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Erneute Rüge: Europarat kritisiert Deutschland wegen mangelnder Transparenz bei Parteispenden

„Kein spürbarer Fortschritt“: Korruptionswächter des Europarats haben Deutschland erneut wegen mangelnder Transparenz bei Parteispenden kritisiert. Weil CDU und CSU keinen Handlungsbedarf sehen, dürfte die Regierungskoalition auch den jüngsten blauen Brief aus Straßburg aussitzen.

von Marthe Ruddat, 23.06.2016

Das Urteil ist niederschmetternd: „Mehrere Empfehlungen zu Fragen von höchster Wichtigkeit sind immer noch nicht umgesetzt worden“. Deutschland sei in Sachen Parteispenden nach wie vor zu intransparent, kritisiert die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) in ihrem zweiten Umsetzungsbericht, der vergangene Woche veröffentlicht wurde.

Die Regierungskoalition redet sich mit einer Anfang des Jahres in Kraft getretenen Änderung des Parteiengesetzes heraus. Aus Sicht der Korruptionsprüfer war diese Reform jedoch vollkommen unzureichend. „GRECO nimmt die jüngste Parteiengesetz-Novelle zur Kenntnis“, heißt es in dem Bericht kühl. Man stelle fest, „dass sie für die Umsetzung der noch nicht umgesetzten Empfehlungen nur indirekt von Bedeutung sind.“ Schlimmer noch:

„GRECO ist darüber besorgt, dass seit der Annahme des Dritten Zwischen-Umsetzungsberichts kein spürbarer Fortschritt in diesem Punkt erzielt worden ist.“

Damit wird klar, was seit der letzten Rüge durch die Korruptionswächter vor einem Jahr passiert ist: so gut wie nichts. Sechs Empfehlungen zur Transparenzförderung hat Deutschland bisher nur teilweise umgesetzt, ein Hinweis wurde komplett ignoriert (eine stärke Unabhängigkeit bei der Prüfung der Rechenschaftsberichte der Parteien, s.u.).

Noch immer werden von GRECO folgende Reformen angemahnt:

  • eine frühzeitige Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte der Parteien, in denen u.a. ihre Parteispenden aufgeführt sind (derzeit erfolgt die Veröffentlichung mehr als ein Jahr nach Ende des Rechnungsjahres),
  • die Senkung der Grenze, ab der Parteispenden unverzüglich veröffentlicht werden müssen (liegt derzeit bei 50.000 Euro), ein Verbot von anonymen Spenden (sind derzeit bis 500 Euro erlaubt), eine deutliche Senkung des Grenzwerts für die Bekanntgabe von Spenden und Spendern (liegt derzeit bei 10.000 Euro pro Jahr)
  • eine Rechenschafts- und Offenlegungspflicht für direkte Spenden an Kandidaten und Abgeordnete analog zu den der Parteien,
  • eine angemessene Bestrafung bei Verstößen gegen die geltenden Offenlegungspflichten bei Parteispenden,
  • die Sicherstellung, dass die Rechenschaftsberichte der Parteien von einer vollständig unabhängigen Instanz geprüft werden (bislang tut dies der Bundestagspräsident, der immer auch Mitglied einer zu prüfenden Partei ist),
  • eine strikte gesetzmäßige Trennung zwischen der Finanzierung von Parteien einerseits und von parteinahen Stiftungen und Fraktionen andererseits,
  • eine Stärkung der Unabhängigkeit von externen Wirtschaftsprüfern, die im Auftrag der Parteien deren Rechenschaftsberichte testieren (sind den Parteien oftmals seit vielen Jahren verbunden).

2009 hatten die Korruptionswächter des Europarats zehn Empfehlungen formuliert, um das deutsche Parteiensystem transparenter zu machen. Seitdem müssen die deutschen Behörden jährlich über die ergriffenen Maßnahmen und beschlossenen Reformen berichten. Die Ergebnisse ließen derart zu wünschen übrig, dass gegen Deutschland ein Mahnverfahren eingeleitet wurde. Dieses ist mittlerweile zwar wieder ausgesetzt, die Umsetzung der empfohlenen Transparenzmaßnahmen bei der Parteispenden ist aber weiter unzureichend.

Das die von GRECO angemahnten Reformen angegangen werden, ist nicht zu erwarten. Obwohl GRECO Deutschland „erneut nachdrücklich auffordert, die noch unerledigten Empfehlungen schnellstmöglich zu behandeln“, dürfte die Regierungskoalition die regelmäßigen Rügen auch weiterhin aussitzen. Gegenüber abgeordnetenwatch.de wollte die CDU/CSU kürzlich keinerlei Handlungsbedarf erkennen, ihr ist das Thema augenscheinlich lästig. Auf eine erste Anfrage reagierte der Parlamentarische Geschäftsführer Bernhard Kaster vor einigen Wochen, indem er zu einem vollkommen anderen Sachverhalt antwortete. Auf Nachfrage erhielten wir lediglich Verweise auf öffentlich zugängliche Berichte über die Änderung des Parteiengesetzes. Konkrete Antworten zu der Frage, warum die Union gegen schärfere Transparenzregeln ist: Fehlanzeige.

Bei der SPD schiebt man dem Koalitionspartner den schwarzen Peter zu. "Als SPD-Bundestagsfraktion hätten wir uns durchaus ein Mehr an Transparenz vorstellen können. Als Koalitionspartner können wir in dieser Legislatur indessen nur realisieren, was mit der CDU/CSU zu vereinbaren war, weshalb sich das Gesetz auf die getroffene Modifikation beschränken musste", schrieb uns kürzlich Christine Lambrecht, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD.

Bis zum 31. Dezember 2016 muss Deutschland nun gegenüber GRECO erneut Stellung nehmen. Der nächste blaue Brief aus Straßburg kommt bestimmt.

Immerhin eine positive Nachricht gibt es in dem jüngsten GRECO-Bericht: Weitgehend zufrieden sind die Korruptionswächter, was die Fortschritte bei der Kriminalisierung von korrupten Abgeordneten, Richtern und Beamten angeht. Der Reformprozess in Deutschland sei in diesem Punkt „nahezu abgeschlossen“.

Update 28.02.2018:

Die Korruptionswächter haben einen Nachtrag zum zweiten Umsetzungsbericht veröffentlicht. Das Ergebnis ist wie erwartet: Hinsichtlich der Transparenz der Parteienfinanzierung  wurden laut GRECO „keine weiteren Fortschritte erzielt“.

Fast ein Jahr nahmen sich die deutschen Behörden Zeit, eine Stellungnahme zu den GRECO-Forderungen zu verfassen. Künftige Reformen stellen sie nicht in Aussicht. In einem Schreiben vom März 2017 heißt es, dass angesichts der zu diesem Zeitpunkt noch anstehenden Bundestagswahl nicht vorhergesagt werden könne, ob eventuelle Gesetzesinitiativen „vom aktuellen oder zukünftigen Bundestag behandelt werden würden“.

Mehr als sieben Jahre sind damit vergangen, seit GRECO Deutschland erstmals zu mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung aufforderte. Doch die Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend. So bleibt den Korruptionswächtern des Europarats nur der „dringende Appell“, sich mit den Transparenzempfehlungen zu befassen. Bis zum 31. Juli 2018 haben die deutschen Behörden nun Zeit, erneut Stellung zu beziehen.

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