Die Fronten im Bundestag verlaufen dabei äußerst geordnet: Auf der einen Seite SPD, Grüne und Linke, die für höhere Offenlegungsgrenzen bei Nebeneinkünften eintreten. Dadurch ließe sich für die Öffentlichkeit besser erkennen, wie viel unsere Abgeordneten durch Nebentätigkeiten, z.B. in Aufsichtsräten, tatsächlich verdienen. Auf der anderen Seite CDU/CSU und FDP, die den Plänen skeptisch gegenüber stehen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann (Foto), hatte kürzlich in einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert angeregt, die Offenlegungsgrenzen bei Nebeneinkünften anzuheben. Das Problem bislang: Ob ein Bundestagsabgeordneter für eine Nebentätigkeit 20.000 oder 200.000 Euro erhält, muss er nicht öffentlich machen. Es reicht die
Auskunft, dass seine Einkünfte bei "mindestens 7.000 Euro" liegen. Die SPD schlägt nun eine Regelung mit insgesamt fünf Stufen vor: 1 000 Euro, 3 500 Euro, 7 000 Euro, 10.000 Euro und 25.000 Euro.
Grünen und Linken geht der SPD-Vorschlag nicht weit genug. Beide Parteien fordern eine Obergrenze von um die 100.000 Euro. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, erklärte gegenüber abgeordnetenwatch.de:
Alle Forderungen nach mehr Transparenz bei den Verhaltensregeln verdienen meine Unterstützung. Hierzu gehört insbesondere auch die Einführung weiterer Einkommensstufen. Als Stufen sind die von Thomas Oppermann genannten denkbar – besser wäre jedoch eine noch weitere Aufspreizung in folgende Stufen: Stufe 3: 7.000 € bis 15.000 €, Stufe 4: 15.000 € bis 25.000 €, Stufe 5: 25.000 € bis 50.000 €, Stufe 6: 50.000 € bis 100.000 €, Stufe 7: ab 100.000 €.
Dagmar Enkelmann von der Linkspartei sagte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage:
Wirklich transparent wäre zwar – dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu den Veröffentlichungspflichten klargemacht und für verfassungsgemäß gehalten – eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte in ihrer jeweiligen genauen Höhe. Da es hierfür jedoch in naher Zukunft ganz offensichtlich keine Mehrheiten geben wird, fordert DIE LINKE. in einem nächsten Schritt die Veröffentlichung der Einkünfte in mindestens folgenden 5 Stufen: Stufe 1: 1000 – 4.000 Euro Stufe 2: 4.001- 8.000 Euro Stufe 3: 8.001 -32.000 Euro Stufe 4: 32.001- 96.000 Euro Stufe 5: über 96.000 Euro
Skeptisch zeigt sich der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Jörg van Essen. Gegenüber abgeordnetenwatch.de erklärte er:
Die Höhe eines Honorars für eine Rede sagt wenig darüber aus, ob jemand beeinflusst wird, aber viel darüber, welchen Machtwert er hat. Deshalb erhalten bekannte ehemalige Angehörige der Regierung bemerkenswerte Honorare. Meine Fraktion sieht die Vorschläge des Kollegen Oppermann zurückhaltend, wird sich aber einer gemeinsamen Lösung, so sie gefunden wird, nicht verschließen.
Eine gemeinsame Lösung ist allerdings nicht in Sicht. Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, erklärte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage, ihm seien Vorschläge zur Anhebung der Offenlegungsgrenzen "offiziell nicht bekannt". Auch Altmaier äußert sich skeptisch, was die Notwendigkeit höherer Offenlegungsgrenzen angeht:
Bei der Einführung weiterer Stufen der Veröffentlichung ist – auch unter Berücksichtigung des Bruttozuflussprinzips – zu prüfen, in wie weit hierdurch größerer Erkenntnisgewinn bei der Frage möglicher Interessenkollisionen erzielt werden kann.
Genau diesen Erkenntnisgewinn würde es aus Sicht der Oppositionsparteien bei Anhebung der Offenlegungsgrenzen aber geben. Dagmar Enkelmann (Linke):
Ich strebe zusätzliche Stufen in Orientierung an den Beträgen der monatlichen und jährlichen Abgeordnetenentschädigung an, weil in Relation zu diesen Größen mögliche bedeutsame Interessenverknüpfungen für die Bevölkerung besser einschätzbar werden.
Thomas Oppermann (SPD):
Nebentätigkeiten, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können, sind daher anzuzeigen. Das muss aber in einer Weise geschehen, die über eine Feigenblattlösung hinausgeht. Wir sollten offen und ehrlich der gesetzlichen Forderung nachkommen und nicht finanziell dort aufhören, wo eine Verquickung wirtschaftlicher und politischer Interessen virulent werden könnte.
Allerdings fragt man sich, warum die SPD die Offenlegungspflicht bei 25.000 Euro deckeln will, wo doch eine "Verquickung wirtschaftlicher und politischer Interessen" bei weitaus höheren Zahlungen erst richtig virulent wird. Völlig unverständlich wird die SPD-Forderung nach einer Obergrenze von 25.000 Euro, wenn Oppermann in seinem Brief an Bundestagspräsident Lammert einen Absatz zuvor wiefolgt argumentiert:
Wenn nun ein Abgeordneter 50 000 Euro erhält und dies als "über 7 000,- Euro" bezeichnet wird, so ist das zwar nicht falsch, aber offensichtlich irreführend. Die tatsächliche Höhe der Einkünfte wird durch die auf 7 000,- Euro begrenzten Einkommensstufen verschleiert. Das Ausmaß der Nebentätigkeit kann so vom Bürger und von der Öffentlichkeit nicht beurteilt werden. Darauf aber kommt es an.
Fazit: Eine Obergrenze von 25.000 Euro würde die genauen Einkünfte weiterhin verschleiern, nur ein bisschen weniger als bislang. abgeordnetenwatch.de spricht sich deshalb für eine komplette Offenlegung von Nebeneinkünften aus.
Update vom 21.11.2010 Gegenüber der „Welt am Sonntag“ kritisiert SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann das fehlende Engagement von Bundestagspräsident Norbert Lammert in Sachen Offenlegungsgrenzen. Nach Meinung von Oppermann "hintertreibe" dieser einen transparenteren Umgang mit den Nebentätigkeiten der Abgeordneten. "Es wäre richtig gewesen, wenn der Bundestagspräsident eine weitergehende Offenlegung der Nebeneinkommen verfolgt hätte," so der SPD-Geschäftsführer. Statt dessen schlage sich Lammert auf die Seite "der Geheimniskrämer von FDP und CDU/CSU". Lammert will laut "Welt am Sonntag" den Oppermann-Vorschlag (siehe oben) "in die weiteren Beratungen über die Verhaltensregeln mit einbeziehen". --
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