Frage an Adi Sprinkart von Eva T. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Sprinkart,
meine Fragen zum Thema "Betreuungsgeld":
1. Wie habe ich mir das vorzustellen mit der Finanzierung der erforderlichen Krippenplätze, wenn ein Krippenplatz, der vom 13. bis einschließlich 36. Lebensmonat des Kleinkindes in Anspruch genommen wird, die Kommune jeweils mindestens 24.000 € an Subventionierungskosten pro Kind kostet, während das Betreuungsgeld für den gleichen Zeitraum nur 3.000 € pro Kind beträgt? Dass hier eine Einsparung des Betreuungsgeldes nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, liegt doch auf der Hand. Warum wird hier immer so getan, als könne man mit der Streichung des B-Geldes Berge versetzen und warum machen die Politiker meiner Partei, deren Mitglied ich bin, die Grünen, bei dieser Augenwischerei auch noch so eifrig mit und legen nicht eine saubere Kostenrechnung vor, sondern benennen lediglich die Kosten fürs Betreuungsgeld, bleiben aber die für die Krippenbetreuung schuldig? Können Sie da vielleicht ein bisschen mehr Information in die Sache bringen?
2. Warum werden in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse der Entwicklungsforschung total negiert, die besagen, dass ein Kind die günstigsten Entwicklungschancen hat, wenn es die ersten 18 Monate seines Lebens bei seiner primären Bezugsperson verbringen darf, da sich erst nach dieser Zeit eine Fähigkeit ausgebildet hat, die fundamental wichtig fürs weitere Leben ist: das Urvertrauen? Wohlgemerkt: Es geht um läppische 6 Monate mehr und über die wird noch nicht einmal nachgedacht. Das finde ich höchst seltsam.
3. Warum hören hier auch die Grünen eher auf die Bedürfnisse der Arbeitgeberschaft und einen ihrer Repräsentanten, den AG-Präsident Hundt, der sich vehement für die Fremdbetreuung ab 13. Lebensmonat einsetzt und was hat das u.U. mit Lobbyisteneinfluss zu tun, der je inzwischen in alle gesellschaftlichen Bereiche als "beratende Funktion" diffundierte? Warum machen die Grünen das alles mit?
Mit freundlichem Gruß
E. Thiel
Sehr geehrte Frau Thiel,
vielen Dank für Ihr Mail und die sehr differenzierten Fragen. Nun bin ich nicht der Fachpolitiker unserer Fraktion für dieses Thema, aber ich werde dennoch versuchen, Ihre Fragen so gut wie möglich zu beantworten.
Das Betreuungsgeld kostet den Bund jährlich ca. 2 Mrd. €. Wir glauben in der Tat, dass dieses Geld besser in den beschleunigten Krippenausbau und die Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Bildung investiert werden sollte. Wir sind allerdings dagegen, die Kosten für das Betreuungsgeld und die Kosten für die Krippenbetreuung gegeneinander aufzurechnen. Wir lehnen das Betreuungsgeld ab, weil es auf einem anachronistischen Familienbild und einer überholten Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern basiert. In der Regel sind es doch die Frauen, die ihre Berufstätigkeit unterbrechen und für die Versorgung der Kinder zuständig sind. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Ausbau der frühkindlichen Betreuungsangebote unabdingbar. Das Betreuungsgeld zielt genau auf das Gegenteil ab. Voraussetzung für den Bezug ist ja gerade, dass kein Krippenplatz in Anspruch genommen wird. Damit wird das Betreuungsgeld zu einer Krippenfernbleibeprämie, welche die Defizite beim Ausbau der Betreuungsangebote kaschieren soll. Beim jetzigen Ausbaustand wird der gesetzlich garantierte Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren ab August 2013 nämlich nicht flächendeckend umsetzbar sein. Anstatt nun das Ausbautempo zu forcieren, soll durch das Betreuungsgeld die Nachfrage gedrosselt werden. Wir halten dies für die völlig falsche Strategie. Erschwerend kommt hinzu, dass durch das Betreuungsgeld vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund dadurch aus den Krippen ferngehalten werden. Gerade diese Kinder profitieren jedoch am meisten von der frühkindlichen Bildung und der Sprachförderung in den Kindertageseinrichtungen.
Auch bei Frage 2 wird die Förderung in einer Einrichtung und die Erziehung in der Familie gegeneinander aufgerechnet. Genau das Gegenteil ist der Fall, die Betreuung in einer Kindertagestätte ergänzt die Versorgung in der Familie. Zahlreiche Studien belegen, dass die Betreuung in einer Kita nicht der frühkindlichen Bindung an die Eltern schadet. Außerdem wird durch einen Wegfall des Betreuungsgeldes Niemand dazu gezwungen, sein Kind nach Vollendung des ersten Lebensjahres in eine Krippe zu gegen. Es geht lediglich um einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, nicht um eine Kitapflicht. Die Wahlfreiheit der Eltern bleibt auf jeden Fall erhalten. Eine Prämie dafür auszuschütten, dass ein staatliches Infrastrukturangebot nicht wahrgenommen wird, ist jedoch eine absurde Form der Sozialpolitik. Nach dieser Logik, müssten Menschen ohne akademische Ausbildung auch für die staatliche Förderung der Universitäten entschädigt werden.
Frage 3: Die grüne Ablehnung des Betreuungsgeldes hat wie ausgeführt im Wesentlichen familien-, bildungs- und gleichstellungspolitische Gründe. Keineswegs wurden hier Positionen des Arbeitgeberverbandes übernommen, wie die Frage suggeriert. In Deutschland ist allerdings die Frauenerwerbsquote deutlich niedriger als in vergleichbaren europäischen Ländern. Es ist deshalb verständlich, dass sich die Arbeitgeberseite angesichts des Fachkräftemangels der jetzt schon in den sozialen Berufen herrscht, für einen Ausbau der frühkindlichen Betreuungsangebote einsetzt. Laut einer neuen OECD Studie aus dem Jahr 2012 ist es erweisen, dass sich ein Betreuungsgeld negativ auf die Beschäftigungsquote von Frauen auswirkt. Dies gilt insbesondere für Frauen mit Migrationshintergrund. Die OECD hat die Konsequenzen des Betreuungsgeldes am Beispiel der Länder Norwegen, Österreich und der Schweiz untersucht.
Ich hoffe, Ihnen damit die Position meiner Fraktion und mir zum Betreuungsgeld ein wenig verständlich gemacht zu haben.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Adi Sprinkart