Vertrauensverlust in die Parteien und die Demokratie
Weniger als die Hälfte (42,3 %) der Deutschen sind mit der Demokratie, wie sie in Deutschland funktioniert, zufrieden; das sind gut 15 % weniger als noch zwei Jahre zuvor, so die letzte Erhebung für die Leipziger Autoritarismus Studie im Frühjahr 2024. Auch das Vertrauen in die Parteien ist von 17 % im Jahr 2017 auf 9 % in 2024 dramatisch gesunken. Demnach hat nur noch knapp jede:r Zehnte Vertrauen in die Parteien – so die Umfrage „Demokratie in der Krise“, die im Sommer 2024 von policy matters im Auftrag der Körber-Stiftung durchgeführt wurde.
Angesichts des massiven Anstiegs von Großspenden von Konzernen und vermögenden Privatpersonen an Parteien im Bundestagswahlkampf, wollten wir herausfinden, wie die Bürger:innen Parteispenden wahrnehmen. Dazu haben wir das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit einer repräsentativen Umfrage beauftragt, die Ende Januar/Anfang Februar 2025 durchgeführt wurde. Die Ergebnisse machen deutlich: Die Bürger:innen glauben, dass sich mit Parteispenden politische Einflussnahme kaufen lässt. Hier steht nicht weniger als die Integrität des politischen Systems infrage. Diese Erkenntnisse bestärken unsere Forderungen nach weitreichenden und wirksamen Reformen des Parteiengesetzes.
Im Folgenden geben wir einen detaillierten Einblick in die Umfrage-Ergebnisse und ordnen sie im Kontext der aktuellen Entwicklungen der Parteispenden ein:
Großspenden manipulieren Parteien und Politik
91 % der Befragten glauben, dass Großspenden politische Entscheidungen von Parteien beeinflussen; mehr als zwei Drittel (67 %) davon sehen dabei sogar einen großen Einfluss. Diese Meinung wird von den Befragten durch alle Bevölkerungsgruppen hinweg geteilt – unabhängig vom Geschlecht, Bildungsstand, von einer Ost-/West-Zugehörigkeit oder Parteipräferenzen.
Die höchsten Zustimmungswerte zum Einfluss von Großspenden auf politische Entscheidungen finden sich in der Gruppe der 30- bis 44-Jährigen (94 % sehen einen Einfluss, davon 73 % großen Einfluss). Während die Anhänger:innen aller im Bundestag vertretenen Parteien Großspenden einen Einfluss auf politische Entscheidungen zuschreiben, gehen die Anhänger:innen der FDP zwar auch mehrheitlich, aber etwas seltener als die der anderen Parteien, von einem besonders „großen Einfluss“ aus.
Der Anstieg von Groß- und Lobbyspenden, oft aus fragwürdigen Quellen, verstärkt das Misstrauen der Bürger:innen. Wirtschaftsnahe Parteien, so zeigen es die bisherigen Spenden seit dem Ampel-Aus, profitieren ganz besonders von Großspenden. Dabei ist nicht anzunehmen, dass die spendenden Privatpersonen und Konzerne hier nur aus altruistischen Motiven agieren. Vielmehr erhoffen sie sich Einfluss auf den Wahlkampf und zukünftige politische Entscheidungen - wie etwa der Bitpanda-Chef in einem Interview mit Table Media bestätigte - oder auch politische Nähe. Und das scheint zu funktionieren: So hat eine Recherche von correctiv kürzlich aufgedeckt, dass sich die Forderungen der Chemie-, Finanz- und Metall-Lobby – die zu den größten Geldgeber:innen der CDU gehören – nahezu eins zu eins im Wahlprogramm der CDU wiederfinden.
In dieses Bild passen auch die Enthüllungen einer neuen Recherche von abgeordnetenwatch: Bundeskanzler Olaf Scholz lud am 29. Oktober 2024 die führenden Vertreter:innen der Automobil-, Stahl- und Chemiewirtschaft ins Kanzleramt zu einem Wirtschaftsgipfel. Wenige Wochen später forderte er in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen genau jene Maßnahmen, die ihm die Wirtschaftsvertreter:innen zuvor nahegelegt hatten. Auch die Chemie- und Metall-Lobby zählt zu den Großspender:innen der SPD.
Das ist ein Alarmsignal: Großspenden und Unternehmensspenden gefährden die Unabhängigkeit von Parteien und verzerren den Wettbewerb um die besten politischen Ideen in der Politik.
Eine Obergrenze für Parteispenden ist überfällig
Nach Ansicht von fast zwei Drittel der Befragten (61 %) sind die bisherigen Parteispendenregeln nicht streng genug. Sie sprechen sich für eine Obergrenze für Parteispenden von Privatpersonen aus. Diese Meinung wird mehrheitlich von den Anhänger:innen aller im Bundestag vertretenen Parteien – außer der FDP – geteilt. Die höchsten Zustimmungswerte hierzu finden sich abermals in der Gruppe der 30- bis 44-Jährigen (63 %) sowie bei Frauen, von denen sich zwei Drittel (66 %) für eine Obergrenze aussprechen.
Vor dem Hintergrund dieser klaren Positionierung der Bürger:innen, ist es umso erstaunlicher, dass nur zwei Parteien – Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke – eine Obergrenze für Parteispenden in ihr Wahlprogramm aufgenommen haben. SPD, CDU/CSU, BSW und AfD ignorieren damit den Wunsch vieler ihrer Wähler:innen nach einer Obergrenze für Parteispenden. Diese Kluft zwischen dem Willen der Bürger:innen und den Positionierungen der meisten Parteien im Bundestagswahlkampf hat das Potenzial, das Vertrauen in die Parteien und die Demokratie weiter zu beschädigen. Um dem entgegenzuwirken und die Meinungen der Parteianhänger:innen – im Fall der SPD sind es sogar mehr als zwei Drittel (69 %), im Fall der CDU/CSU immerhin 56 % – ernst zu nehmen, sollten sich auch die anderen Parteien für eine Obergrenze für Parteispenden stark machen.
Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher
In Deutschland nehmen die Rekordspenden an einzelne Parteien kein Ende. Fast 23 Millionen Euro sind bereits seit dem Ende der Ampelkoalition im November an deutsche Parteien geflossen. In keinem anderen EU-Land fließen so viele Parteispenden: Eine Erhebung u.a. von ZDF, Follow the Money und Lobbycontrol kam zu dem Schluss, dass die deutschen Parteien zwischen 2019 und 2022 zwei Drittel aller Spenden an Parteien in der EU erhalten haben. Insgesamt waren die Zuwendungen an Parteien von Privatpersonen, Unternehmen und Mandatsträger:innen in Deutschland mehr als zehnmal so hoch wie die Zuwendungen in den anderen analysierten Ländern. Dies zeigt, wie wichtig eine Obergrenze für Parteispenden gerade hierzulande wäre. Es kann nicht sein, dass Vermögende und Konzerne so viel spenden können, wie sie möchten, ohne jegliche Begrenzung nach oben. Frankreich und Spanien sowie 17 weitere EU-Länder, die schon längst die notwendige Obergrenze für Parteispenden eingeführt haben, sind hier ein Vorbild. Die nächste Bundesregierung muss ihre Standards diesbezüglich dringend nachziehen.
Für die Union, SPD und FDP ist es eine verpasste Chance, dass sie Parteispenden bis heute nicht gedeckelt haben. Denn die AfD hat mit mehreren dubiosen Millionenspenden die höchsten Einzelspenden seit Anfang 2025 erhalten. Auffällig ist dabei, dass bei mehreren Spender:innen nicht hundertprozentig klar ist, wer genau - bzw. wessen Gelder - dahinter stecken. Allein die ominöse millionenschwere Wahlplakatspende eines Ex-FPÖ-Funktionärs aus Österreich sowie die AfD-Wahlwerbung von Elon Musk über seine Online-Plattform X verschaffen der Partei außerordentlich viel Gehör und Reichweite.
Prof. Sophie Schönberger, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Düsseldorf, sieht derartige Großspenden und die Parteispendenregeln kritisch, siehe ihre Stellungnahme in der Süddeutschen Zeitung zum Thema:
„Durch solch hohe Spendensummen ergibt sich zwar kein direkter Einfluss auf das Wahlergebnis Ende Februar, aber „es besteht die Gefahr, dass politischer Einfluss durch Geld genommen wird, gerade bei erheblichen Summen“, erklärt Sophie Schönberger, Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung in Düsseldorf. Zwar sei es legal, den Parteien Geld zu spenden. Das Bundesverfassungsgericht sehe diese Spendenmöglichkeit als Zeichen gesellschaftlicher Verankerung, so Schönberger. „Das ist eine Annahme, die man zunehmend infrage stellen muss.“
(Direkte und indirekte Zitate übernommen aus dem Artikel der Süddeutschen Zeitung, erschienen am 09.02.2025)
Um zu verhindern, dass einzelne Vermögende über die deutsche Politik entscheiden und den Wahlkampf manipulieren, brauchen wir dringend eine Obergrenze für Parteispenden! Mit dieser Forderung stehen wir nicht allein da – mehr als 70.000 Menschen haben unsere Petition bereits unterzeichnet und fordern mit uns eine Obergrenze für Privatspenden an politische Parteien.