Wenn die Freie und Hansestadt Hamburg sich ein Wahrzeichen baut, dann darf alles gerne etwas größer ausfallen, auch die Rechnung für die Steuerzahler. Als "kostenneutral" war den Bürgern der Bau der Elbphilharmonie, Hamburgs neuem Kulturtempel in der Hafencity, einmal schmackhaft gemacht worden, doch inzwischen haben sich die Gesamtkosten auf annähernd eine halbe Milliarde Euro summiert - und die endgültige Rechnung ist noch gar nicht ausgestellt. Regelmäßig berichten die Hamburger Zeitungen über neue Kostensteigerungen in Millionenhöhe. Was die Stadt als Träger ursprünglich einmal mit der Baufirma ausgehandelt hat, weiß bis heute niemand, denn die Verträge hält der Senat unter Verschluss. Doch damit soll nun Schluss sein. Seit dem 28. September läuft in Hamburg die Volksinitiative „Transparenz schafft Vertrauen“, die die Stadt zu mehr Offenheit verpflichten will. Verträge und Gutachten, Senatsbeschlüsse und Dienstanweisungen, Statistiken und Geodaten – all dies soll für Bürgerinnen und Bürger kostenlos im Internet zugänglich werden. Die Initiatoren Transparency International Hamburg, Chaos Computer Club Hamburg und Mehr Demokratie wollen die Hansestadt zu einem Leuchtturm in Sachen Transparenz und OpenData machen. In keinem Bundesland gibt es bislang ein so weitreichendes Transparenzgesetz, wie es das Bündnis für den Stadtstaat anstrebt. Sämtliche Daten von allgemeinem Interesse sollen von der Stadt Hamburg in einem zentralen Informationsregister für die Bürger bereit gestellt werden, also auch Bauverträge für Großprojekte wie die Elbphilharmonie oder die U-Bahn-Linie 4, für deren Mehrkosten in Millionenhöhe am Ende wieder einmal der Steuerzahler aufkommen wird. Fehlende Transparenz kann für die Allgemeinheit richtig teuer werden. Transparency International weist seit langem darauf hin, dass Transparenz ein wirksames Mittel gegen Steuerverschwendung und Korruption ist. „Denn wenn Bürger und Öffentlichkeit frühzeitig Einblick erhalten“, so Gerd Leilich, Vertrauensperson von Transparency Hamburg bei der Volksinitiative, „können sie frühzeitig auf einen Missstand aufmerksam machen.“ Das Informationsregister soll aber nicht nur Verwaltungshandeln transparent machen, sondern auch einen Bewusstseinswandel herbeiführen. Künftig bekämen Bürger ausdrücklich das Recht auf Dateneinsicht. Bislang müssen sie als Bittsteller bei den Behörden vorstellig werden, was aufgrund zahlreicher Ausnahmeregelungen oftmals erfolglos bleibt. "Daten, die mit öffentlichen Mitteln finanziert erhoben werden, müssen den Menschen auch öffentlich und frei zugänglich sein,“ fordert deswegen Michael Hirdes, Vertrauensperson des Chaos Computer Clubs Hamburg, stellvertretend für die Volksinitiative. Immer wieder kommt es vor, dass der Senat Gutachten einfach zurückhält. Über die Motive lässt sich nur spekulieren, doch es steht zu vermuten, dass die Expertisen den Stadtoberen nicht ins politische Kalkül passen. Erst vor kurzem erklärte der Senat, dass er gar nicht daran denke, mehrere Gutachten über die Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze zu veröffentlichen. Die Position des Senats in dieser Frage ist eindeutig: Ein Rückkauf der Netze ist nicht gewollt. Dass Politik und Verwaltung Informationen von allgemeinem Interesse erst einmal blockieren, muss auch abgeordnetenwatch.de regelmäßig erfahren. Denn immer dann, wenn die Hamburgische Bürgerschaft eine wichtige Entscheidung trifft, dauert es meist skandalöse zwei Monate, bis die Liste mit dem Abstimmungsverhalten der Abgeordneten veröffentlicht wird. Dann jedoch sind kontroverse Themen wie etwa die Aufhebung des Hamburger Korruptionsregisters, die Privatisierung der landeseigenen Kliniken oder die Einführung von Studiengebühren in aller Regel aus den Schlagzeilen verschwunden. Anstatt wie im Deutschen Bundestag die unmittelbar nach der Abstimmung vorliegenden Listen zu veröffentlichen, erfahren die Hamburger erst nach Veröffentlichung der Plenarprotokolle, wie die eigenen Wahlkreisabgeordneten abgestimmt haben. Und bis dahin dauert es meist geschlagene zwei Monate. Eine Bitte von abgeordnetenwatch.de an den Ältestenrat, Abstimmungslisten zeitnah zu veröffentlichen, wurde abgelehnt. Jetzt spricht also erst einmal das Volk. Bekommen Transparency, Chaos Computer Club und Mehr Demokratie bis zum 9. Dezember die notwendigen 10.000 Unterschriften zusammen, ist der Hamburger Senat am Zug. Er kann das von der Initiative ausgearbeitete Transparenzgesetz übernehmen, dann wäre Hamburg als OpenData- und Transparenz-Hauptstadt Vorbild für ganz Deutschland. Weigern sich die Stadtoberen, müssten sie unweigerlich mit ansehen, wie die Bürger den Gesetzentwurf (pdf) durch ein Volksbegehren im kommenden Jahr und den Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl 2013 selbst in geltendes Recht umsetzen. Stoppen könnte der Senat das Transparenzgesetz dann nicht mehr. Denn Volksentscheide sind in Hamburg seit einigen Jahren verbindlich. Das hatte die Bürgerschaft auf Druck des Volkes hin beschlossen.
Transparenzgesetz Hamburg: Das soll sich ändern
Quelle: Volksinitiative "Transparenz schafft Vertrauen"
Der vollständige Entwurf des "Transparenzgesetz Hamburg" der Volksinitiative kann hier nachgelesen werden (pdf).
Update: Was Brasilien kann, sollte in Deutschland doch auch möglich sein: Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff hat gerade ein „Gesetz zum Zugriff auf Informationen“ (Lei do Acesso à Informação) angekündigt, das allen Bürgern Zugriff auf Dokumente und Informationen der öffentlichen Verwaltung geben soll. Wie die Website brasilnews.de berichtet, sollen die Transparenz-Regeln für die Exekutive, die Legislative, das Gerichtswesen sowie für die Staatsanwaltschaft gelten, und zwar auf Regierungsebene sowie in den Bundesstaaten und Gemeinden.
Laut Rousseff hätte jedes Organ sechs Monate Zeit, im Internet Informationen zu Vorgehensweisen, Verträgen, Geboten, Ausgaben durch Käufe und zum Transferieren von Ressourcen zu veröffentlichen. Dieses Vorhaben werde dem Bürger beispielsweise ermöglichen, die Budgetvergaben in Schulen mitzuverfolgen oder aber zu sehen, welche Gelder vom Gesundheitswesen für die jeweiligen Städte zur Verfügung gestellt werden,
meldet brasilnews.de.
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