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Lobbyregister enttäuscht

Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik bleiben unsichtbar

Professionelle Lobbyist:innen müssen seit dieser Woche im Lobbyregister eingetragen sein, um gegenüber Bundestag und Bundesregierung für ihre Interessen werben zu dürfen. Erstmalig erfährt die Öffentlichkeit also, wer sich auf Bundesebene als Lobbyist:in betätigt. Doch worüber und mit wem Interessenvertreter:innen sprechen, wird nicht offengelegt. Eine erste Bilanz.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 03.03.2022

Seit Jahresbeginn ist es nun so weit: Lobbyist:innen müssen sich öffentlich registrieren, bevor sie Kontakt mit Entscheidungsträger:innen in der Politik aufnehmen. Das ist gut, denn erstmals erfährt die Öffentlichkeit wer in Berlin die Interessen von Unternehmen, Verbänden und NGOs vertritt. Sie müssen zudem angeben, wie viel Geld sie für ihre Lobbyarbeit ausgeben und wer ihre Auftraggeber:innen sind.

Kontakte in die Politik bleiben geheim

Doch da hören die guten Nachrichten auch schon auf. Denn es bleiben viele Leerstellen:

  • Lobbyist:innen müssen nicht publik machen, auf welche Gesetzesvorhaben sie einwirken und welche politischen Themen sie beeinflussen wollen.
  • Geheim bleibt auch, mit wem sie in der Politik sprechen. Wir erfahren also nicht, in welchen Ministerien oder Abgeordnetenbüros Interessenvertreter:innen vorstellig werden.

Das Lobbyregister bleibt daher eine Namensliste, die Verflechtungen zwischen der Wirtschaft und Politik nicht sichtbar macht.

Unabhängige Prüfinstanz fehlt

Zum Ende der Registrierungsfrist am 1. März hatten sich nur 2.400 Lobbyakteure eingetragen, darunter, Verbände, Unternehmen, Lobbyagenturen und selbstständige Interessenvertreter:innen. Insgesamt über 8.000 individuelle Lobbyist:innen sind bei diesen Organisationen angestellt – also bereits 11 Mal so viele wie es Bundestagsabgeordnete gibt

Trotzdem dürfte dies nur die Spitze des Eisbergs sein. Schätzungen der Bundestagsverwaltung gingen eher von 6.000 bis 8.000 Lobbyorganisationen aus. Es wird sich zeigen, ob sich die restlichen Lobbyist:innen noch eintragen.

Das durchzusetzen könnte jedoch schwierig werden. Eine unabhängige Prüfung der Lobbyregister-Einträge ist nämlich nicht vorgesehen.

Unsere Reformvorschläge

Das deutsche Lobbyregister schafft es daher nicht, an internationale Standard anzuschließen. Vielmehr steht es in der Tradition der sogenannten Verbändeliste, in die sich seit 1972 Verbände und ihre Vertreter:innen freiwillig registrieren konnten – ebenfalls ohne Angabe ihrer Lobbyziele und Politik-Kontakte.

Die Ampel-Koalitionäre haben bereits angekündigt, dass sie das Lobbyregister der Vorgängerregierung auf den Prüfstand stellen wollen. Eine ernsthafte Reform sollte folgende Punkte unbedingt berücksichtigen:

  • Interessenvertreter:innen sollten verpflichtet werden,anzugeben, worauf ihre Lobbyarbeit abzielt, also auf welche konkreten Gesetze und politischen Vorhaben sie versuchen Einfluss zu nehmen.
  • Interessenvertreter:innen sollten angeben, wen sie im Zuge ihrer Lobbyarbeit kontaktieren, also mit welchen Politiker:innen, Behörden und Ministerialabteilungen sie in Kontakt treten.
  • Der Bundestag sollte eine unabhängige Prüfinstanz einsetzen, die sicherstellt, dass alle Lobbyist:innen korrekt registriert sind und das bei Prüfverfahren angehört wird.

abgeordnetenwatch.de wird das Lobbyregister auch in Zukunft genau unter die Lupe nehmen. Eine Auswertung der bisherigen Einträge im Lobbyregister ist geplant. Alle Informationen zu unserem bisherigen Einsatz für das Lobbyregister finden sie hier – angefangen bei unserer erfolgreichen Klage zur Veröffentlichung von Hausausweisen bis hin zu unserem eigenen Gesetzesentwurf für ein effektives Lobbyregister.

 

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