Mit den Kampagnen von abgeordnetenwatch.de können Sie sich direkt an die Politik wenden. So machen wir gemeinsam Druck für mehr Transparenz in der Politik, mehr Bürgerbeteiligung und frei zugängliche Informationen.

Transparenz-Check der Parteien zur Bundestagswahl 2025

Wahlprogramme im Check: Was versprechen die Parteien für mehr Integrität und Transparenz? 

Am 23. Februar 2025 ist Bundestagswahl. Nachdem wir kürzlich Bilanz gezogen haben, inwieweit die Ampel-Regierung mehr Transparenz gebracht hat, werfen wir nun einen genauen Blick in die Wahlprogramme der Parteien. 

von Lara Siever, 31.01.2025
Wahlprgramme der Parteien zur Bundestagswahl 2025

Bei der Analyse der Wahlprogramme haben wir uns auf acht Themen konzentriert, die uns besonders wichtig erscheinen, um Parteispenden und Lobbyismus zu begrenzen und mehr Transparenz zu schaffen, um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken:

  • Deckelung von Privatspenden
  • Verbot von Unternehmensspenden an Parteien
  • Kontakttransparenz im Lobbyregister
  • Lobby-Fußabdruck
  • Verlängerung der Karenzzeit
  • Veröffentlichungspflichten von Abgeordneten zu Nebentätigkeiten
  • Unabhängige Transparenz-Kontrolle
  • Transparenzgesetz

Wir haben die (vorläufigen) Wahlprogramme (Stand 30.01.2025) von allen Parteien ausgewertet, die im aktuellen Bundestag vertreten sind und zusätzlich bei der letzten Bundestagswahl 2021 die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben, oder die drei benötigten Direktmandate nach der Grundmandatsklausel gewonnen haben: SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD, Die Linke und BSW.

Das Wahlprogramm der AfD ist aus demokratischer Perspektive höchst problematisch, da es zahlreiche nationalistische und rechtsextreme Narrative enthält, die die grundlegenden Werte des Grundgesetzes sowie das Prinzip einer vielfältigen und diskriminierungsfreien Gesellschaft in Frage stellen. Dennoch haben wir es in unsere Analyse aufgenommen, da die AfD die formalen Kriterien für unsere Untersuchung erfüllt – nämlich entweder die Fünf-Prozent-Hürde zu überschreiten oder mindestens drei Direktmandate zu gewinnen.

Was versprechen die Parteien für mehr Transparenz und zur Einschränkung von Lobbyismus und Parteispenden?

Das versprechen die Parteien in ihren Wahlprogrammen zur schärferen Regulierung von Parteispenden, Lobbyismus und für mehr Transparenz:
 

Übersichtstabelle: Wieviel Transparenz bieten die Parteien zu verschiedenen Themen im Wahlprogramm?

 

I) Wahlversprechen zur Regulierung von Parteispenden

Nur drei Parteien greifen das Thema Parteispenden überhaupt in ihren Wahlprogrammen auf. Dabei ist es – insbesondere im aktuellen Bundestagswahlkampf – ein sehr kontroverses und präsentes Thema. Durch zahlreiche Lobbyskandale im Zusammenhang mit Parteispenden von Unternehmen und Vermögenden sorgt es immer wieder für negative Schlagzeilen. Die Folge: Bürger:innen verlieren weiter an Vertrauen in die Demokratie. 

Die Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen formulieren konkrete Versprechen zur schärferen Regulierung von Parteispenden, etwa zur Deckelung von Privatspenden oder zum Verbot von Unternehmensspenden. Die AfD widmet dem Thema „Die Selbstbedienung der Parteien beenden“ (S. 68) einen Absatz, in dem es heißt, dass „eine restriktive und Korruption vermeidende Neuordnung der Spendenregelungen“ unabdingbar sei. In welche Richtung eine solche Neuordnung der Regelungen gehen soll, bleibt jedoch unkonkret und ist damit nicht aussagekräftig genug. 

1. Deckelung von Parteispenden von Privatpersonen: Die Grünen, Die Linke

Die beiden Parteien Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke verfolgen laut ihren Wahlprogrammen dasselbe Ziel, nämlich die Parteispenden von Privatpersonen zu deckeln. Die Linken werden konkreter und nennen einen jährlichen Höchstbetrag von Großspenden von max. 25.000 Euro pro Jahr. Die Grünen wollen darüber hinaus den Einfluss von Besitzer:innen großer Online-Plattformen und ihre finanzielle Unterstützung an Parteien begrenzen und Regeln für Parteispenden und politische Werbung im digitalen Kontext durchsetzen.

Bündnis 90/Die Grünen:Es gibt Regeln für Parteispenden oder politischer Werbung im Fernsehen und Radio. Es gibt solche Regeln auch im Digitalen, die wir zum Schutz unserer Demokratie durchsetzen wollen. Wir sorgen dafür, dass diese Deckelung auch durch die Besitzer sehr großer Online-Plattformen nicht umgehbar ist. Es braucht klare Grenzen, wie viel Einfluss ein Einzelner nehmen darf. Parteispenden und -sponsoring wollen wir durch einen jährlichen Höchstbetrag deckeln und weitere Maßnahmen prüfen, um Schlupflöcher zu schließen. Hierfür nehmen wir insbesondere Auslandsspenden in den Blick. Die systematische Unterstützung von Organisationen an Parteien soll klarer geregelt werden, so dass die wesentlichen Transparenzregeln für Parteien auch für diese Organisationen gelten. Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, wenden wir die über das Parteiengesetz hinausgehenden Regelungen unseres Spendenkodex an.“ (Seitenzahl unklar, da finales Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht)

Die Linke: Im Bundestagswahlkampf 2021 erhielten die Parteien über 100 Millionen. Euro an Parteispenden. In 12 EU-Ländern sind Spenden von Unternehmen oder juristischen Personen an Parteien verboten. In weiteren 13 EU-Ländern sind solche Spenden durch Obergrenzen begrenzt. Deutschland hinkt hinterher. [...] Spenden von Privatpersonen sind auf 25000 Euro im Jahr zu begrenzen.“ (S. 50)

Die Grünen wollen Parteispenden-Regeln auf Organisationen, die Parteien systematisch unterstützen, ausweiten und Regelungslücken, insbesondere bei Auslandsspenden, schließen. Anlass dieses Vorschlags ist wahrscheinlich die Zunahme von Spenden durch Vereine, aus denen eine Partei hervorgegangen ist. Der Verdacht auf sogenannte Weiterleitungsspenden kam in den letzten Monaten etwa bei Spenden vom BSW-Verein an die Partei BSW und beim Förderverein WerteUnion an die Partei WerteUnion auf. Weiterleitungsspenden sind nach aktueller Rechtslage nur zulässig, wenn die Partei die Herkunft des Geldes kennt und die Spender:innen - im Fall von Spenden ab 10.000 Euro im Jahr - offenlegt; im Fall von Spenden „eines nicht genannten Dritten“ gelten die Spenden als unzulässig. 

Forderung von abgeordnetenwach.de:

Die Ampel-Regierung hat das Parteiengesetz geändert, sodass seit März 2024 Großspenden schon ab 35.000 Euro direkt gemeldet werden müssen (anstelle von 50.000 Euro); außerdem muss das so genannte Parteisponsoring in einem jährlichen Sponsoringbericht offengelegt werden. Diese halbherzige Reform reicht jedoch nicht aus, um ausreichend Transparenz für die Bürger:innen und Chancengleichheit zwischen den Parteien herzustellen.

Wir fordern die Deckelung von Privatspenden auf 10.000 Euro pro Jahr. Zudem sollten Parteispenden bereits ab 1.000 Euro transparent gemacht sowie von einer unabhängigen Prüfinstanz kontrolliert und Verstöße wirksam sanktioniert werden. Hierfür haben wir eine Petition gestartet, die bereits von mehr als 68.000 Menschen unterzeichnet wurde. 

2. Verbot von Unternehmensspenden: Die Linken

Außer der Linken fordert keine der im Bundestag vertretenen Parteien ein Verbot von Parteispenden und Parteisponsoring von Unternehmen. Die Grünen wollen sich zumindest dafür einsetzen, das Parteisponsoring durch Unternehmen pro Jahr zu deckeln.

Die Linke: Im Bundestagswahlkampf 2021 erhielten die Parteien über 100 Millionen. Euro an Parteispenden. In 12 EU-Ländern sind Spenden von Unternehmen oder juristischen Personen an Parteien verboten. In weiteren 13 EU-Ländern sind solche Spenden durch Obergrenzen begrenzt. Deutschland hinkt hinterher. Die Linke ist die einzige Partei im Bundestag, die keine Spenden von Konzernen annimmt. Dabei bleibt es. [...] Unternehmensspenden an Parteien sowie das - steuerlich absetzbare! - Parteiensponsoring wie Unternehmensstände auf Parteitagen wollen wir verbieten. […] Auch nachträgliche »Dankeschön-Spenden« und Bestechung mit dem Ziel der Imagepflege des Lobbyisten müssen uneingeschränkt als Abgeordnetenbestechung strafbar sein.” (S. 50)

Bündnis 90/Die Grünen:Parteispenden und -sponsoring wollen wir durch einen jährlichen Höchstbetrag deckeln und weitere Maßnahmen prüfen, um Schlupflöcher zu schließen. Hierfür nehmen wir insbesondere Auslandsspenden in den Blick.“ (Seitenzahl unklar, da finales Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht)

Darüber hinaus setzt sich Die Linke dafür ein, dass der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung ausgeweitet wird und auch Bestechung von Lobbyist:innen und Spenden, die als Dank für einen politischen Gefallen stattfinden, darunter fallen. 

Forderung von abgeordnetenwach.de:

Die Reform des Parteiengesetzes der Ampel-Regierung war mut- und visionslos. Es wurde aus unserer Sicht die Chance verpasst, die größten Probleme bei Parteispenden wirksam anzugehen. 

Wir fordern ein Verbot von Unternehmensspenden an Parteien. Zudem sollten Parteispenden von einer unabhängigen Prüfinstanz kontrolliert und Verstöße wirksam sanktioniert werden. Unsere Petition zu diesem Thema wurde bereits von mehr als 68.000 Menschen unterzeichnet. 

Verbotszeichen über einer Hand, die eine Überweisung über 1.000.000 € ausfüllt

Unternehmensspenden an Parteien verbieten, Privatspenden deckeln!

70.306 Menschen unterstützen die Petition
75.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

II) Wahlversprechen zur Regulierung von Lobbyismus

Dass Lobbyist:innen zu viel Einfluss auf die Politik haben und das Vertrauen in die Demokratie darunter leidet, wird von den Parteien derzeit wenig beachtet. Das zeigt sich auch daran, dass die Forderung nach einer stärkeren Regulierung des Lobbyismus in den Wahlprogrammen sehr schwach vertreten ist. 

Zum Thema Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft stellen sowohl Die Grünen, Die Linke als auch das BSW eine Verlängerung der Karenzzeit für ausscheidende Politiker:innen in Aussicht. Das Thema Lobbyismus wird von vier Parteien in den Wahlprogrammen erwähnt, jedoch machen nur Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke konkrete Regulierungsvorschläge zu den Kern-Lobbythemen, Lobbyregister und Lobby-Fußabdruck. Das BSW und die AfD sehen zwar auch Nachbesserungsbedarf beim Thema Lobbyismus - das BSW will ihn anhand strengerer Regeln transparent machen und zurückdrängen, die AfD will “Lobbyismus kontrollieren”, beide Parteien machen aber keine konkreten Verbesserungsvorschläge oder Maßnahmen.

3. Kontakttransparenz im Lobbyregister: Die Grünen

Zum Lobbyregister hatte es in der letzten Legislatur bereits geringfügige Verbesserungen gegeben, die für uns als Transparenzorganisation allerdings nicht weit genug gingen. Es fehlt weiterhin eine sogenannte Kontakttransparenz, mit der offengelegt wird, wer mit wem über welches Thema spricht. Nur eine einzige Partei wagt sich noch einmal an das Lobbyregister heran: Die Grünen wollen das Lobbyregister so nachschärfen, dass Lobbytreffen der Regierung offengelegt werden. Unklar bleibt die genaue Ausgestaltung und das Ausmaß dieser Offenlegungspflicht. Soll sie bei den Lobbyist:innen selbst liegen, wie abgeordnetenwatch.de es fordert, oder soll die Regierung – ähnlich wie auf EU-Ebene – in die Pflicht genommen werden, diese Kontakttransparenz herzustellen? Und bis zu welcher Ebene in den Ministerien soll Kontakttransparenz geschaffen werden?

Bündnis 90/Die Grünen: „Wir stehen für ein starkes Parlament, eine Stärkung der parlamentarischen Verfahren und konstruktive Kompromissfindung, sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat. Parlamentsarbeit und Gesetzgebungsverfahren wollen wir transparenter gestalten und Lobbytreffen der Regierung wie in der Europäischen Kommission sichtbar machen. Dabei setzen wir uns für unabhängige Kontrollen ein, um Transparenz und Integrität zu stärken. Die Sitzungen der Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden.“ (Seitenzahl unklar, da finales Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht)

Forderung von abgeordnetenwatch.de:

Wir fordern seit vielen Jahren eine Kontakttransparenz im Lobbyregister, damit sichtbar wird, welche Lobbyist:innen mit welchen Politiker:innen aus der Bundesregierung und dem Bundestag zu welchen Themen wann und in welcher Form in Kontakt stehen – und zwar ohne Ausnahmen und bis zur Referatsebene. Bereits knapp 45.000 Menschen unterstützen diese Forderung und haben unsere Petition für „Volle Lobbytransparenz jetzt!“ unterzeichnet.

4. Lobby-Fußabdruck: Die Linke

Die Ampel-Koalition hat im März 2024 die Geschäftsordnung der Bundesministerien geändert und einen “exekutiven Fußabdruck” eingeführt. Der Fußabdruck soll für jedes Gesetzgebungsverfahren „wesentliche“ Lobbyeinflüsse auf Gesetzesentwürfe offenlegen, bezieht sich aber nur auf die Exekutive, also die Regierungsebene und nicht auf die Legislative, den Bundestag. Es müssen auch nur "erfolgreiche" Einflussnahmen auf einen Gesetzesentwurf offengelegt werden. Hierdurch wird weiterhin nicht sichtbar, wen die Ministerien im Gesetzgebungsprozess alles zur Stellungnahme eingeladen haben oder wer mit Referent:innen telefonisch oder persönlich zu Themen gesprochen, aber keine Stellungnahme eingereicht hat. 

Eine „legislative Fußspur“, die zeigt, welche Lobbyist:innen und Expert:innen im Rahmen von Gesetzesvorlagen der Bundesregierung mitgewirkt haben, hat einzig und allein Die Linke in ihr Wahlprogramm aufgenommen. 

Die Linke: „Den Gesetzesvorlagen der Bundesregierung muss eine Auflistung der Interessenvertreter*innen sowie der Sachverständigen beigefügt werden, deren Stellungnahmen bei der Erstellung und Erarbeitung berücksichtigt wurden oder die sonst mitgewirkt haben (legislative Fußspur).“ (S. 50)

Forderung von abgeordnetenwatch.de:

Die Mini-Reform der Ampel-Regierung reicht bei Weitem nicht aus, um umfassende Lobbytransparenz über Gesetzgebungsprozesse zu schaffen. Der 2024 eingeführte exekutive Fußabdruck ist nicht aussagekräftig genug. Eine überschaubare Änderung der Geschäftsordnung ist kein Vergleich zu einer umfassenden gesetzlichen Verpflichtung. Leider wird der Fußabdruck daher bislang kaum umgesetzt. 

Wir fordern schon lange einen umfassenden Lobby-Fußabdruck per Gesetz, der sowohl auf legislativer Ebene – also bei Einflussnahmen auf den Bundestag – als auch auf exekutiver Ebene – also bei Einflussnahmen auf die Bundesregierung – alle Lobby-Fußspuren auf Gesetzen sichtbar macht. Nur durch ihn wird sichtbar, welche Akteur:innen an Gesetzgebungsprozessen beteiligt waren und welche Interessen sie vertreten haben. Unsere Petition dazu wurde bereits von knapp 15.000 Menschen unterzeichnet. 

Für echte Lobbytransparenz braucht es beides: Einen umfassenden Lobby-Fußabdruck, der die Politik zu mehr Transparenz im Gesetzgebungsprozess verpflichtet sowie ein noch aussagekräftigeres Lobbyregister mit Kontakttransparenz, das die Lobbyist:innen selbst per Gesetz zu mehr Transparenz über ihre Lobbyarbeit verpflichtet.

5. Verlängerung der Karenzzeit: Die Grünen, Die Linke, BSW

Eine Verlängerung der Karenzzeit – eine Art „Abkühlphase“ der politischen Kontakte – von ausscheidenden Regierungsmitgliedern und Parlamentarischen Staatssekretär:innen bevor sie in die Wirtschaft wechseln dürfen, wird sowohl von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und BSW als notwendig erachtet. 

Die Wahlprogramme unterscheiden sich jedoch in der geforderten Dauer der Karenzzeit und darin, für wen sie gelten soll. Die Grünen legen sich zeitlich nicht fest und sprechen sich für eine Erhöhung der Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder aus. Während Die Linke eine Karenzzeit von mindestens drei Jahren für ausscheidende Bundesminister:innen und parlamentarische Staatssekretär:innen in Aussicht stellt, strebt das BSW sogar eine Karenzzeit von mindestens fünf Jahren an. Ob das BSW die Karenzzeit auf weitere ausscheidende Politiker:innen, etwa auch auf Bundestagsabgeordnete, ausweiten möchte, ist anhand der Formulierung unklar. 

Bündnis 90/Die Grünen: „Wir sind überzeugt: Transparente und nachvollziehbare Politik stärkt das Gemeinwohl, dafür müssen mögliche finanzielle Interessen offengelegt und Karenzzeiten für ausscheidende Regierungsmitglieder erhöht werden.“ (Seitenzahl unklar, da finales Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht) 

Die Linke: „Bundesminister*innen und parlamentarische Staatssekretär*innen müssen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt mindestens drei Jahre bzw. für die Dauer des zeitlichen Anspruchs auf Übergangsgeld warten, bevor sie in Unternehmen wechseln, mit deren wirtschaftlichen Interessen sie zuvor politisch befasst waren.“ (S. 50)

BSW: „Der Wechsel von ausscheidenden Politikern in Wirtschaftsbranchen, mit denen sie vorher zu tun hatten, darf allenfalls mit einer Karenzzeit von mindestens 5 Jahren zulässig sein.“ (S. 45)

Forderung von abgeordnetenwatch.de:

Wir vertreten die Meinung, dass eine mindestens drei Jahre dauernde verpflichtende Karenzzeit zwischen einem politischen Amt und dem Wechsel in die Wirtschaft notwendig ist. So wird sichergestellt, dass die Kontakte und das Insider:innenwissen aus der Politik beim Wechsel in die Wirtschaft nicht mehr „heiß“ sind. Durch eine Karenzzeit soll verhindert werden, dass das Gehör in die Politik mittels ehemaliger Kontakte erkauft werden kann und das im politischen Ideenwettbewerb eine Chancenungleichheit zwischen den verschiedenen Interessenvertreter:innen entsteht. 

Wie nötig schärfere Karenzzeit-Regeln sind, hat auch unser Lobbyismus-Experiment in Kooperation mit dem ZDF offengelegt: Undercover im Bundestag haben wir selbst miterlebt, dass sich mit ausreichend finanziellen Mitteln Kontakte zu Minister:innen kaufen lassen. Häufig unterstützen hierbei Ex-Politiker:innen, die in Lobbyjobs gewechselt sind, wie unsere neue Recherche abermals aufgezeigt hat. Unseren vermeintlichen Lobbyist:innen wurden gegen hohe Summen Treffen mit Minister:innen und Staatssekretär:innen in Aussicht gestellt. Mehr dazu in der kompletten Recherche zum Lobbyismus-Experiment.  

III) Wahlversprechen für mehr Transparenz

Der Themenbereich Transparenz kommt leider in fast allen Wahlprogrammen der Parteien deutlich zu kurz. Von den in diesem Artikel analysierten Parteien sind Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke die Einzigen, die Vorschläge machen, um:

- die Nebentätigkeiten von Abgeordneten noch transparenter zu machen (nur Die Linke), 

- eine unabhängige Transparenz-Kontrolle einzuführen (nur Die Grünen),

- das bereits seit Langem geplante bundesweite Transparenzgesetz (beide Parteien) umzusetzen. 

6. Veröffentlichungspflichten von Abgeordneten zu Nebentätigkeiten: Die Linke

In ihrem Wahlprogramm nimmt sich Die Linke vor, Abgeordnete zu umfassender Transparenz und zeitnaher Veröffentlichung ihrer Nebenverdienste zu verpflichten. Keine andere der analysierten Parteien sieht an dieser Stelle Nachbesserungsbedarf. 

Die Linke: „Abgeordneten muss es verboten sein, Spenden anzunehmen. Die Nebenverdienste von Abgeordneten sind auf Euro und Cent zeitnah zu veröffentlichen.“ (S. 50)

7. Unabhängige Transparenz-Kontrolle: Die Grünen

Außer Bündnis 90/Die Grünen hat keine der im vergangenen Jahr im Bundestag vertretenen Parteien Vorschläge zu einer unabhängigen Transparenz-Kontrolle im Wahlprogramm. Ein solche Stelle ist aus unserer Sicht notwendig, um Parteispenden, Lobbyregisterangaben und Nebentätigkeiten von Abgeordneten kompetent und unabhängig zu überprüfen. 

Bisher ist dafür die Bundestagspräsidentin zuständig, der die Bundestagsverwaltung untersteht. Als Abgeordnete mit Parteibuch und eigenen Nebeneinkünften ist sie jedoch in ihrer Kontrollfunktion befangen. Mehrere Parteien (insb. die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Gruppe Die Linke) hatten sich noch in der vergangenen Legislaturperiode für eine unabhängige Prüfinstanz – bzw. eine:n unabhängige:n Transparenzbeauftragte:n bzw. Lobbybeaufragte:n – eingesetzt. Daher ist es enttäuschend, dass dieses Thema nicht in mehr Wahlprogrammen berücksichtigt wurde. Beim Vorschlag der Grünen bleibt offen, wie und von wem die erwähnten “unabhängigen Kontrollen” durchgeführt werden sollen und welche konkreten Bereiche dabei überprüft werden sollen, um “Transparenz und Integrität” zu stärken.  

Bündnis 90/Die Grünen: “Parlamentsarbeit und Gesetzgebungsverfahren wollen wir transparenter gestalten und Lobbytreffen der Regierung wie in der Europäischen Kommission sichtbar machen. Dabei setzen wir uns für unabhängige Kontrollen ein, um Transparenz und Integrität zu stärken.” (Seitenzahl unklar, da finales Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht)

Forderung von abgeordnetenwatch.de:

Wir fordern eine unabhängige Prüfinstanz, eine sogenannte Transparenz-Kontrolle, deren Mitglieder demokratisch gewählt und frei von eigenen Interessenkonflikten und parteipolitischen Einflüssen sind. Diese Stelle muss Nebentätigkeiten und Interessenkonflikte von Abgeordneten, Lobbyregistereinträge und Parteispenden umfassend und transparent kontrollieren. Bei Verstößen müssen wirksame Sanktionen verhängt und zeitnah transparent gemacht werden. Unsere im Herbst 2024 gestartete Petition für eine unabhängige Transparenz-Kontrolle hat in der Zwischenzeit bereits knapp 19.000 Unterschriften erreicht. 

8. Transparenzgesetz: Die Grünen, Die Linke

Die Partei Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben als Einzige das bundesweite Transparenzgesetz in ihre Wahlprogramme aufgenommen:

Die Linke: Wir werden ein Recht auf Open Data schaffen und ein Transparenzgesetz: Bei öffentlichen Dienstleistungen und Verwaltungen anfallende Daten müssen anonymisiert kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das gilt gleichermaßen für alle privaten Anbieter öffentlicher Leistungen. Auch die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung müssen kostenfrei öffentlich zugänglich sein (Open Access).“ (S. 62)

Bündnis 90/Die Grünen: “Der Staat muss mit gutem Beispiel vorangehen, weswegen wir den Rechtsanspruch auf Open Data und ein Transparenzgesetz vorantreiben und dadurch Datenbestände proaktiv bereitstellen.” (Seitenzahl unklar, da finales Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht)

SPD und FDP haben diesem Thema in ihren Wahlprogrammen keine Priorität mehr gegeben. 

Forderung von abgeordnetenwatch.de:

Das große zivilgesellschaftliche Bündnis, dem abgeordnetenwatch.de gemeinsam mit neun weiteren Bündnispartner:innen angehört, hatte im Vorfeld einen Gesetzentwurf für ein Bundestransparenzgesetz formuliert, um den Gesetzgebungsprozess zu unterstützen und hat im Juni 2024 eine Petition mit über 50.000 Unterschriften übergeben. Wir erachten ein bundesweites Transparenzgesetz weiterhin für dringend notwendig, weil es die Bürger:innen stärkt und politische Entscheidungen nachvollziehbar macht.

Fazit: Wie schneiden die Parteien ab und welche Integritäts- und Transparenzthemen vernachlässigen sie?

Insgesamt fällt auf, dass die Themen Regulierung von Parteispenden, Lobbyismus sowie Transparenz in diesem vorgezogenen Bundestagswahlkampf im Vergleich zu den bisherigen Wahlprogrammen der Parteien durchweg an Bedeutung verloren haben.

Im direkten Vergleich der Parteien untereinander wird deutlich, dass die Themen Transparenz, Lobbyismus und Parteispenden in den Wahlprogrammen ähnlich wenig Raum einnehmen und meist nur in einem oder mehreren Unterkapitel(n) aufgegriffen werden. Beim genaueren Hinsehen werden jedoch große Unterschiede hinsichtlich der Anzahl und der Präzision der Transparenzversprechen zwischen den Parteien deutlich. 

Die Parteien CDU/CSU und FDP haben diese Themen in ihren Wahlprogrammen komplett ausgespart. Stattdessen sprechen sie sich in den thematisch passenden Kapiteln nur allgemein für einen „funktionierenden Staat“ und eine „funktionierende Verwaltung“ (CDU/CSU) sowie den „Bürokratieabbau in Deutschland“ (FDP) aus. 

Mit Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und dem BSW formulieren insgesamt nur drei der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien konkrete Forderungen zu diesen Themen. Das unterstreicht die Prioritätenverschiebung. 

Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 hatte sich die SPD noch klar für mehrere der analysierten Themen ausgesprochen, so z. B. für die Nachschärfung des Lobbyregisters und einen exekutiven und legislativen Fußabdruck. Angemerkt sei, dass es in der aktuellen Legislaturperiode Mini-Reformen in den beiden letzten Bereichen gab. 

Es ist alarmierend, dass die für einen fairen politischen Wettbewerb und mehr Transparenz in unserer Demokratie so notwendigen Maßnahmen, wie das Verbot von Unternehmensspenden an Parteien, die Kontakttransparenz im Lobbyregister und ein umfassender gesetzlicher Lobby-Fußabdruck sowie die unabhängige Transparenz-Kontrolle so wenig Priorität genießen.

Was bedeutet das für unsere Arbeit als abgeordnetenwatch.de?

Wir verstehen das als Weckruf: Wir alle müssen gemeinsam noch mehr Druck auf die Politik aufbauen. Nur so können wir die notwendigen Maßnahmen für mehr Integrität und Transparenz in den Vordergrund der politischen und öffentlichen Debatte rücken und für parlamentarische Mehrheiten kämpfen. 

Dies wird umso schwieriger in einem zukünftigen Bundestag, der mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich nach rechts rücken und Transparenzthemen weniger Sichtbarkeit einräumen wird. Somit stehen alle in den Bundestag gewählten demokratischen Parteien und Abgeordneten in der Verantwortung, eine demokratiestärkende, transparenzfördernde und faktenbasierte Politik voranzutreiben. 

Unsere Arbeit als Transparenzorganisation wird zwar herausfordernder, aber zugleich wichtiger und dringender denn je. Die Teilerfolge der letzten Jahre – unter anderem im Bereich der Parteienfinanzierung, des Lobbyregisters und bei der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung – sowie die vielen tausend Unterstützer:innen unserer Petitionen, die sich mit uns für die oben genannten Reformen stark machen, motivieren uns mit viel Elan weiterzumachen. 

Daher ermutigen wir auch Sie: Lassen Sie uns auch in schwierigen Zeiten gemeinsam noch mehr erreichen. Setzen Sie sich im Bundestagswahlkampf und den Koalitionsverhandlungen mit uns für eine transparentere und gerechtere Demokratie ein, die für alle zugänglich ist. 

Verbotszeichen über einer Hand, die eine Überweisung über 1.000.000 € ausfüllt

Unternehmensspenden an Parteien verbieten, Privatspenden deckeln!

70.306 Menschen unterstützen die Petition
75.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

Jetzt Petition unterzeichnen