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Erste Annäherungen nach Streit

Lobbyregister: Wie viel Transparenz traut sich die Große Koalition?

Seit einem halben Jahr geben sich SPD und CDU gegenseitig die Schuld am Stillstand beim Lobbyregister-Gesetz. Jetzt scheint sich ein Kompromiss abzuzeichnen - doch der ist alles andere als ambitioniert. 

von Clara Helming, 19.02.2021

Im Oktober 2020 wurde eine geplante Bundestagsabstimmung zum Lobbyregister kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen. Grund war eine Blockade innerhalb der Bundesregierung: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) äußerte scharfe Kritik an den lückenhaften Transparenz-Vorschlägen von Innenminister Horst Seehofer (CSU).

Ein neuer Gesetzesentwurf liegt auch nach vier weiteren Monaten nicht vor. In der Zwischenzeit haben sich die Verhandler der GroKo-Fraktionen, Matthias Bartke (SPD) und Patrick Schnieder (CDU), in der Presse zu Wort gemeldet. Ihre Aussagen zu noch verbliebenen umstritten Punkten haben wir unter die Lupe genommen:

  • Streitpunkt 1: Lobbyismus in den Ministerien: Die CDU will lediglich die Einflussnahme auf höchster Ebene registrieren, also Lobby-Treffen mit Minister:innen und Staatssektretär:innen. Die SPD will hingegen auch die Referatsleitungsebene einbeziehen.

    Unsere Einschätzung: Beide Forderungen gehen nicht weit genug. Jeder Lobby-Kontakt - unabhängig vom Dienstgrad - muss registriert werden, um der Öffentlichkeit einen vollständigen Einblick in Lobbyaktivitäten zu ermöglichen. Man stelle sich folgendes Szenario vor: Ein Interessensvertreter trifft sich regelmäßig mit einer Beamtin, die Gesetzte in seinem Geschäftsbereich bearbeitet. Da sie jedoch keine Referatsleiterin ist, erscheint der Kontakt nicht im Lobbyregister - obwohl sie eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung des Gesetzes spielt. So verfehlt das Lobbyregister sein ursprüngliches Ziel. Die zaghaften Vorschläge von SPD und CDU bleiben zudem weit hinter dem internationalen Standard zurück. In Ländern wie Frankreich oder Kanada, wo es bereits lange verbindliche Lobbyregister gibt, zählt der Kontakt mit Mitarbeiter:innen ganz selbstverständlich dazu. Das gleiche gilt für die Transparenzregelungen der EU.
     

  • Streitpunkt 2: Die sogenannte "exekutive Fußspur": Die SPD will, dass Beteiligungen von Lobbyist:innen an Gesetzesentwürfen kenntlich gemacht werden. Hiergegen hatte sich die CDU lange gesträubt. Der Bundestagsabgeordnete und Chefverhandler der CDU, Patrick Schnieder, fühlt sich laut merkur.de in "Geiselhaft genommen": Beteiligungen an Gesetzen könnten ja bereits über parlamentarische Anfragen in Erfahrung gebracht werden. Um der SPD entgegenzukommen, bietet die CDU einen Kompromiss an: Die exekutive Fußspur solle in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien anstatt in einem separaten Lobbyregister-Gesetz geregelt werden. Dort ist auch bislang die Verfahrensweise für Interessenvertreter:innen festgelegt. Laut dem SPD-Chefverhandler Bartke wäre die SPD mit diesem Vorschlag einverstanden, sofern eine verbindliche Frist vereinbart würde. 

    Unsere Einschätzung: Die exekutive Fußspur ist eine gute Ergänzung zum Lobbyregister, geht jedoch nicht weit genug. Eine effektivere Lösung wäre die Kontakttransparenz. Das würde bedeuten, dass Lobbyist:innen dazu verpflichtet wären, jeden Kontakt zu Mitarbeiter:innen von Ministerien und Behörden sowie zu Bundestagsabgeordneten im Lobbyregister festzuhalten. Zugleich würde dieses Vorgehen die Politik und die Bürokratie entlasten, da die Registrierungspflicht bei den Lobbyist:innen liegen würde.

Was folgt daraus?

Noch ist offen, ob sich SPD und Union beim Lobbyregister einig werden. Klar ist aber schon jetzt: Der große Wurf bleibt aus. Zwar zeichnen sich kleine Fortschritte in Richtung mehr Transparenz ab, doch diese werden durch die vielen Ausnahmen und Sonderregelungen stark relativiert. Die offensichtlich politisch gewollten Lücken im Register werden Lobbyist:innen systematisch nutzen. Ein Großteil der Lobbytätigkeiten bliebe im Geheimen.

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