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Alexander Bonde
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Frage von Christoph B. •

Frage an Alexander Bonde von Christoph B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Bonde,

in Kürze wird im Bundestag über den Einsatz von Tornadoflugzeugen im Süden Afghanistans zum Zwecke der Foto- Aufklärung eine Abstimmung vorgenommen.
Werden Sie angesichts der Unzweckmäßigkeit und Gefährdung von deutschen NGO´s gebauten Schulen (Siehe Kinderhilfe-Afghanistan.de) diesem Vorschlag wiedersprechen und endsprechend abstimmen?
Sie stimmen mir hoffentlich zu, daß zum Beispiel der Einsatz von Photovoltaik-Homesystemen innerhalb der Bundeswehr und auf den Schulen dort nicht nur für die Bundeswehr mehr erbringt als Tornado-Einsätze.
Wie werden Sie abstimmen?

MfG
Christoph Baare

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Baare,

ich habe im Bundestag die Entsendung deutscher Tornados nach Afghanistan abgelehnt. Meine Ablehnung des Tornado-Einsatzes erfolgt nach sorgfältiger Abwägung. Die von ihnen aufgeworfene Frage von Photovoltaik-Homesystemen spielte bei dieser Abwägung jedoch keine Rolle. Auch wenn ich Ihre Auffassung teile, dass die Solarenergie begrüßenswert und politisch förderungswürdig ist, hängt die Frage der Stabilität Afghanistans doch von anderen kritischen Punkten ab.

Die Aufklärungs-Tornados tragen auch zur Kampfunterstützung in den umkämpften Provinzen im Süden bei. Seriösen Quellen ist zu entnehmen, dass im Süden und Osten vielfach militärisch undifferenziert und unverhältnismäßig gegen Aufständische vorgegangen und zugleich der Aufbau vernachlässigt wurde. Eine auf Felderzerstörung fixierte Art der Drogenbekämpfung tut das Ihre zur Konfliktverschärfung. Dass dadurch mehr Feinde produziert und Freunde verloren wurden, ignoriert die Art der Militärführung im Süden bisher. Ich halte es für die dringlichste Aufgabe, diese Art der Militärführung zu verändern. Dazu tragen die nun bewilligten Tornados aus meiner Sicht leider nicht bei.

Seit Monaten wird auf allen Ebenen der Staatengemeinschaft betont, dass die Konflikte in Afghanistan nicht militärisch zu lösen seien und dass es eines Strategiewandels sowie forcierter und effizienterer Aufbauanstrengungen bedürfe. Bisher bleiben die Taten leider weit hinter den richtigen Worten zurück. Das gilt für die Staatengemeinschaft insgesamt, wo eine deutliche Diskrepanz zwischen der proklamierten Revision der Stabilisierungsstrategie und dem tatsächlichen Forcieren einer primär militärischen Bekämpfung aufständischer Gruppen besteht. Das gilt insbesondere auch für die Bundesrepublik, die wohl seit fünf Jahren einen konzeptionell vorbildlichen Ansatz ziviler, polizeilicher und militärischer Maßnahmen vertritt, aber mit dem Tornado-Einsatz ihre militärischen Anstrengungen verstärkt und viel zu wenig für die weitaus dringlicheren zivilen Bemühungen tut. Wenn nun für die Tornados ungefähr so viele Millionen Euro in einem Jahr ausgegeben werden sollen wie für die deutsche Hilfe zum Polizeiaufbau in fünf Jahren (ca. 70 Mio. Euro), und wenn die deutsche Polizeihilfe trotz des drängenden Bedarfs weitgehend unverändert bleibt, dann ist das kurzsichtig und halbherzig. Das bisherige Missverhältnis zwischen militärischem und zivilem Engagement wird somit vertieft statt überwunden. Ohne mehr und besseren Aufbau bleibt jede militärische Anstrengung aussichtslos. Deshalb fordert meine Fraktion eine „zivile Frühjahrsoffensive“. Mein NEIN zum Tornado-Einsatz ist ausdrücklich kein Aufruf zum Ausstieg aus dem multilateralen Projekt von Gewalteindämmung, Statebuilding und Friedensförderung – ich stehe weiterhin zum ISAF-Mandat. Das NEIN ist ein Aufruf für eine Erfolgsstrategie in Afghanistan und ein dringender Warnruf, das schmale Zeitfenster für die Veränderung der Militärstrategie und der zivilen Anstrengungen jetzt zu nutzen. Seit Juli 2006 haben Bündnis90/ Die Grünen immer wieder gegenüber der Bundesregierung darauf gedrängt. Eine praktische Wirkung blieb weitgehend aus.

Ohne die militärische Friedenssicherung durch ISAF hätte es die bisherigen Teilerfolge in Afghanistan nicht gegeben. Wer jetzt zu einem Abzug der Bundeswehr und der ISAF-Truppen insgesamt aufruft, nimmt die Rückkehr der Taliban an die Macht und den Zusammenbruch des Friedensprozesses in Kauf. Für die Stabilisierung und den Wiederaufbau Afghanistans ist das militärische Engagement der Staatengemeinschaft eine unverzichtbare Voraussetzung.

Forderungen nach einem Abzug der ISAF halte ich daher für falsch und sicherheitspolitisch und friedenspolitisch nicht zu verantworten. Solche Forderungen verkennen das enorme Konflikt- und Gewaltpotenzial in Afghanistan. Aufbau ohne ein Minimum an Sicherheit ist hier nicht möglich. Die bisherigen erheblichen Fortschritte, die es in Afghanistan trotz aller Rückschläge auch gibt, wären ohne ISAF nicht möglich gewesen. Solche Exit-Forderungen entfalten auch ihre eigenen Wirkungen: Sie entmutigen all diejenigen, die Aufbau, Frieden und mehr Freiheiten in Afghanistan wollen. Sie ermutigen diejenigen, die genau das Gegenteil im Schilde führen. Ein Abzug wäre der Startschuss für eine schnelle Retalibanisierung. Vor fünf Monaten besuchten 14 afghanische Parlamentarierinnen den Deutschen Bundestag. Im Gespräch mit diesen mutigen Frauen wurde uns erneut bewusst, worum es in Afghanistan geht. Wir versprachen ihnen: „Wir lassen Sie nicht im Stich! Wir setzen uns aber zugleich für die von Ihnen geforderten Änderungen der internationalen Politik ein.“ Das ist – trotz der unterschiedlichen Bewertung der Entsendung der Tornados – die feste Überzeugung, der gemeinsame Wille und die politische Praxis der Grünen Fraktion.

Mit freundlichen Grüßen,

Alexander Bonde