittlichem Ausmaß diejenigen privilegierten Gruppen, die es mehrheitlich überhaupt erst bis zur Hochschule schaffen. Vor diesem Hintergrund stehen wir Grüne auch nicht für eine Fundamentalkritik an jeglichen Gebühren, sondern haben im Gegensatz zu den anderen Parteien einen sozial gerechten und differenzierten Ansatz im Umgang damit.
Klar ist, dass das unter schwarz-gelb eingeführte Studiengebührenmodell sozial blind und eben gerade nicht differenziert ist. Dieses wollen wir deshalb auch so schnell wie möglich abschaffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Salomon