Frage an Alexander Bonde von Marco D. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Bonde,
aktuell beschäftigt mich die Diskussion über die geplante Erweiterung bzw. Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der Anti-Terror-Maßnahmen, insbesondere den Abschuß einer Passagiermaschine, bei der Tatunbeteiligte betroffen wären.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Abschussermächtigung für entführte Flugzeuge für nichtig erklärt mit der Begründung, sie sei mit den Grundrechten auf Menschenwürde und auf Leben unvereinbar und eine Abwägung von Leben gegen Leben sei unzulässig. (Quelle: Spiegel.de)
Demzufolge regt Innenminister Schäuble (CDU) eine Grundgesetzänderung an, um diese Maßnahme durch einen Passus ins Grundgesetz einarbeiten zu lassen, der das entsprechende ausführende Organ zu den notwendigen Handlungen legitimiert.
Ich frage mich gerade: WOZU?
Ist es denn nicht so, daß die Bedrohung durch Terrorismus in Deutschland weniger durch die seit dem 11. September bekannte aber danach nie mehr gelungene Entführung von Passagiermaschinen zum Zwecke der Verwendung als fliegende Bomben ausgeht, sondern von "klassischen" Autobomben oder anderen perfiden Attentats-Varianten?
Für die Sicherheit des Flugverkehrs wird doch schon einiges getan. Es gibt sog. Skymarshals und etliche Kontrollen, z.T. auch Schikanen an und um die Flughäfen, Abgeschirmte Cockpits um ein Eindringen in selbiges zu Verhindern, Schulungen der Crews etc., um ein Szenario ähnlich des 11. Septembers zu verhindern - offenbar mit Erfolg.
Wozu ist dann noch diese Grundgesetzänderung notwendig?
Sehr geehrter Herr Deiana,
die von Innenminister Wolfgang Schäuble angestoßene Debatte ist meiner Ansicht nach eine Phantomdebatte. Der Innenminister möchte sich durch Aktionismus als "harter Hund" profilieren. Das es als Innenminister eigentlich auch der Minister der Verfassung ist, gerät bei Herrn Schäuble dabei regelmäßig mal außer dem Blickfeld.
Zunächst: nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht ist die Tötung unschuldiger Menschen unzulässig, ein Abschuss eines zivilen Flugzeuges daher auch, sobald sich Unbeteiligte an Bord befinden. Dies geht auf den unbedingten Schutz menschlichen Lebens durch staatliches Handels zurück, das sich aus der Würde des Menschen in Artikel 1 des Grundgesetzes ergibt. Die Menschenwürde aber ist unantastbar, und eine Grundgesetzänderung ist rechtlich gar nicht möglich, da sie gegen die Wesentlichkeitsgarantie der Menschenrechte verstoßen würde. Es wird also keine Grundgesetzänderung im Sinne des Innenminister geben dürfen.
Meiner Auffassung nach ist auch unter Aspekten der Inneren Sicherheit eine Verfassungsänderung nicht notwendig und unsinnig. Wie viel Sicherheit kann sein und muss sein? Sicherheit und Freiheit stehen in einem Spannungsverhältnis, dass auch angesichts der Bedrohung durch Terrorismus nicht automatisch zu einer Seite hin gelöst werden kann. Ich meine: Verfassungsänderungen, neue Gesetze und die Aufrüstung des Sicherheitsapparates bedeuten nicht zwangsläufig mehr Sicherheit. Umfangreiches Überwachungsarsenal hat die terroristische Bedrohung nicht verringert. Wir müssen uns durch erfolgreiche Polizeiarbeit vor dem Terrorismus schützen. Das Instrumentarium dafür ist aber ausreichend und muss nicht in regelmäßigen Abständen erweitert werden, nur damit konservative Innenpolitiker ihren Aktionismus beweisen können. Der Weg der Regierung vom Rechtsstaat in den Überwachungsstaat ist falsch. Augenmaß und die Verhältnismäßigkeit der Mittel sind geboten -- dies schafft die Regierung aber nicht. Sie bewegt sich Schritt für Schritt hin Richtung eines Präventionsstaates, in der keine Unschuldsvermutung mehr gilt, jeder ein potenzieller Verdächtiger ist und jegliche Kommunikation überwacht werden muss.
Wir Grüne wollen eine Sicherheitspolitik mit Augenmaß und für eine Bewahrung der individuellen Rechte der Bürgerinnen und Bürger, deren berechtigten Ängste wir sehr wohl ernst nehmen. Für uns gilt aber: Im Zweifel für die Freiheit. Sie ist die Grundlage unseres demokratischen Rechtsstaats. Menschen- und Bürgerrechte sind für uns unveräußerlich.
Mit freundlichem Gruß
Alex Bonde