Frage an Alexander Alvaro von birgit M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Alvaro,
als eine der Teilnehmer des Bürgerforums 2009 und wirklich an den Problemen der EU Interessierte habe ich Ihren Kommentar vom 26.03.2009 gelesen und stimme mit Ihnen überein. Doch meine Frage, auch an das BFE 2009 konnte nicht beantwortet werden: Gibt es in den anderen 26 EU-Ländern ein genauso gut funktionierendes soziales Netz wie bei uns, spricht Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung mit ihren Leistungen? Unsere Bürger haben die berechtigte Sorge, daß aufgrund der EU Richtlinien, wonach jeder EU-Bürger die freie Wahl des Arbeitsplatzes und des Wohnortes innerhalb der EU hat, speziell deshalb unser soziales Netz ausgenutzt werden könnte, weil es hier eine so gute, soziale Absicherung gibt.
Außerdem: Was geschieht mit den nicht nach Afrika zurückgeschickten Lampedusa-Flüchtlingen: Wohin werden die hier verbleiben Dürfenden verteilt? Sind es die Menschen mit entsprechenden Ausbildungsqualifikationen, die bei uns so dringend benötigt werden? Was passiert mit denen, die keine Qualifikation haben und sich nicht verständigen können? Mir tun diese Menschen wirklich leid, aber können diese in den EU-Ländern (und ich habe die Befürchtung hauptsächlich für Deutschland) gerade jetzt, wo es in unserem Land immer mehr Arbeitslose aufgrund der Finanzkrise gibt , überhaupt Arbeit finden? Wie sieht es mit dem Nachzug der Familienangehörigen aus? Werden von ihnen aus Sicherheitsgründen biometrische Daten genommen? Wir wissen ja nicht, ob sie in friedlicher oder anderer Absicht in die EU-Länder kommen.
Bitte freundlichst um Antwort Birgit Mitrenga
Sehr geehrte Frau Mitrenga,
für Ihre weiterführenden Fragen und das damit zum Ausdruck gebrachte Engagement und Interesse an Europäischer Politik möchte ich mich herzlich bedanken. Gerne will ich versuchen, Ihre Fragen zu beantworten:
Natürlich haben Sie Recht, dass eine gut gestaltete soziale Sicherung ein Faktor sein kann, wenn man die neuen Möglichkeiten, die eine freie Arbeitsplatzwahl mit sich bringt, als EU - Bürger nutzen will. Deshalb wurde ja diese zunehmende Liberalisierung schrittweise unternommen, um die Länder auch auf die damit einhergehenden Herausforderungen vorzubereiten.
Meiner Meinung nach sollte man die verschiedenen sozialen Rahmenbedingungen, die zum Beispiel Krankheitsversicherungen, Arbeitsbedingungen und weitere Leistungen, die die Mitgliedsstaaten erbringen, betreffen, nicht nur als Gefahr, sondern vor allem als Chance begreifen. Damit beantworte ich bereits eine weitere von Ihnen gestellte Frage. Nein, die EU Staaten verfügen nicht über dieselben sozialen Absicherungen, auch wenn durch die EU bereits bestimmte Mindeststandards, was beispielsweise Arbeitsschutz, Versicherungen und Garantien im Falle von Übernahmen betrifft, geschaffen wurden. Auch ist es ein erklärtes liberales Ziel, diese Bestimmungen möglichst transparent zu gestalten. Denn unsere sozialen Regelungen, unsere Arbeitsbedingungen stehen zu den anderen Mitgliedsstaaten in einem ständigen Wettbewerb um Arbeitskräfte. Davon profitieren letzten Endes alle, da wir ständig unsere Leistungen und unsere Standortvorteile gegenüber anderen Staaten weiter entwickeln und so zu einer gesamteuropäischen Verbesserung beitragen.
Ihre zweite Frage bezieht sich auf Flüchtlinge, die sich in Europa aufhalten dürfen. Natürlich sind dies nicht Menschen mit einer Blue Card, die hier einreisen und natürlich tragen diese Menschen kurzfristig nicht zum Wohlstand der EU bei. Doch ich warne davor, nur die Sonnenseite der Globalisierung zu sehen, die damit einhergehende Verantwortung jedoch zu scheuen. Denn die EU verkörpert mehr als reine Mobilität und grenzenloses Reisen. Es sind demokratische Werte, auf denen die EU aufgebaut ist, auf Grund- und Menschenrechten, die sie nicht nur nach innen verteidigt, sondern nach außen repräsentiert. Mit welcher Berechtigung können wir diesen Menschen ein menschenwürdiges Dasein vorenthalten? Und mit welcher Berechtigung könnten wir Daten von diesen Menschen erheben, die von unseren eigenen Mitbürgern nicht verlangt werden? Auch diese Menschen haben ein Anrecht auf die Unschuldsvermutung, die einen essentiellen Bestandteil unseres Demokratieverständnisses darstellt.
Diese Inkonsistenz würde uns unglaubwürdig machen.
Ich hoffe, mit diesen Ausführungen Ihre Fragen beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Alexander Alvaro