Frage an Alexander Bonde von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bonde
1)Raketenabwehr
a)Ist es nicht gefährlich seine Hoffnungen und Strategien auf Wunderwaffenhoffnungen einer Raketenabwehr zu setzen,bei deren Funktionsfähigkeit erhebliche Zweifel angebracht sind?
Schließlich wäre der Ernstfall der einzig verläßliche Testfall.
Wäre es nicht besser auf eine klare Abschreckung zu setzen?
b) Soweit ich de Hoop Scheffer und andere Politiker verstanden habe, möchte man eine Arbeitsteilung: Die USA Raketenabwehr für Langstreckenraketen, die Europäer ein eigenes Raketenabwehrsystem für Kurzstreckenraketen, v.a. für den Südosten Europas.Irgendwie sollen beide Systeme dann intergriert und "gekoppelt" werden.Wie weit ist eigentlich die technologische Entwicklung europäischer Systeme gediehen?Ich kann mich noch an die Europäische Verteidigungsinitiative EVI von Helmut Kohl/ Manfred Wörner erinnern, die ein taktisches Raketenabwehrsystem vorsah. MBB hatte auf dem Reißbrett einen Hochenergielaser, der auf einen Panzer montiert werden sollte.Das Ganze mutete an, wie die Laserkanonen in schlechten Godzilla- und Flash-Gordon-Filmen.Das Projekt wurde scheinbar nie verwirklicht und außer MEADS, dem auch die Grünen zustimmten,scheint es ja noch keine anderen fertigungsreifen Projekte zu geben.
2) Wie wahrscheinlich ist es, daß die deutsche Bundesmarinebei einem Konflikt im Persischen Golf/der Straße von Hormuz eingesetzt wird--sei es als Blockadebrecher oder Minenräumer?Könnte sich daraus ein NATO-Fall ergeben?Der Fall um den deutschen Seemann und nun um die britischen Seeleute zeigt ja, daß sich hier eine Art Golf-von Tongkin-Affäre wiederholen könnte.Ahamdinedschad dürfte an solchen außenpolitischen Provokationen Interesse haben, seit sein Stern innenpolitisch seit den Kommunalwahlen 2007 im Sinkflug begriffen steht.Würden die Grünen einem Einsatz der Bundesmarine im Persischen Golf z.B. gegen den Iran zustimmen?Wenn es geht bitte keine ausweichende Antwort ala Frau Homburger (FDP)
MfG
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
vielen Dank für Ihre Fragen. Da Sie unterschiedliche, sehr komplexe Themenbereiche angesprochen haben, bleibt mir nur die Möglichkeit knapper Antworten, um den Umfang meiner Antwort nicht ausufern zu lassen.
1) Raketenabwehr
Ich halte das US-amerikanische Raketenabwehrsystem für sehr bedenklich. Ungeachtet der technischen Risiken und der Frage, ob Raketenabwehr überhaupt zuverlässig realisierbar ist: mit diesem System wird versucht, ein politisches Risiko technisch zu lösen. Das Ziel darf aber nicht die vermeintliche Unangreifbarkeit sein, denn der politische Fokus muss auf der Suche nach der Lösung der Problemursachen dienen. Die von Ihnen vorgeschlagene Abschreckung ist keine Alternative, da sich das US-Raketenabwehrsystem ja gerade gegen die Konfliktgegner richten soll, bei denen eine Abschreckung nicht möglich ist: nichtstaatliche Akteure.
Hinsichtlich europäischer taktischer Raketenabwehrsysteme ist nur MEADS einschlägig. Die bereits vorhandenen PATRIOT-Abwehrssysteme haben begrenzte Raketenabwehrkapazitäten, sind technologisch jedoch nicht mehr steigerungsfähig. Zur Klarstellung: ich habe dem taktischen Luftverteidigungssystem MEADS nicht zugestimmt, nicht zuletzt, weil die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen - für weitere Details möchte ich auf meine Homepage verweisen.
2) Einsatz der Marine
Auslandseinsätze der Bundeswehr sind nicht leicht zu beschließen. Jede Entscheidung über einen Einsatz ist eine sorgfältige Abwägung vieler Faktoren. Für mich persönlich ist dabei vor allem das außenpolitische Umfeld entscheidend, und die Frage, inwieweit im Vorfeld diplomatische und zivile Konfliktlösungsstrategien ausgeschöpft worden sind. Eine von der ganz konkreten Situation abgekoppelte abstrakte Entscheidung, ob die Bundeswehr in einer Region einsetzbar sein könnte oder nicht, ist unseriös. Nicht das Einsatzgebiet an sich ist entscheidend, sondern die politische Situation. Insofern: nein, es geht nicht, eine völlig spekulative Frage konkret zu beantworten.
Mit freundlichem Gruß
Alexander Bonde