„Allgemein unbefriedigend“ - mit dieser Bewertung wäre bei Schüler:innen die Versetzung höchst gefährdet. Genau diese Beurteilung erhielt die Bundesrepublik Deutschland im kürzlich veröffentlichten Bericht der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) zum Stand der Korruptionsprävention. Der Grund für das schlechte Abschneiden: Deutschland hat die Empfehlungen der internationalen Kommission nur zu einem „sehr geringen Grad“ umgesetzt. Meldet die Bundesrepublik bis zum 30.06.2020 keine wesentlichen Verbesserungen, droht ein offizielles Defizit-Verfahren, was einer peinlichen internationalen Rüge gleichkommt.
Was ist die GRECO?
Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) ist ein Gremium, das die Anti-Korruptions-Bemühungen der aktuell 49 Mitgliedsstaaten evaluiert. Zu diesem Zwecke bewertet GRECO seine Mitglieder zum Stand von Anti-Korruptions-Maßnahmen und spricht in Evaluationsberichten - wenn nötig - Empfehlungen an den betreffenden Staat aus. Im nächsten Schritt hat dieser 18 Monate Zeit, die Empfehlungen umzusetzen. In dieser Zeit werden fortlaufend Vertreter von Regierung und Zivilgesellschaft aus diesem Staat angehört, um einen Überblick über die getätigten Schritte zur Korruptionsbekämpfung zu geben. Die Erkenntnisse veröffentlicht GRECO in den Umsetzungsberichten, in denen sie zusätzlich an die nicht umgesetzten Empfehlungen erinnert. Hat ein Staat den Empfehlungen nach dem dritten Umsetzungsbericht noch nicht entsprochen, kann GRECO ein Verfahren gegen den Staat einleiten, das einer internationalen Rüge gleichkäme.
Um welche Empfehlungen geht es?
Bereits 2014 hatte GRECO in der „Vierten Evaluierungsrunde“ eine Reihe von Empfehlungen zur Korruptionsprävention bei Abgeordneten, Richtern und Staatsanwälten ausgesprochen. In Bezug auf Abgeordnete erwartete die Staatengruppe seinerzeit von Deutschland:
- Empfehlung 1: Mehr Transparenz bei Lobbykontakten
(aktueller Status: Teilweise umgesetzt) - Empfehlung 2: Offenlegung von Interessenkonflikten der Abgeordneten
(aktueller Status: Nicht umgesetzt) - Empfehlung 3: Ausweitung der Veröffentlichungspflichten der Abgeordneten auf Vermögen und familiäre Angehörige
(aktueller Status: Teilweise umgesetzt) - Empfehlung 4: Verbesserte Kontrolle der Angaben
(aktueller Status: Nicht umgesetzt)
Doch der Bundestag zeigt sich in eigener Sache erstaunlich beratungsresistent. Denn seit 2014 gab es genau 0 Beschlüsse in Bezug auf die GRECO-Empfehlungen. Oppositionsanträge wurden abgelehnt oder ohne weitere Behandlung in Ausschüssen „geparkt“.
Immerhin erkennt GRECO folgende Fortschritte, bei denen Deutschland die Empfehlungen „teilweise umgesetzt“ hat:
Zu Empfehlung 1) „Mehr Transparenz bei Lobbykontakten“:
- „GRECO begrüßt, dass Stellungnahmen von Interessenvertretern aus dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft mit Bezug auf Gesetzesinitiativen nun auf den Webseiten der Ministerien veröffentlicht werden“ Die hier gelobte Veröffentlichung geht auf eine gemeinsame Aktion von FragDenStaat und abgeordnetenwatch.de im Jahr 2017 zurück: Mit #GläserneGesetze hatten die Transparenz-Initiativen die Regierung dazu gebracht, die Lobbyisten-Stellungnahmen zu veröffentlichen und so die Gesetzgebung transparenter zu machen.
- „Sie begrüßte auch die gerichtliche Klarstellung, dass jeder Bürger das Recht hat, Informationen über die betreffenden Verbände einzuholen.“ Dies bezieht sich auf das Hausausweis-Urteil, das abgeordnetenwatch.de 2015 erstritt und den Bundestag zwang, Lobby-Hausausweisinhaber:innen zu nennen. Als Konsequenz aus der abgeordnetenwatch.de-Klage wurden außerdem die Zugangsregeln für Lobbyist:innen zum Bundestag erschwert.
Für Empfehlung 3 („Veröffentlichungspflichten“) genügte GRECO als Fortschritt bereits ein Rechtsgutachten zur Problematik so wie die „Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie“.
- „GRECO begrüßt, dass nunmehr eine rechtliche Analyse der potentiellen Verpflichtung von Bundestagsabgeordneten, auch wesentliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten offenzulegen, stattgefunden hat. Sie bedauert allerdings, dass bei dieser Analyse nicht nach Möglichkeiten oder rechtlichen Lösungen dafür gesucht wurde, wie die Kategorien der offenzulegenden Informationen ausgeweitet werden könnten, sondern vielmehr nach Rechtfertigungen dafür, dies nicht zu tun.“
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die einzigen erkennbaren Fortschritte, die GRECO in Bezug auf die Abgeordneten anerkennt, auf Anstöße aus der Zivilgesellschaft zurückzuführen sind – in diesem Fall von abgeordnetenwatch.de. Der jüngste GRECO-Bericht zeigt ein weiteres Mal: Eine Mehrheit des Bundestages verweigert sich seit Jahren konkreten Maßnahmen für Transparenz. Dabei gäbe es viel zu tun.
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