Frage an Alexander Bonde von Heinz-Walter H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bonde,
Waffenproduktion und -export stellten schon immer einen politisch sehr umstrittenen Sachverhalt dar. Machtpolitische und wirtschaftliche Interessen treffen auf die Frage der Menschenrechte, die gerade in den westlichen Industrienationen gerne betont werden. Doch wie lassen sich überhaupt konstitutionell verankerte Menschenrechte mit der Produktion und dem Export von Rüstungsgütern vereinbaren? Zumal niemand ernsthaft leugnen kann, daß diese Produkte hergestellt werden, um Menschenrechte aufs schärfste zu verletzen. Besonders für die sog. BRD ist es sehr schwer zu rechtfertigen, wie nach dem Dritten Reich, dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg dieser "Rechtsstaat" sich in historisch gesehen kürzester Zeit wieder mit an die Spitze der Waffenexporteure weltweit setzen konnte.
Sicherlich war es anzunehmen, daß nach der Besetzung Deutschland durch die Alliierten und der Teilung des Landes in zwei ideologisch konträre Staaten der Status einer entmilitarisierten Zone nicht angestrebt wurde. Versprechungen wie die von Alfred Krupp (Waffenlieferant während des Zweiten Weltkrieges), niemals wieder Waffen herzustellen, entpuppte sich als eine an die Situation nach dem Ende des Krieges angepasste Falschaussage. Doch nicht nur Industrielle, auch Teile der ehemaligen Linken vergaßen in windeseile ihre Aussagen und Versprechungen, sogar ihre politischen Grundsätze. Vom "Straßenkämpfer" gegen etablierte Machtstrukturen und Verdrängung bzw. Nichtaufarbeitung der Vergangenheit entwickelten sich Angehörige der ersten Nachkriegsgeneration selbst zur politischen Elite des maroden BRD-Staates. Unter ihrer Herrschaft beteiligte sich die inzwischen territorial ausgedehnte BRD zum ersten mal seit ihrem Bestehen aktiv an Angriffskriege gegen souveräne Staaten und an vom GG nicht vorgesehenen weltweiten Stellvertreterkriegen (z. B. für die USA). Die BRD lügt doch das deutsche Volk an...
Was sagen Sie dazu?
Sehr geehrter Herr Hoetter,
vielen Dank für Ihre Frage.
In der Theorie hat Deutschland eine sehr restriktive Rüstungsexportrichtlinie. Es gelten auch weiterhin die "Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung", die schon im Jahr 2000 unter der rot-grünen Regierung beschlossen wurden. Hinzu kommt ein europäischer "Code of Conduct", der aber leider immer noch nicht rechtsverbindlich ist und damit nationalen Sonderwegen Tür und Tor öffnet.
Diese deutschen Richtlinien regeln z.B. hinsichtlich von Nicht-NATO- und Nicht-EU-Staaten:
"1. Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (.) wird restriktiv gehandhabt. Er darf insbesondere nicht zum Aufbau zusätzlicher, exportspezifischer Kapazitäten führen. Die Bundesregierung wird von sich aus keine privilegierenden Differenzierungen nach einzelnen Ländern oder Regionen vornehmen.
2. Der Export von Kriegswaffen (.) wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen. Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen."
(Die Richtlinien gibt es z.B. unter http://www.bpb.de/files/MTZZKV.pdf )
Der Skandal besteht darin, dass die schwarz-rote Regierung diese Richtlinien zwar übernommen hat, aber regelmäßig nicht beachtet. Gerade mit Hinweis auf Arbeitsplätze oder die Genehmigungspraxis anderer EU-Staaten werden Rüstungsexporte genehmigt, die mit "restriktiver Rüstungsexportpolitik" überhaupt nichts zu tun haben. Noch nicht einmal die "im Einzelfall besonderen außen- oder sicherheitspolitischen Interessen" werden näher dargelegt. Eines der prominentsten Beispiele von Rüstungsexporten, die es nicht geben sollte, sind sicherlich die geplanten U-Booten nach Pakistan.
Damit möchte ich zu einem weiteren zentralen Problem bei Rüstungsexporten kommen. Die Genehmigungen sind nicht transparent. Die Entscheidungen werden im Bundessicherheitsrat geheim gefällt, der Bundestag bloß nach der Lieferung einmal jährlich und ohne weitere Details im Rüstungsexportbericht informiert. In den meisten Fällen erfährt auch das Parlament von bedenklichen Aufträgen aus der Presse oder aus den Pressemitteilungen der beteiligten Rüstungsunternehmen. Eine Mitsprache des Parlaments ist aber zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Daher fordern wir seit langem, die gesamte Genehmigungspraxis transparenter zu gestalten und den Bundestag an den Entscheidungen zu beteiligen.
Als weiteren Schritt zu restriktiverer Rüstungsexportpolitik lehnen wir die Absicherung von Rüstungsexporten durch Hermes-Bürgschaften generell ab und haben Initiativen gestartet, diese in solchen Fällen zu verbieten.
Eine Anmerkung möchte ich zu der grünen Rüstungsexportposition noch machen: Rüstungsexporte innerhalb der EU oder innerhalb der NATO sind aus unserer Sicht notwendig. Würde es hinsichtlich militärischer Beschaffungen keine Möglichkeit der internationalen industriellen Arbeitsteilung geben. Dies würde wohl dazu führen, dass fast jede Nation versuchen würde über eine vollständige industrielle Kapazität zu verfügen, die "alles kann". Das würde zwangsläufig dazu führen, dass mehr produziert werden könnte. Dies würde den politische Exportdruck weiterhin erhöhen und mithin Aufrüstungstendenzen fördern statt vermindern.
Rüstungsexporte dürfen aber, insofern sind die deutschen Rüstungsexportrichtlinien in der Theorie richtig, unter Gesichtspunkten der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt beurteilt werden, und keinesfalls hinsichtlich wirtschaftlicher oder beschäftigungspolitischer Interessen.
Mehr zu diesem Thema sowie die Initiativen der grünen Bundestagsfraktion und mir finden Sie unter anderem unter
http://alex-bonde.de/themen/aussen-sicherheit-entwicklung.html
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Bonde