Was haben Sie gemeint mit "die AfD wird sich enthalten?"
Sie sagten in Ihrer heutigen Rede zur Wahlrechtsänderung "Die AfD wird sich enthalten". Warum haben 3 dafür, 42 dagegen gestimmt und nur 21 sich enthalten? Was bedeutet für die AfD "sich enthalten"?
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Frage und das damit verbundene Interesse an meiner Person und der AfD-Bundestagsfraktion. Das Mandat wird nach dem Leitbild des Grundgesetzes frei ausgeübt. Der Abgeordnete ist dabei nur seinem Gewissen verpflichtet. Dieser für einen demokratisch verfassten Staat wichtige Gedanke wird, wie Sie wissen, in der Praxis der bundesrepublikanischen Parlamente durch innerfraktionelle oder gar interfraktionelle Vorabsprachen oder gar "Fraktionszwang" durchbrochen. Die AfD lehnt die Figur des Fraktionszwanges ab und übt diesen folglich nicht. So kommt es hier und da vor, das auch bei wichtigen und politisch umstrittenen Fragen unterschiedlich gestimmt wird. Ich sehe das als Zeichen einer lebendigen demokratischen Willensäußerung innerhalb unserer Fraktion und begreife es zugleich als grundsätzlichen Vorteil für den Wähler in Sachen Transparenz. Eng mit diesem Grundverständnis verbunden ist das (individuelle) Ringen um Wahrheit und Klarheit. Bei aktuellsten Fragestellungen, die unmittelbarste Auswirkungen auf das Wohl unseres Landes haben bzw. haben würden, bemühen wir uns allerdings zum Wohle Deutschlands stets um große Geschlossenheit. Bislang ist es uns auch meist gelungen, diese Haltung im Abstimmungsverhalten zu manifestieren. Im von Ihnen angesprochen Fall des Abstimmungsverhaltens zur Neuordnung des Bundestagswahlrechts und hier des Vorschlags der Regierungskoalition spiegelt das AfD-Abstimmungsverhalten freundschaftliche - teils hart geführte - Kontroversen innerhalb der Fraktion. Auch für die 20. Wahlperiode hatten wir ein eigenes Bundestagswahlrecht konstruiert und als vollständiges Gesetz noch vor der KOA in die Parlamentsprozesse eingespeist, Drucksache 20/5360. Die KOA hatte wesentliche Elemente daraus übernommen und letztlich als eigenes Gesetz eingebracht, Drucksache 20/5370. Sichtbar wurden verbindende Elemente vor allem an den auch in der Presse viel diskutierten Rechtsfiguren "Wegfall der Grundmandatsklausel" und "Kappung Direktmandate", soweit nicht vom Zweitstimmenergebnis gedeckt. Aus unseren fraktionellen Arbeitsprozessen heraus war grundsätzlich abgestimmt, das wir dem eigenen Gesetz folgen und uns aufgrund von Ähnlichkeit(en) zum Regierungskoalitionsentwurf enthalten. Am von Ihnen transportierten Abstimmungsverhalten kann man dann tatsächlich ablesen, dass einige unserer Abgeordneten es dann in Bezug auf das KOA-Gesetz anders gesehen haben. Da auch meine Rede natürlich vor der Abstimmung stattfand, konnte ich das tatsächliche Abstimmungsergebnis nicht vorwegnehmen. Ich rege abschließend nochmals an, dies als Ausweis einer lebendigen Demokratie und Vorteil für den Wähler anzusehen. Davon ab, gehe ich von weitestgehender Geschlossenheit bei staatsentscheidenden Fragen und unseren Antworten darauf aus.
Freundliche Grüße
Ihr Albrecht Glaser, MdB