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Was mir Mut macht...! Mein Bericht von der Bundestagsanhörung zur Abgeordnetenbestechung

Unser Kollege Gregor Hackmack über die gestrige Bundestagsanhörung zur Abgeordnetenbestechung, zu der er als Sachverständiger geladen war:

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 18.02.2014

Als ich gestern bei der Bundestagsanhörung meine Bedenken gegen die Groko-Pläne vortrug, sagte ich den versammelten Politikern: Ich spreche hier im Namen von 50.835 Bürgerinnen und Bürgern! - So viele Menschen haben unsere Petition "Abgeordnetenbestechung bestrafen!" unterschrieben! Selbst die Berichterstatter von Union, SPD, Linke und Grüne, denen ich die Unterschriften überreicht habe, dürfte das nicht unbeeindruckt gelassen haben.

Als Sachverständiger hatte ich fünf Minuten Zeit um den Abgeordneten darzulegen, warum der Gesetzentwurf der Großen Koalition in dieser Form untauglich ist. Und wissen Sie was? Alle anderen Sachverständigen - selbst die der Großen Koalition! - schlossen sich unserer Forderung an: Die Formulierung „im Auftrag oder auf Weisung“ sollte aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden. Nicht nur das: Eine von der Union geladene Strafverteidigerin für Korruptionsdelikte gab sogar offen zu, dass es aufgrund dieser Formulierung wohl nie zu einer Verurteilung kommen wird. Denn einem korrupten Politiker dürfte in der Praxis nicht nachzuweisen sein, dass er im Auftrag oder auf Weisung gehandelt hat.

Die Argumente sind auf unserer Seite. Doch wie es aussieht, interessieren die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD die Argumente in diesem Fall nicht. Der Gesetzestext wird in dem zentralen Punkt wohl nicht mehr geändert, da konnten die unabhängigen Sachverständigen gestern sagen was sie wollten. Der Grund ist einfach: Längst ist der Gesetzestext von den Fraktionsspitzen der Großen Koalition beschlossen und Teil eines Gesamtpakets. Zu diesem Paket gehört neben dem Gesetz zur „scheinbaren“ Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung auch eine saftige Diätenerhöhung um mehr als 10 Prozent.

Beides wird voraussichtlich an diesem Freitag mit Rückgriff auf die Fraktionsdisziplin durch den Bundestag gedrückt. Als ich in der Anhörung die Abgeordneten aufforderte, sich nicht an die Vorgaben der Fraktionsspitze zu halten und nur nach dem eigenen Gewissen über den Gesetzentwurf zu entscheiden, ging ein empörtes Raunen durch den Saal.

War die Unterschrift von 50.835 Menschen unter unsere Petition "Abgeordnetenbestechung bestrafen!" also umsonst? Meine Antwort ist: NEIN!

Denn mir macht Mut, dass wir mit öffentlichem Druck und Beharrlichkeit selbst die stärkste Politik-Blockade durchbrechen können. CDU und CSU sind mit ihrer jahrelangen Verhinderung eines Anti-Korruptionsgesetzes nicht durchgekommen - nun wird es ein Anti-Korruptionsgesetz geben (auch wenn das alles andere als optimal ist). Aber für mich bedeutet das nicht Resignation, sondern Ansporn. Ansporn, dass wir bei diesem Thema nicht locker lassen dürfen! Ansporn, dass wir trotz mächtiger Widerstände etwas in Gang setzen können!

 

Hier noch einmal meine Stellungnahme aus der Anhörung zum Nachlesen:

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal möchte ich mich für die Einladung zu dieser öffentlichen Anhörung bedanken.

Ich habe damit die Gelegenheit meine Bedenken und die Bedenken von über 50.000 Bürgerinnen und Bürgern hier vorzutragen. Diese haben auf der Internetseite abgeordnetenwatch.de eine Petition für eine wirksame Bestrafung von Abgeordnetenbestechung auch in Deutschland unterschrieben.

Es freut mich, dass nach über 10 Jahren Stillstand endlich ein Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen auf dem Tisch liegt. Ich selbst war in der letzten Legislaturperiode in engstem Austausch mit dem damaligen Rechtsausschussvorsitzenden Siegfried Kauder. Wir haben gemeinsam einen interfraktionellen Entwurf ausgearbeitet. Leider scheiterte Kauder damit vor ziemlich genau einem Jahr an seiner eigenen Partei.

Die damalige Argumentation der CDU/CSU lautete: Es gibt keine korrupten Abgeordneten, daher muss die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung auch nicht geregelt werden.

Die zweite Abwehrreaktion war, dass die Rechtsmaterie nicht im Einklang mit dem Grundgesetz regelbar sei.

Jetzt aber sehen alle Fraktionen im Bundestag Regelungsbedarf. Und alle Fraktion erkennen, dass die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung selbstverständlich auch juristisch regelbar ist.

Diese späte Einsicht begrüße ich ausdrücklich.

Wir sollten heute so ehrlich sein und zwischen juristischen und politischen Argumenten unterscheiden.

Juristisch ist die Sache leicht zu meistern.

Die Große Koalition hat sich für die Tatbestandsbeschreibung aus Artikel 15 der UN Konvention gegen Korruption entschieden. Diese ist im Vergleich zur geltenden Vorteilsnahme unter Beamten bereits sehr eng (§ 331 StGB). Die Beschreibung  aus der UN-Konvention wurde praktisch 1:1 übernommen. Allerdings gab es eine entscheidende Ergänzung.

Die Handlung, für die der Vorteil als Gegenleistung gewährt wird, muss im Auftrag oder auf Weisung erfolgen. Diese Formulierung fehlt in der UN-Konvention. Das ist auch nicht überraschend. Denn die Formulierung „im Auftrag oder auf Weisung“ lässt die gesamte Strafrechtsnorm ins Leere laufen. Ein  Auftrag oder eine Weisung wird man im Zusammenhang mit einem Korruptionsvorwurf gerichtlich kaum nachweisen können. Die Formulierung „im Auftrag oder auf Weisung“ ist daher unbedingt zu streichen!

Die Einfügung dieser Formulierung wird gerne mit Art. 38  GG begründet. Danach sind Abgeordnete frei und nicht „an Aufträge und Weisungen“ gebunden.

Doch das kann nicht -wie einige glauben - im Umkehrschluss bedeuten, dass Abgeordnete alles tun dürfen, was sie wollen, solange sie nur nicht „im Auftrag oder Weisung“ handeln. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 4. Juli 2007 festgelegt, dass die Freiheit des Mandats auch die Unabhängigkeit von finanziellen Interessen und zwar auch ausdrücklich von solchen, die sich an „das finanzielle Eigeninteresse der Abgeordneten wendet“ meint.

Die im Art. 38  garantierte Freiheit des Mandats steht einer strengen Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung also nicht entgegen. Im Gegenteil, sie fordert sie geradezu, um die Freiheit des Mandats zu schützen.

Sehr geehrte geehrte Frau Vorsitzende,
sehr verehrte Dame und Herren,

das Vertrauen in Politik und Politiker erreicht jedes Jahr neue Tiefpunkte. Ich war am Wochenende Unterschriftensammeln auf der Straße in Hamburg. Es ging um einen Volksentscheid, um eine unfaire Wahlrechtsänderung auf kommunaler Ebene in Hamburg zu stoppen. Die Stimmung auf der Straße gegenüber denen da oben -  also Ihnen -  ist verheerend. Der Eindruck, dass sich Politiker die Taschen vollstopfen und am Ende sowieso die Wirtschaftslobbyisten die Politik bestimmen, ist weit verbreitet.

Die Vertrauenskrise in die Politik hat Ausmaße erreicht, dass alle Demokraten besorgt sein sollten.  Extremisten sind europaweit auf dem Vormarsch.

Vertrauen schaffen Sie nicht dadurch, dass sich Politiker Sondergesetze schaffen.

Vertrauen schaffen Sie nicht dadurch, dass Politiker ihre Privilegien mit allen Mitteln verteidigen.

Vertrauen schaffen Sie nur durch Transparenz und die Gewissheit, dass in diesem Land niemand über dem Gesetz steht.

Daher appelliere ich an Sie als Demokraten. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Schaffen Sie keine Sondergesetze für sich selbst. Machen Sie dass, was die Menschen da draußen von Ihnen erwarten.

Stellen Sie die Bestechung von Abgeordneten endlich wirksam unter Strafe – ohne wenn und aber!

 

Nachtrag vom 13. Juni 2014:

Gestern Abend lief im ARD-Politikmagazin Panorama dieser Beitrag über die Wirkungslosigkeit des Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung, in dem auch abgeordnetenwatch.de zu Wort kommt:

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