Politische Einflussnahme sichtbar machen: Warum es einen Lobby-Fußabdruck braucht | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
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Kontakttransparenz im Lobbyregister und ein Lobby-Fußabdruck. Das sind zwei Maßnahmen, die wir seit Jahren fordern. Sie bringen mehr Transparenz in politische Entscheidungen. Was genau ein Lobby-Fußabdruck bewirken kann, erklären wir hier.
Warum wir einen Lobby-Fußabdruck brauchen
Bei Gesetzentwürfen wirken neben der Politik auch Unternehmen, Lobbyverbände und andere Interessenorganisationen aus der Zivilgesellschaft mit. Dass sie ihre Positionen beisteuern, ist in einer Demokratie legitim und sinnvoll. Denn oftmals handelt es sich um Expert:innen und Betroffene in einem. Sie können der Politik aus eigener Erfahrung schildern, welche konkreten Auswirkungen der Gesetzentwurf haben könnte.
Ein Problem entsteht, wenn die Politik nur auf eine Seite hört - oder anders ausgedrückt, wenn die verschiedenen Interessengruppen nicht die gleichen Möglichkeiten haben, ihre Argumente vorzubringen. Das passiert, wenn diese Gruppen nicht die gleichen Mittel zur Verfügung haben, um ihre Interessen zu vertreten - unterschiedliche Ressourcen (Finanzen, Mitarbeiter:innen o.ä.), unterschiedliche Expertise oder z.B. unterschiedliche Zugänge zu politischen Entscheidungsträger:innen. Doch in einer Demokratie müssen alle Perspektiven gehört werden und sichergestellt werden, dass finanzstarke Akteure mit mehr Ressourcen sich keine Vorteile verschaffen.
Darum braucht es Transparenz in Form eines Lobby-Fußabdrucks. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Perspektiven gehört wurden. Es wird damit deutlich, welche Lobbyverbände, Unternehmen oder zivilgesellschaftlichen Akteure im Gesetzgebungsprozess ihre Perspektive auf Entscheider:innen einbringen und sich ggf. mit ihren Positionen durchsetzen konnten.
Fehlt diese Transparenz, schadet dies der Akzeptanz von politischen Entscheidungen und damit auch der Demokratie.
Wie entstehen Gesetze?
Gesetze werden in der Bundesrepublik Deutschland entweder von der Bundesregierung, von Teilen des Bundestages oder vom Bundesrat eingebracht. Zuvor müssen diese Gesetze natürlich ausgearbeitet werden. Das geschieht in Form eines Referent:innenentwurfs. Das ist die allererste schriftliche Fassung eines zukünftigen Gesetzes, die von Beamt:innen im Ministerium entworfen wird. Diesen Entwurf verschickt das Ministerium unter anderem an Verbände und Organisationen aus Wirtschaft und Gesellschaft mit der Bitte um Stellungnahme.
Dieser Austausch ist wichtig, nicht grundsätzlich verwerflich und ein üblicher demokratischer Prozess. Die Argumente der Verbände fließen gegebenenfalls in den Regierungsentwurf ein. Dieser wird schließlich vom Bundesrat beschlossen, dem Bundestag zugeleitet und veröffentlicht. Nach den Beratungen im Bundestag, in denen noch Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommen werden können, liegt nach der Schlussabstimmung - bzw. je nach Gesetz auch nach der Zustimmung des Bundesrates - der beschlossene Gesetzestext vor.
Was macht der Lobby-Fußabdruck?
Ein legislativer oder exekutiver „Fußabdruck“ oder auch „Lobby-Fußabdruck“ ist eine Transparenzmaßnahme, die aufzeigt, welche Organisationen, Unternehmen und Lobbyverbände in welcher Form Einfluss auf die Gestaltung von Gesetzen genommen haben.
Wie sieht der Fußabdruck konkret aus?
Wir wollen, dass auf Bundesebene sichtbar wird, wer in welcher Form Einfluss auf Gesetze nimmt. Dies geschieht in der Regel auf zwei Wegen: Entweder kommt es zu einem Gespräch, in dem sich Politik und Expert:innen über bestimmte Themen austauschen, oder Expert:innen werden im Zuge des Referent:innenentwurfs um eine schriftliche Stellungnahme gebeten, in der sie geplante Gesetze und deren Auslegung kommentieren.
Daher muss ein Lobby-Fußabdruck für uns Folgendes beantworten:
1. Wie ist die Entstehungsgeschichte des Gesetzgebungsverfahrens, also wann wurde der Referentenentwurf aufgesetzt, wann wurde er an Interessengruppen verschickt und wann hat das Kabinett über den Entwurf abgestimmt? Und gab es vor dem Referentenentwurf vielleicht sogar eine Ur-Fassung, einen sogenannten "Eckpunktepapier?
2. An welche Akteure hat ein Ministerium seinen Referentenentwurf geschickt und welche Akteure haben eine Stellungnahme zurückgeschickt?
3. Welche Lobbyakteure haben darüber hinaus mit dem Ministerium im Zusammenhang mit dem Gesetzesentwurf in Kontakt gestanden (Mail, Treffen, Telefonate etc.)?
Erst durch die Beantwortung aller drei Fragen erfährt die Öffentlichkeit, wer mit wem worüber gesprochen hat und welche Perspektiven gehört wurden. Diese gesammelten Informationen sollten - so unser Vorschlag - zusammen mit den Gesetzentwürfen vom Bundestag online der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und unter dem jeweiligen Gesetzes veröffentlicht werden. Für die Einhaltung des Lobby-Fußabdrucks soll unserer Auffassung nach eine unabhängige Stelle zuständig sein.
Wie sieht die Politik den Lobby-Fußabdruck?
Die Ampel-Koalition scheint grundsätzlich die Notwendigkeit eines Lobby-Fußabdrucks erkannt zu haben. Im Koalitionsvertragverspricht sie seine Einführung. Dort heißt es:
„Für Gesetzentwürfe der Bundesregierung und aus dem Bundestag werden wir Einflüsse Dritter im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben und bei der Erstellung von Gesetzentwürfen umfassend offenlegen (sog. Fußabdruck).“
Derzeit scheint es bereits einen Entwurf des Innenministeriums zum Lobby-Fußabdruck zu geben. Ob dieser tatsächlich sein volles Potential entfalten und den Einfluss von Interessengruppen umfassend aufzeigen wird, ist sehr fraglich. Wir befürchten, dass der Lobby-Fußabdruck, wie viele andere Transparenzprojekte auch, im Zuge der Abstimmung mit den Ministerien an Kraft verlieren wird. Deshalb haben wir die Petition: Lobby-Spuren auf unseren Gesetzen sichtbar machen: Wir fordern die Lobby-Fußabdruck ein!gestartet.
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