Eine Verlängerung der Karenzzeit – eine Art „Abkühlphase“ der politischen Kontakte – von ausscheidenden Regierungsmitgliedern und Parlamentarischen Staatssekretär:innen bevor sie in die Wirtschaft wechseln dürfen, wird sowohl von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und BSW als notwendig erachtet.
Die Wahlprogramme unterscheiden sich jedoch in der geforderten Dauer der Karenzzeit und darin, für wen sie gelten soll. Die Grünen legen sich zeitlich nicht fest und sprechen sich für eine Erhöhung der Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder aus. Während Die Linke eine Karenzzeit von mindestens drei Jahren für ausscheidende Bundesminister:innen und parlamentarische Staatssekretär:innen in Aussicht stellt, strebt das BSW sogar eine Karenzzeit von mindestens fünf Jahren an. Ob das BSW die Karenzzeit auf weitere ausscheidende Politiker:innen, etwa auch auf Bundestagsabgeordnete, ausweiten möchte, ist anhand der Formulierung unklar.
Bündnis 90/Die Grünen: „Wir sind überzeugt: Transparente und nachvollziehbare Politik stärkt das Gemeinwohl, dafür müssen mögliche finanzielle Interessen offengelegt und Karenzzeiten für ausscheidende Regierungsmitglieder erhöht werden.“ (Seitenzahl unklar, da finales Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht)
Die Linke: „Bundesminister*innen und parlamentarische Staatssekretär*innen müssen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt mindestens drei Jahre bzw. für die Dauer des zeitlichen Anspruchs auf Übergangsgeld warten, bevor sie in Unternehmen wechseln, mit deren wirtschaftlichen Interessen sie zuvor politisch befasst waren.“ (S. 50)
BSW: „Der Wechsel von ausscheidenden Politikern in Wirtschaftsbranchen, mit denen sie vorher zu tun hatten, darf allenfalls mit einer Karenzzeit von mindestens 5 Jahren zulässig sein.“ (S. 45)
Forderung von abgeordnetenwatch.de:
Wir vertreten die Meinung, dass eine mindestens drei Jahre dauernde verpflichtende Karenzzeit zwischen einem politischen Amt und dem Wechsel in die Wirtschaft notwendig ist. So wird sichergestellt, dass die Kontakte und das Insider:innenwissen aus der Politik beim Wechsel in die Wirtschaft nicht mehr „heiß“ sind. Durch eine Karenzzeit soll verhindert werden, dass das Gehör in die Politik mittels ehemaliger Kontakte erkauft werden kann und das im politischen Ideenwettbewerb eine Chancenungleichheit zwischen den verschiedenen Interessenvertreter:innen entsteht.
Wie nötig schärfere Karenzzeit-Regeln sind, hat auch unser Lobbyismus-Experiment in Kooperation mit dem ZDF offengelegt: Undercover im Bundestag haben wir selbst miterlebt, dass sich mit ausreichend finanziellen Mitteln Kontakte zu Minister:innen kaufen lassen. Häufig unterstützen hierbei Ex-Politiker:innen, die in Lobbyjobs gewechselt sind, wie unsere neue Recherche abermals aufgezeigt hat. Unseren vermeintlichen Lobbyist:innen wurden gegen hohe Summen Treffen mit Minister:innen und Staatssekretär:innen in Aussicht gestellt. Mehr dazu in der kompletten Recherche zum Lobbyismus-Experiment.