Frage an Adelbert Ringwald von Harald L. bezüglich Finanzen
Das Thema Energieversorgung etc. haben Sie zu meiner vollsten Zufriedenheit beantwortet. Ich stimme Ihnen vollständig zu. Soweit so gut (und wählbar).
Nun wird es wirklich schwieriger :-) (auch für mich):
Hypothese:
Die meisten "höherliegende" Probleme fast aller Gesellschaften rühren von "tieferliegenden" Ursachen, gemeint ist hier das aktuelle Geldsystem selber.
Problemursachen sind:
a) zinsbehafteten Geld --> daraus resultieren leistungslose Geldvermehrungen bei einer kleinen Minderheit - auf Kosten der Mehrheit, welche über Schulden oder Konsum netto-Zinszahler sind (toll: die Mehrheit merkt die Ursache nicht). Platt gesagt: die Reichen werden immer reicher und die ....(Sie kennen den Rest).
b) "Blockade" im Geldfluss (Kreditklemme): Die zinsbasierte Umlaufsicherung verliert Ihre Wirkung bei niedrigen Zinsen --> es kommt zu Geldhortungen bzw. Spekulation (Geld wird der realen Wirtschaft entzogen, Notlösug: Zentralbanken "pumpen" Geld ins System). Ziemlich sicheres Ergebnis: Spekulationsblasen, Wirtschaft bricht zusammen, hohe Arbeitslosigkeit, soziale Spannungen, ...(noch toller: die Politiker versuchen nun die Auswirkungen zu lindern, ohne die Ursache überhaupt zu erkennen)
Wie steht die Linke zu diesem Thema?
Sehr geehrter Herr Loydl,
das nachfolgende Modell zeigt, wie das Anhäufen von „reinem“ Finanzkapital Wirtschaftskrisen zwangsläufig erzeugt. In dem Buch von Max Otte von 2005 - "Der Crash kommt" - wird interessanterweise in einem Zitat an erster Stelle die Umverteilung von unten nach oben als Ursache für die Weltwirtschaftskrise von 1929 genannt. Prinzipiell ist der nachfolgend skizzierte Wirkungsmechanismus also eigentlich nichts Neues.
"Modell einer Wirtschaftskrise"
§ In einem Jahrestakt versorgt sich die Bevölkerung mit den Mittel des Bedarfs. Zu Beginn des Modells verfügen sie exakt über die benötigte Kapitalmenge von 100% zum Einkaufen.
§ 1. Jahr
Nehmen wir an, die Verkäufer nehmen 100% Kapital für den Bedarf ein und legen 1% bei der Bank auf die hohe Kante. Die restlichen 99% werden als Löhne und Einkauf zurück in den Kapitalumlauf gegeben und werden letztlich wieder zu Einkommen der Bevölkerung.
§ 2. Jahr
Die Käufer verfügen über 99% der erforderlichen Mittel für den Bedarf, nehmen 1% Kredit bei der Bank auf und kaufen erneut mit 100% ein. Die Verkäufer nehmen diese 100% ein und legen wieder 1% auf die hohe Kante. Die restlichen 99% ... .
§ 3. Jahr
Die Käufer verfügen über 99% der Mittel, nehmen 1% Kredit und weiteren Kredit für die aufgelaufenen Zinsen der vorherigen Verschuldung bei der Bank auf und kaufen mit 100% ein. Die Verkäufer nehmen 100% ein und ... . Die Bank legt 5% der Zinseinkommen auf die hohe Kante, die restlichen 95% gehen als Löhne und sonstige Ausgaben zurück und werden wieder zu Einkommen der Bevölkerung.
§ 46. Jahr
Die Verkäufer haben 97% (3% Verzinsung pro Jahr von der Bank) des ursprünglichen Kapitals auf der hohen Kante, die Banken besitzen ein Vermögen von 3% (7% Zinsen pro Jahr) und die Bevölkerung hat ihr Vermögen vollständig verloren. Das Kapital ist an die Verkäufer und die Bank übergegangen.
§ 65. Jahr
Die Bevölkerung sitzt auf 104% Schulden, die Verkäufer besitzen 195%, die Banken 9%.
§ Die Zuwächse an Vermögen seit dem 46. Jahr beruhen offensichtlich exakt auf den Schulden. Eine interessante Feststellung. Die Vermögen und Schulden wachsen weiter.
§ Durch eine Reihe von Insolvenzen entsteht ein Überangebot an verfügbaren Immobilien. Deren Preise verfallen, dingliche Sicherheiten lösen sich so in Luft auf und weitere Insolvenzen beseitigen Schulden und damit gleichsinnig auf der anderen Seite Vermögen.
§ Schuldner wohnen unter der Brücke, die leerstehenden Immobilien verfallen, die Wirtschaft stagniert und Menschen verhungern und erfrieren.
Modellende
Zusammenfassung:
§ Vermögen werden durch eine gesicherte Kapitalkraft der Bevölkerung garantiert.
§ "Die Summe von Vermögen und Schulden ist Null (die
ursprünglichen 100% Kapital der Bevölkerung gibt es so nicht, sie war
eine Modellannahme für den Startpunkt)."
* *
§ "Gemäß Modell treten Kapitalkrisen zwangsläufig auf und werden
endgültig nur durch das Auflösen von (gegenseitig bedingten) Vermögen
und Schulden beseitigt. Die Krisen sind systemimmanent."
Schlußfolgerungen:
Grundsätzlich sind Vermögen zu begrenzen bzw. abzuschöpfen, da durch die gegenseitige Bedingtheit von Vermögen und Verpflichtungen – Verpflichtungen sind Schulden – infolge der Entwicklung durch Zinsen und Zinseszinsen exponentiell wachsende äußerst instabile Kapitalverhältnisse entstehen. Die Schuldsummen steigen an und die übersteigerten Vermögen führen regelmäßig auf der anderen Seite zu „Blasen“, die zu unglaubwürdig, ja geradezu absurd werden, platzen und einen Zusammenbruch im System auslösen.
Ziel muß sein, das Entstehen von großen Vermögen überhaupt zu verhindern. Problematisch ist das Vorhandensein des jetzigen extremen Ungleichgewichts, das durch die neoliberale dumme Wirtschaftspolitik das Wachsen des Ungleichgewichts beschleunigt hat.
Dumm war und ist diese Politik, da nicht bedacht wird, daß Vermögen durch die o. g. Kapitalkraft der Bevölkerung garantiert werden. Ohne diese Kapitalkraft sind Vermögen nicht zu liquidieren, sie sind eine Fiktion und eigentlich nur Zahlen im Computer, Bits und Bytes. Mehr nicht. Mit dem „gesunden Menschenverstand“ ist da nichts nachvollziehbar.
Absurderweise zielen jetzt etliche der sogenannten Konjunkturprogramme oder einzelne Maßnahmen daraus auf eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Dies wird die Krise verschärfen. Die Krise wird lediglich zeitlich durch den Umstand verschoben, daß die Vermögenssicherung – die Schulden – auf die Staaten verlagert wird. Diese breitere Basis ist als Verbesserung der Bonität zu verstehen.
Gelingt es den Regierenden, durch diese Verschiebung die aktuelle Krise (zeitweise) zu stoppen, werden sich die ohnehin vorhandenen dramatische Staatsverschuldungen bis zu einem Punkt erhöhen, an dem nicht mehr glaubhaft ist, daß sie jemals rückzahlbar sind.
Vor der Gefahr von Staatsinsolvenzen wird beispielsweise von Heiner Flassbeck gewarnt, dem Chefökonomen der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) und ehemaligen Staatssekretärs von Oskar Lafontaine.
Man stelle sich einmal vor, die USA würden insolvent werden und die Auslandsschulden streichen. Davon wären z. B. auch die Schulden aus Öleinkäufen betroffen. Nehmen wir an, die Ölförderländer stellten dann die Lieferung an die USA ein. Was wäre die Folge?
Es ist auch so, daß das deutsche Wirtschaftswunder wegen der Beseitigung von Vermögen und Verpflichtungen durch die Währungsreform ermöglicht wurde. Dies erlaubte einen unbelasteten Neufang. Aktuell einen globalen Neuanfang durch einen globalen Krieg zu erreichen, verbietet sich naturgemäß. Währungsreformen sind auch nur das letzte Mittel und folgten in Deutschland auch dem Krieg.. Besser wäre, die naturgegebene Intelligenz einmal zu benutzen und die nachfolgend ansatzweise geschilderten Maßnahmen umzusetzen.
Maßnahmen:
Begrenzung und Abschöpfung von Vermögen; konsequent lückenlose, progressiv steigende Besteuerung von Vermögen, Gewinnen, Börsenumsatz etc., paritätische Teilnahme ohne Kappungsgrenzen am Sozialsystem in Form beispielsweise einer Bürgerversicherung.
Vergesellschaftung bzw. Stabilisierung und Weiterentwicklung von Gemeineigentum bei Banken, Verkehr, Ver- und Entsorgung, Öffentliche Verwaltung, Bildung usw.. Die Rückführung der hier erzielten Gewinne an die Bevölkerung ist problemlos möglich. Das Problem der Vermögens- und Schuldenanhäufung wird vermieden.
DIESES MODELL wäre sicher nachdenkenswert. Wir beschäftigen uns damit.
Mit freundlichen Grüßen
Adelbert Ringwald