Kann ich Sie und Ihre Partei bei der Bundestagswahl wählen, wenn ich strikt gegen eine Zusammenarbeit oder eine Abstimmungsmehrheit bin, die nur unter Beteiligung der AfD zustandekommt?
Sehr geehrter Herr Stegemann,
die gestrige Abstimmung im Bundestag zum CDU-Antrag zur Migration entsetzt mich zutiefst. Aus meiner Sicht hätte die CDU/CSU den Antrag zur Migration niemals zur Abstimmung stellen dürfen, weil bereits zuvor klar war, dass eine Mehrheit nur unter Beteiligung der AfD zustande kommen kann. Zudem war klar, dass die Abstimmung nur symbolischen Charakter hat, aber diese Symbolik herausragend ist. Auch Sie haben persönlich trotz dieses Umstandes mit ja gestimmt.
Wie stehen Sie persönlich im Nachhinein dazu?
Kann ich darauf vertrauen, das so etwas oder Ähnliches nicht wieder passiert? Ich möchte ausschließen, dass ein von mir gewählter Politiker oder eine von mir geteilte Partei mit Rechtsextremen kooperiert oder Mehrheiten herbeiführt, die nur unter Beteiligung von Rechtsextremen zustandekommen. Ehrlich gemeinte Frage: Kann ich Ihnen als meinem Wahlkreiskandidaten und der CDU unter dieser Voraussetzung meine Stimme geben?
Freundliche Grüße
R. P.

Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die Debatten in den letzten Wochen beschäftigen auch mich. Ich verstehe Ihre Sorgen. Auch akzeptiere ich, dass es Kritik am Vorgehen der Union gibt. Zugleich möchte ich eines klarstellen: Es gab und gibt keine Absprache mit der AfD. Es gab und gibt keine Zusammenarbeit mit ihnen. Vielmehr hat die AfD diese Woche erneut mehrfach betont, dass die CDU die Partei ist, die sie "vernichten" möchte. Es gibt keine tieferen Gräben im Parlament als zwischen der Union und der AfD.
Was es gibt, sind Anträge, die wir in das Parlament eingebracht haben. Darin spiegeln sich die Sorgen vieler Menschen vor einem handlungsunfähigen Staat. In vielen persönlichen Gesprächen, die ich bisher im Wahlkampf geführt habe, begegnet mir das nahezu täglich. Eine Regierung wird gewählt, um zu handeln. Seit mehr als drei Jahren haben wir als CDU das Gespräch gesucht, Vorschläge gemacht und als konstruktive Opposition auch Entscheidungen mitgetragen – wie zur Ukraine, wenn es richtig und notwendig war. Die Probleme der illegalen Migration hat die Ampel aber nicht gelöst. Unsere Demokratie lebt vom Vertrauen der Menschen – sie ist eine der größten Errungenschaften unserer Geschichte. Ich habe Sorge, dass sie irreparablen Schaden nimmt, wenn wir jetzt nicht handeln. Und genau das haben wir getan.
Konkret wollen wir mit unseren Anträgen erreichen, dass die Migration nach Deutschland begrenzt wird, der Familiennachzugs zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus ausgesetzt wird, die Befugnisse der Bundespolizei ausgeweitet werden und Personen ohne gültige Einreisedokumente an unseren Staatsgrenzen zurückgewiesen sowie kriminelle Straftäter schneller abgeschoben werden. Uns ist bewusst, dass wir damit nicht alle Herausforderungen lösen. Ich möchte Ihnen nochmals versichern, dass ich als Christdemokrat nicht das Asyl an sich in Frage stelle. Wir müssen aber ehrlich hinterfragen, was in der Integration in den vergangenen Jahren gut und was nicht gut gelaufen ist. Jetzt aber nicht zu handeln, den Problemen aus dem Weg zu gehen und damit der AfD noch mehr Raum für ihre vergiftenden Botschaften zu lassen, halte ich für falsch. Die bloße Stigmatisierung der Partei hat sie in den letzten Jahren nicht kleiner, sondern nur noch größer gemacht. Am Freitag hat es vor der Abstimmung nochmals lange Verhandlungen zwischen den demokratischen Parteien der Mitte gegeben, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Dies ist leider nicht gelungen. Dies schmerzt mich - vor allem da so eine Minderheit im Parlament erneut die öffentliche Wahrnehmung dominiert, anstatt dass wir die aktuellen Fragen bearbeiten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Sicht der Dinge darlegen.
Ihnen alles Gute und mit besten Grüßen
Albert Stegemann