Frage an Alexander Funk von Heiner H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Funk,
im Hinblick auf die öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses am 8.11.2010 zur Petition für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens möchte ich Sie im Namen der Grundrechtsschutz-Initiative darauf aufmerksam machen, dass eine bedingungslose Grundsicherung für alle Bürger längst durch das Grundgesetz geboten und damit überfällig ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes abgeleitet. So heißt es beispielsweise in dem Hartz IV-Regelsatz-Urteil vom 9.2.2010 (unter Rnn 133, 136, 137):
"Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.
Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern."
"Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG."
"Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt."
Dieser Verpflichtung kommt der Staat nur nach, wenn er das menschenwürdige Existenzminimum jedem Einzelnen bedingungslos sichert. Die derzeitige Regierungspraxis in Bezug auf die Erwerbslosen, die den Anspruch auf staatliche Unterstützung an die Voraussetzung der Unterwerfung unter die Vorstellungen der Arbeitsmarktverwaltung bindet, stellt einen Hohn gegenüber dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dar.
Ein Menschenrecht, das unter Bedingungen steht, ist kein Menschenrecht. Werden Sie sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
H.E. Holzapfel
Sehr geehrter Herr Holzapfel,
vielen Dank für Ihr Nachricht, in der Sie auf angebliche Vorzüge eines sog. bedingungslosen Grundeinkommens hinweisen. Ihre Einschätzung zu der genannten Petition teile ich nicht. In meiner Arbeit möchte ich mich vor allem für die Menschen einsetzen, die jeden Tag durch Ihre Arbeit für sich und ihre Familien sorgen und dies nicht als ‚Unterwerfung unter die Vorstellungen der Arbeitsmarktverwaltung‘ auffassen. Im übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass die große Mehrzahl der Leistungsempfänger die Vermittlungs- und Hilfsangebote mit dem festen Ziel nutzt, ein selbstverdientes und ausreichendes Einkommen schon bald wieder aus eigenen Kräften erwerben zu können.
Ich gestehe gerne zu, dass die Vorstellung von kreativen und weitestgehend von Anreizen unabhängig Arbeitenden wohlklingend ist, sie ist dennoch sozialromantisch und nicht mit seriöser Haushaltspolitik vereinbar: Wenn Sie bedenken, dass bereits jetzt die Ausgaben unseres Sozialetats über 50% unseres Haushaltes ausmachen, ist eine Gewährung der angedachten Summen von 1000 (oder gar 1500?) € schlichtweg unrealistisch.
Überdies übersehen die Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens gerne, dass es nicht zu wenig Arbeit gibt: Sowohl in der Dienstleistungsbranche als auch bei Fachkräften stehen wir vor gegenteiligen Problemen. Ich mache mich daher dafür stark, dass gute Leistung und Engagement angemessen entlohnt werden und diejenigen, die diese Leistung aus ernsten Gründen nicht erbringen können, auf die Solidarität der Gesellschaft weiterhin zählen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Funk, MdB