Frage an Alexander King von Peter S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Leonhardt,

vielen Dank für Ihre Email. Die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist interessant und ich kann gut nachvollziehen, dass sie gerade jetzt so engagiert geführt wird. Sie spiegelt wider, dass sich immer weniger Menschen vorstellen können, von ihrer Arbeit gut zu leben und eine auskömmliche Rente zu sichern.

Auch in der LINKEN wird des BGE diskutiert und hat viele Anhänger. Ich bin allerdings nicht überzeugt, dass das BGE wirklich die richtige Antwort auf die zunehmende Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt, auf die soziale Spaltung in Deutschland, die wachsende Lohnspreizung, die Ungleichverteilung von Vermögen, die unsicheren Renten etc. ist.

Mit dem BGE würden die Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung für die Finanzierung des Sozialstaats entlassen. Viele Unternehmer haben das erkannt und unterstützen deshalb das BGE. Mein Anspruch wäre ein anderer: Wir wollen den Sozialstaat wieder herstellen und die Arbeitgeber wieder paritätisch an der Finanzierung von Rente und Gesundheit beteiligen.

Wir wollen die sachgrundlose Befristung, Kettenbefristungen und Lohndumping durch Leiharbeit verbieten. Wir wollen die Regelarbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche begrenzen. Die gesetzliche Rente wollen wir zu einer Erwerbstätigenversicherung ausbauen, in die alle Erwerbseinkommen einfließen. Das würde die finanzielle Basis verbreitern und die deutliche Anhebung des Rentenniveaus ermöglichen. Österreich ist diesen Weg gegangen. Dort erhält der Durchschnittsrentner 800 Euro mehr im Monat als in Deutschland.

Das BGE kann im günstigen Fall die Wirkung haben, dass Lohnabhängige auf dem Arbeitsmarkt selbstbewusster auftreten, weil sie nicht auf Gedeih und Verderb auf einen Job angewiesen sind. Ich sehe aber auch Gefahren, die mit dem BGE verbunden sein können. Der Kampf um die Wiederherstellung des Sozialstaats und höhere Löhne würde aus meiner Sicht durch die Einführung des BGE eher erschwert bzw. überlagert. Ich sehe die Gefahr einer Entsolidarisierung zwischen den Beschäftigten, die das BGE mit ihrer Arbeit erwirtschaften müssen, und den BGE-Beziehenden. Ich sehe auch die Gefahr einer weiteren Individualisierung und einer Schwächung von Gewerkschaften und Betriebsräten. Ich sehe drittens die Gefahr des Missbrauchs des BGE als Subvention für Dumping-Löhne.

Aus diesen Gründen bin ich skeptisch, aber weiterhin an der Debatte sehr
interessiert.
In der Hoffnung auf weiteren Austausch, grüße ich Sie herzlich,
Alexander King