Bernhard Kaster (CDU) hat ein grundsätzliches Problem mit dem Thema Transparenz im Lobbyismus. „Ich finde es schlimm, dass wir immer intensiver darüber reden, wie die Abgeordneten noch lückenloser in ihrer Arbeit beobachtet werden können“, echauffierte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Union bei einer Bundestagsdebatte zur Einführung eines Lobbyregisters im vergangenen Juni. „Der Begriff 'Abgeordnetenwatch', übersetzt: Abgeordnetenbeobachtung, das führt das freie Mandat in das Absurde.“
Seit Jahren blockieren Kaster und seine Fraktion strengere Transparenzregeln, durch die die verdeckte Einflussnahme von Lobbyisten öffentlich gemacht werden sollen. Warum aber sind CDU/CSU als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag so vehement gegen ein Lobbyregister?
Am Montagabend diskutierte Kaster bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (degepol), dem Lobbyverband der Politikberater, über das Thema Transparenz und Lobbyismus – Anlass für uns, ihn u.a. zur Blockadehaltung der Union zu befragen.
Wann immer sich Kaster, so wie am Montag, zum Lobbyregister äußert, hört sich das wiefolgt an: Das Thema sei „schwierig zu regeln“, außerdem habe man doch „schon einiges auf den Weg gebracht“ - und überhaupt: Hier gehe es um nichts weniger als das „Abgeordnetenverständnis“, also die Frage, wieso freie Abgeordnete eigentlich Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen sollen, zum Beispiel mit wem sie sich treffen. Kurzum: „Das Lobbyistenregister, so wie es bis jetzt gefordert ist, macht keinen Sinn.“
Derartige Behauptungen werden von den Transparenz-Gegnern immer wieder vorgetragen. Dass diese aber vollkommen substanzlos sind, zeigen wir mit unserem Gesetzentwurf für ein verbindliches Lobbyregister, den wir zusammen mit LobbyControl ausgearbeitet und im Sommer veröffentlicht haben. Ein zentraler Punkt dabei: Nur Lobbyisten müssen ihre Arbeit offenlegen, zum Beispiel auf welche Gesetze sie einwirken und mit wem sie sich dafür treffen. Für Abgeordnete gibt es keinerlei Berichtspflicht.
Unser Gesetzentwurf, an dem u.a. die Staatsrechtler Prof. Ulrich Battis und Prof. Hans Meyer mitgewirkt haben, ist außerdem ein Beweis dafür, dass sich ein solches Register sehr wohl juristisch regeln ließe, wenn man denn wollte. Timo Lange von LobbyControl bringt unser Anliegen im Interview noch einmal auf den Punkt:
Für ein verbindliches Lobbyregister setzt sich auch die deutsche Sektion von Transparency International ein. Deren Geschäftsführerin Anna-Maija Mertens sagte uns im Interview, dass es in ihrer Organisation jedoch kontroverse Diskussionen über den Gesetzentwurf von abgeordnetenwatch.de und LobbyControl gebe. Einige Vorstandsmitglieder empfänden die Berichtspflichten für Lobbyisten, etwa zu ihren Treffen mit Politikern, als zu weitgehend.
Auch einige Lobbyisten wollen endlich strengere Transparenzregeln für die eigene Branche, so zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (degepol), die zu der Podiumsdiskussion am Montag eingeladen hatte. Heiko Kretschmer, Ethikbeauftragter und stellv. Vorsitzender der degepol, wies im abgeordnetenwatch.de-Interview am Rande der Veranstaltung darauf hin, was die größte Schwierigkeit bei der Einführung eines Lobbyregister ist: Am Ende sind es die Politiker als Betroffene, die das Register beschließen müssen.
Dass der Bundestag ein verbindliches Lobbyregister noch in dieser Wahlperiode beschließen wird, ist so gut wie ausgeschlossen – bei der Union sind derzeit keine Signale erkennbar, dass sie von ihrer Verweigerungshaltung abrückt. Im kommenden Herbst aber werden die Karten neu gemischt. Sollten SPD und/oder Grüne an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein, könnten sie in den Koalitionsverhandlungen strenge Transparenzvorschriften für Lobbyisten einbringen und durchsetzen.
Unser Gesetzentwurf liegt auf dem Tisch. Wir werden in den nächsten Monaten auf die Parteien zugehen, um für ihn zu werben.
Sehen Sie hier die im Artikel erwähnte Podiumsdiskussion zum Thema "Vertrauen, Transparenz, Partizipation: Die Herausforderung an die politische Willensbildung im Deutschen Bundestag" am 17. Oktober 2016 im Haus der Konrad Adenauer Stiftung in Berlin. Diskussionsteilnehmer waren Steffi Lemke (Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen), Bernhard Kaster (Parlamentarischer Geschäftsführer von CDU/CSU), Anna-Maija Mertens (Geschäftsführerin von Transparency International Deutschland), René Pfister (Leiter des Hauptstadtbüros Der Spiegel) und Heiko Kretschmer (Ethikbeauftragter und stellv. Vorsitzender der degepol). Veranstalter war die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (degepol).
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