Frage an Albrecht Glaser von Wolfgang L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Glaser,
zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das erste Fragenpaket zum Themenbereich A. Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise.
A.1 Um die durch die Corona Krise entstandenen wirtschaftlichen Einbußen auszugleichen, hat die Bundesregierung ihre Ausgaben erhöht, während ihre Steuereinnahmen einbrachen. Dies hat zu einer Erhöhung der Staatsverschuldung geführt. Sollten die gestiegenen Staatsschulden als notwendiger Fakt akzeptiert werden (Staatsanleihen mit “unendlicher” Laufzeit) oder sollten sie reduziert werden? Wenn Sie der Meinung sind, dass eine Reduktion notwendig ist, wie sollte diese zustande kommen?
- durch Steuererhöhungen welcher Art?
- durch Sparmaßnahmen in der öffentlichen Daseinsvorsorge, wo genau: Bildung, Renten, Lohnkürzungen, Kürzungen von Sozialleistungen, öffentliche Infrastruktur
- durch mehr Wirtschaftswachstum
- durch andere Möglichkeiten (Schuldenschnitt, Inflation, Lastenausgleich etc.)
A.2 Die Corona-Krise macht u.a. deutlich, dass vorausgegangene Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich (Intensivbettenabbau, Krankenhausprivatisierungen) sich negativ auf die Daseinsversorgung auswirken. Welchen Mehrwert erzielt die zunehmende Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen aus Ihrer Sicht? Würden Sie die diese auch nach den Bundestagswahlen 2021 fortsetzen?
A.3 US-Amerikanische IT-Konzerne sind Profiteure der Corona-Krise. Sie bezahlen kaum Steuern und nutzen Stiftungen, um Einfluss auf gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen zu nehmen. Mit welchen Gesetzen kann deren Einflussnahme so begrenzt werden, dass das Gemeinwohl geschützt ist? Unterstützen Sie Angela Merkels Forderung, IT-Konzerne weltweit stärker zu besteuern?
Sehr geehrter Herr Glaser,
zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das erste Fragenpaket zum Themenbereich A. Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise.
A.1 Um die durch die Corona Krise entstandenen wirtschaftlichen Einbußen auszugleichen, hat die Bundesregierung ihre Ausgaben erhöht, während ihre Steuereinnahmen einbrachen. Dies hat zu einer Erhöhung der Staatsverschuldung geführt. Sollten die gestiegenen Staatsschulden als notwendiger Fakt akzeptiert werden (Staatsanleihen mit “unendlicher” Laufzeit) oder sollten sie reduziert werden? Wenn Sie der Meinung sind, dass eine Reduktion notwendig ist, wie sollte diese zustande kommen?
Zunächst eine einleitende orientierende Bemerkung:
Ein „Konzept“ mit ewigen Schulden haben die Bundesregierungen bedauerlicherweise seit 2010 praktiziert. Von dem damaligen Schuldenniveau Bund (Finanzkrise/Staatsschuldenkrise) i. H. v. rund 1 Billion wurde bis Ende 2019 nahezu nichts getilgt und dies trotz Halbierung der Zinslast wegen der EZB-Zinspolitik. Es handelt sich um das gleiche Phänomen wie in Italien, Spanien, Griechenland u. a. ab Beginn der Währungsunion. Alle diese Länder haben die Zinsreduktion durch die Bonität der Euro-Zone nicht zur Schuldentilgung verwendet, wie gefordert, angekündigt, wenngleich von Realisten gar nicht erst erwartet. Einen großen Teil der heutigen Schuldenlage (im Durchschnitt über 100 % des BIP im Euro-Raum gegenüber den Anforderungen der EU-Kriterien und des Stabilitätspakts von max. 60 %) verdanken wir dieser verantwortungslosen und rechtswidrigen Politik. Dies alles geschah bei einem nachhaltigen, wenn auch mäßigen, jährlichen Wirtschaftswachstum von 2010 bis 2019. Die Verschuldung auf Bundesebene wird nach 20 und 21 um ca. 450 Mrd. auf nahezu 1,5 Billionen zunehmen und damit insgesamt die 70 %-Quote übersteigen.
Die Schuldenverstetigung ist das Gegenteil von „Resilienzpolitik“, die derzeit in aller Munde ist und in jedem Papier der Bundesregierung und der EU beschworen wird. Ökonomisch wird früher oder später die Zinslast erdrückend. Denn natürlich wird die Inflation kommen und werden die Zinsen steigen. Ergo können die hohen Schulden -weder die alten noch die neu hinzugekommenen- politisch akzeptiert werden. Rechtlich ist ein solcher Vorgang durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt ausgeschlossen Und schließlich geht selbst die BR laut „Deutschem Stabilitätsprogramm 2021“ nicht von einem solchen Szenario aus.
- durch Steuererhöhungen welcher Art?
Hierbei handelt es sich um eine Suggestivfrage. Als das OECD-Land mit der höchsten Abgabequote (über 40 % des BIP), die sich auch in der anteiligen Steuerquote (über 23 %)wiederspiegelt, sind Steuererhöhungen keine Option. Eine Lösung kann nur gefunden werden durch eine Kombination aus Erleichterungen privater -also rentierlicher- Investitionen- und einer deutlich korrigierten Ausgabenpolitik. Wir wenden seit 2015 jährlich rund 50 Mrd. für Migrationskosten auf, wenngleich die Feststellung dieses Betrags durch parlamentarische Auskunftsersuchen seitens der BR unmöglich gemacht wird. Wir haben in 2021 bereits bis heute 100.000 Migranten neu im Inland, was, bezogen auf das ganze Jahr 2021, der Einwohnerzahl einer mittelgroßen Großstadt entspricht (etwa Kassel). Es ist nicht erkennbar, dass die BR und/oder die EU, welche die Rechtssetzungshoheit hat, an diesem Zustand etwas ändern will. Die Kosten zur jährlichen Errichtung der Infrastruktur einer Großstadt bzw. deren Finanzierung durch Transferleistungen ist finanzwirtschaftlich nicht erbringbar. Wenn daneben noch staatliche Konsolidierungsziele verfolgt werden sollen, dann ist dies die Planung des Unmöglichen. Ähnlich verhält es sich mit dem „Wiederaufbauprogramm“ bzw. „NGEU“, der bekanntlich ab 2028 die jährliche EU-Umlage Deutschlands an die EU um zweistellige Milliardenbeträge erhöhen wird. Für solche Verhaltensweisen die Bürgerschaft zur Kompensation heranzuziehen ist unmoralisch, politisch (hoffentlich) nicht durchsetzbar und ökonomisch kontraproduktiv.
- durch Sparmaßnahmen in der öffentlichen Daseinsvorsorge, wo genau: Bildung, Renten, Lohnkürzungen, Kürzungen von Sozialleistungen, öffentliche Infrastruktur
Im Bildungsbereich hat der Bund kaum Zuständigkeiten. Was die Wissenschaftsförderung angeht -vorausgesetzt sie wird handwerklich richtig gemacht-, ist dies natürlich kein Ansatzpunkt. Dabei muss natürlich gesichert sein, dass den Naturwissenschaften absoluter Vorrang gebührt.
Die Renten müssen aus rechtlichen und zwingenden sozialpolitischen Gründen gesichert werden. Dort -etwa durch Kürzung des jährlichen Bundeszuschusses von über 100 Mrd.- sind Kürzungen nicht möglich. Allerdings wäre durch Erhöhung der Beschäftigung -Zahl der Erwerbstägigen, insbesondere jedoch durch Erhöhung der Jahresarbeitszeit und Verlängerung der Lebensarbeitszeit und durch Produktivitätserhöhung viel Raum für notwendige und kreative Politik. Es sei beispielhaft darauf hingewiesen, dass in D die Jahresarbeitszeit im Verhältnis zu den klassischen OECD-Ländern die niedrigste ist. Es ist ebenfalls beispielhaft darauf hinzuweisen, dass etwa Norwegen und Schweden seit Jahren eine automatische Verlängerung der Erwerbsphase (qua verspätetem Renteneintritt) durch eine automatische Anknüpfung der Verlängerung der Erwerbszeit an die Verlängerung der Lebenszeit erreichen. (Für das Rentensystem doppelt wirksam)
Es ist schließlich auf die Produktivität in D hinzuweisen. Der jährliche Produktivitätszuwachs bewegt sich seit Jahren unter 1 Prozent. D. h. wir finden in dieser Zahl ein Innovationsdefizit. Einer der Ursachen hierfür -neben einem seit Jahren nicht mehr adäquat leistungsfähigen Bildungssystem- ist die Niedrigzinspolitik der EZB. Die Unterbewertung des Euro für deutsche Verhältnisse entlässt -so eine nahezu unstreitige Meinung namhafter Volkswirte- die Volkswirtschaft aus dem Wettbewerbsdruck zur Innovation und Produktivitätserhöhung.
Was die öffentliche Infrastruktur angeht, begehen wir seit Jahren den Fehler, den Werteverzehr des Anlagevermögens des Bundes nicht im Haushalt darzustellen. Die meisten Bundesländer und EU-Staaten tun dies. Es geht dabei um den sog. doppischen Haushalt, statt des kameralen. Um den Anschein eines ausgeglichenen Haushalts zu erwecken, wird bei uns auf Bundesebene von der „schwarzen Null“ geredet, die wir bisher gar nicht hatten. Dies beruht genau darauf, dass die Überalterung der Infrastruktur im HH nicht sichtbar wird und der jährliche Werteverzehr nicht dargestellt und damit -für das Ziel eines ausgeglichenen HH- nicht monetär erwirtschaftet wird. Zudem ist dieses Thema an der hiesigen Stelle nicht von entscheidender Bedeutung. Welche Investition in welche Infrastruktur soll auf welche Weise Wirtschaftswachstum erzeugen? Und wie berechnet man einen solchen Effekt?
- durch mehr Wirtschaftswachstum
Dazu ist bereits einiges gesagt. Ergänzt werden muss dieser Komplex durch die Forderung nach Abbau der -im internationalen Vergleich- überhöhten Unternehmenssteuern. (Nachzulesen in den Sachverständigenberichten seit Jahren.) Die Gewerbesteuer und die Grundsteuern müssen, wie dies etwa auch im Kirchhoff-Konzept seit etwa 10 Jahren steht, abgeschafft werden und durch eine veränderte Steuerkulisse die nationale und internationale Investition in Unternehmen erhöht und damit auch für den Fiskus fruchtbar gemacht werden. Insonderheit durch alle diese Maßnahmen erhöhte Lohn- und Einkommensvolumina können erhebliche positive fiskalische Auswirkungen erzeugen.
- durch andere Möglichkeiten (Schuldenschnitt, Inflation, Lastenausgleich etc.)
Die Theorie von der Inflation, welche die Arbeitslosigkeit vermindert, hatten wir schon in den 70er Jahren. Sie wurde vom Weltökonom Schmidt in die Welt gesetzt, schon damals in der Fachwelt belächelt und ist in vielen wissenschaftlichen Darstellungen der Fachwelt hinreichend widerlegt. Zuerst hatten wir die Inflation und danach die Arbeitslosigkeit.
Welchem Gläubiger von Staatsschulden will man erklären, dass D nicht mehr zahlungsfähig sei. Allein der Flurschaden für die Bonität des Landes, des Euro, der im wesentlichen an der Bonität Deutschlands hängt, wäre unermesslich. Nur Harakiri-Politiker können auf solche Ideen kommen. Welche Gläubiger will man denn durch eine solche Aktion enteignen. Die EZB etwa als Gläubigerin von Staatsschulden? Das wäre besonders pikant, weil dann deren Verluste wieder an die Staaten weiter gereicht werden.
Was den „Lastenausgleich“ angeht -das Vermögenssteuer- und Vermögensabgabenkonzept der Grünen soll etwas Vergleichbares sein, wird behauptet-, so ist festzustellen, dass der historische „Lastenausgleich“ mit den in jüngster Zeit ins Spiel gebrachten Ideen nichts zu tun. Die Unkenntnis über diesen Teil der deutschen Finanzgeschichte ist offenbar grenzenlos. In aller Kürze: Die von westdeutschen Vermögensinhabern verlangten und beigetriebenen Abgaben wurden einem Sondervermögen zugeführt, das nichts mit Fiskaleinnahmen irgendeines Haushaltes zu tun hatte. Diese Vermögensmasse wurde sogar noch durch allgemeine Steuermittel angereichert. Alles zusammen wurde ausgekehrt an alle diejenigen, der etwa 15 Millionen Vertriebenen und unter staatlichem Druck Geflohenen, welche durch die Kriegsfolgenmaßnahmen der Siegermächte und der osteuropäischen Länder Vermögensschäden erlitten hatten. Dabei handelte es sich nur um Teilausgleiche. Dennoch wurde dadurch nicht nur Gerechtigkeit hergestellt in einer Bürgergemeinschaft, die durch Kriegsfolgeereignisse unterschiedlich betroffen gewesen war, sondern es wurde für die Millionen gut ausgebildeter und hoch arbeitsmotivierter Menschen ein Anreiz und die Möglichkeit geschaffen oder zumindest unterstützt, sich wirtschaftlich zu betätigen. Und insbesondere diese Wirkung ist manifest eingetreten und hat in der Tat einen großen Anteil am Geschehen des sog. Wirtschaftswunders, bei dem bis 1955 jährliche durchschnittliche BIP-Wachstumsraten von ca. 10 % entstanden waren. Einer der entscheidenden Ursachen für eine auch politisch gelingende Staatsentwicklung der Bundesrepublik.
A.2 Die Corona-Krise macht u.a. deutlich, dass vorausgegangene Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich (Intensivbettenabbau, Krankenhausprivatisierungen) sich negativ auf die Daseinsversorgung auswirken. Welchen Mehrwert erzielt die zunehmende Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen aus Ihrer Sicht? Würden Sie die diese auch nach den Bundestagswahlen 2021 fortsetzen?
Die in der Fragestellung ausgesprochene Vermutung entbehrt jeglicher tatsächlicher Grundlagen. Die Bettenzahlen im stationären Gesundheitssystem atmen mit der Belegung und dabei auch mit längerfristig einschätzbaren Parametern. Ein wichtiger Parameter dabei ist die Verweildauer, die durch hoch effektive ambulante Versorgungsstrukturen stark beeinflusst wurden und werden. Die Kreativität und fachliche Fähigkeit vieler Fachärzte kann dabei nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch die Krankenhausprivatisierungen haben für die Fachwelt unstreitig ein hohes Verbesserungspotenzial für die medizinische Versorgung erbracht. (Von Verwaltungsbeamten geleitete Kreiskrankenhäuser sind nicht wegen ihrer hohen und anerkannten Qualität weniger geworden oder haben fusioniert, sondern weil es ihnen an Professionalität mangelte. (Das vollends staatliche Gesundheitswesen in UK ist anerkanntermaßen das -unter verschiedenen Gesichtspunkten- schlechteste in ganz Europa.) Es gab in D keinen Intensivbettennotstand. Im Jahr 2020 waren im Durchschnitt 4 % der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt.
Eine Bettenvorhaltung für Großkatastrophen und Pandemien -gewissermaßen im Verdacht auf das Ungewisse- ist weder organisatorisch möglich noch ökonomisch darstellbar. Soll etwa Personal vorgehalten werden für nicht belegte Betten? Wie soll das gehen? Die jüngste Subventionierung von angeblichen Intensivbetten hat genau die Effekte gezeigt, die bei solcher Fata-Morgana-Krankenhausplanung eintreten würden. So geht stationäre Versorgung für Krisenfälle nicht.
A.3 US-Amerikanische IT-Konzerne sind Profiteure der Corona-Krise. Sie bezahlen kaum Steuern und nutzen Stiftungen, um Einfluss auf gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen zu nehmen. Mit welchen Gesetzen kann deren Einflussnahme so begrenzt werden, dass das Gemeinwohl geschützt ist? Angela Merkels Forderung, IT-Konzerne weltweit stärker zu besteuern?
„US-amerikanische IT-Konzerne“ haben sehr unterschiedlich von der Corona-Krise „profitiert“. Der IT-Händler Amazon hat sicher sehr starke Geschäftsausweitungen darstellen können. Dies geschah zunächst einmal zugunsten unzähliger Kunden, die elementare Versorgungen für sich und andere sonst nicht oder unter erschwerten Bedingungen hätten organisieren müssen. Insofern haben diese hochinnovativen -und deshalb auch von der Kundschaft geschätzten- Unternehmen einen eigenen Nutzen erfahren dadurch, dass sie großen Fremdnutzen gestiftet haben. Was hätten denn viele Verbraucher ohne diese hochtechnologische Infrastruktur gemacht. Darauf gewartet bis europäische Unternehmen solche Geschäftsideen und deren technologische Verwirklichung erfunden hätten?
Das Steuerthema ist ein ganz anderes. Das Niedrigsteuerland Irland, in welchem viele geschäftliche Aktivitäten „der Amerikaner“ in der Tat steuerlich privilegiert behandelt werden, ist ein EU-Land, bei dem es der EU offenbar nicht gelingt, einigermaßen komparative Steuerverhältnisse herzustellen. Die Trump-Administration hat in USA die bisherigen sehr niedrigen Ertragssteuersätze für Unternehmen mit -aus US-Perspektive- ausländischen Aktivitäten deutlich angehoben. Etwas Ähnliches versucht z. Zt. auch die OECD mit den Mitteln des Völkerrechts. Das ist sehr zu begrüßen. Ebenso natürlich auch der Kampf gegen echte „Steuerparadiese“. Aus deutscher Sicht muss jedoch klar sein, dass international ein Grundprinzip der Ertragssteuer die Besteuerung von Unternehmen am Sitzort der Unternehmen ist. Dies ist bis gestern auch unstreitig. Wenn das Exportland D seine Hand dazu reicht, dass exportierte Leistungen -neben der jeweiligen Einfuhrumsatzsteuer- in den Importländern ertragsversteuert werden, dann wird das deutsche Steuersubstrat, das eben auch mit den Sitzorden von VW, Daimler, BMW, Bosch, Siemens, BASF, Bayer usw. usw. für uns großen Nutzen stiftet, erodiert. Das kann wohl niemand wollen. Nur politische Akteure, welche die tieferen Bezüge eines solchen Themas nicht durchdringen, ergehen sich in solchen populistischen Parolen, die jedoch keine Problemlösungen darstellen.
IT-Unternehmen müssen genauso besteuert werden wie alle anderen Unternehmen auch. Wie will man denn mehrerlei Steuerrecht begründen? Warum soll etwa SAP höher besteuert werden als BASF. Wenn man keine anderen großen Unternehmen einer neuen technologischen Wirtschaft hat, kann man gut solche Forderungen aufstellen. Man stelle sich vor, andere Länder kämen auf die Idee, die Automobilindustrie höher zu besteuern als Lebensmittelkonzerne oder Kosmetikunternehmen oder den Fußball oder den Rennsport.
Im Übrigen kommt man wieder auf die bereits angedeutete Problemwelt der deutschen Bildungspolitik (50 % der MINT-Studenten in D brechen ab, in der Grundschulmathematik sind wir unter dem OECD-Standard. Unsere Diplom-Studiengänge waren ein Markenzeichen weltweit. Das völlig anders strukturierte Pisa-Konzept und die Master-Studiengänge waren von Beginn eine bildungspolitische Katastrophe.) Wie steht es um die Unternehmerkultur in D und die Neidkultur gegenüber tüchtigen und fleißigen Menschen? Beamte will die Mehrheit der heutigen Studenten werden. Unser Absturz hat sonach viele Ursachen. Und für viele trägt die Politik die Verantwortung, im Bund, insbesondere jedoch in den Ländern. Natürlich auch die Fachwelt der Pädagogen, der Kulturbürokratie usw. usw.
Und wenn man, wie ich das täglich und seit Monaten tue, das NGEU-Desaster und den sog. Eigenmittelbeschluss des Ecofin hautnah miterlebt, hoffnungsarm vor dem BVerfG dagegen klagt und dem gegenüber stellt Broschüren dieser Regierung der EU-Kommission mit einer ganz eigenen Sprache aus dem Taka-Tuka-Land, dann ist klar, warum die EU -seit Jahren die am schwächsten wachsende Großwirtschaftszone der Welt- nicht nur nicht auf die Füße kommt, sondern geradewegs Europa um seine Zukunft bringt.
A. G.