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Umfrage

Geld oder Glaubwürdigkeit? Wie Großspenden das Vertrauen in Parteien zerstören

Unsere neue Umfrage mit Forsa bestätigt: Großspenden von Konzernen und Privatpersonen gefährden das Vertrauen der Bürger:innen in die Demokratie. Doch nicht nur das – die meisten Parteien ignorieren das Problem und sehen zumindest laut ihren Wahlprogrammen keinen Nachbesserungsbedarf bei den Parteispendenregelungen. Dabei sind sich die Anhänger:innen fast aller Parteien einig: Es braucht eine Obergrenze für Parteispenden, um deren Einfluss auf die Politik einzuhegen. 

von Lara Siever, 13.02.2025

Vertrauensverlust in die Parteien und die Demokratie

Weniger als die Hälfte (42,3 %) der Deutschen sind mit der Demokratie, wie sie in Deutschland funktioniert, zufrieden; das sind gut 15 % weniger als noch zwei Jahre zuvor, so die letzte Erhebung für die Leipziger Autoritarismus Studie im Frühjahr 2024. Auch das Vertrauen in die Parteien ist von 17 % im Jahr 2017 auf 9 % in 2024 dramatisch gesunken. Demnach hat nur noch knapp jede:r Zehnte Vertrauen in die Parteien – so die Umfrage „Demokratie in der Krise“, die im Sommer 2024 von policy matters im Auftrag der Körber-Stiftung durchgeführt wurde. 

Angesichts des massiven Anstiegs von Großspenden von Konzernen und vermögenden Privatpersonen an Parteien im Bundestagswahlkampf, wollten wir herausfinden, wie die Bürger:innen Parteispenden wahrnehmen. Dazu haben wir das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit einer repräsentativen Umfrage beauftragt, die Ende Januar/Anfang Februar 2025 durchgeführt wurde. Die Ergebnisse machen deutlich: Die Bürger:innen glauben, dass sich mit Parteispenden politische Einflussnahme kaufen lässt. Hier steht nicht weniger als die Integrität des politischen Systems infrage. Diese Erkenntnisse bestärken unsere Forderungen nach weitreichenden und wirksamen Reformen des Parteiengesetzes. 

Im Folgenden geben wir einen detaillierten Einblick in die Umfrage-Ergebnisse und ordnen sie im Kontext der aktuellen Entwicklungen der Parteispenden ein: 

Großspenden manipulieren Parteien und Politik

91 % der Befragten glauben, dass Großspenden politische Entscheidungen von Parteien beeinflussen; mehr als zwei Drittel (67 %) davon sehen dabei sogar einen großen Einfluss. Diese Meinung wird von den Befragten durch alle Bevölkerungsgruppen hinweg geteilt – unabhängig vom Geschlecht, Bildungsstand, von einer Ost-/West-Zugehörigkeit oder Parteipräferenzen. 

Die höchsten Zustimmungswerte zum Einfluss von Großspenden auf politische Entscheidungen finden sich in der Gruppe der 30- bis 44-Jährigen (94 % sehen einen Einfluss, davon 73 % großen Einfluss). Während die Anhänger:innen aller im Bundestag vertretenen Parteien Großspenden einen Einfluss auf politische Entscheidungen zuschreiben, gehen die Anhänger:innen der FDP zwar auch mehrheitlich, aber etwas seltener als die der anderen Parteien, von einem besonders „großen Einfluss“ aus. 

Frage 1 nach Parteien Balkendiagramm

Der Anstieg von Groß- und Lobbyspenden, oft aus fragwürdigen Quellen, verstärkt das Misstrauen der Bürger:innen. Wirtschaftsnahe Parteien, so zeigen es die bisherigen Spenden seit dem Ampel-Aus, profitieren ganz besonders von Großspenden. Dabei ist nicht anzunehmen, dass die spendenden Privatpersonen und Konzerne hier nur aus altruistischen Motiven agieren. Vielmehr erhoffen sie sich Einfluss auf den Wahlkampf und zukünftige politische Entscheidungen - wie etwa der Bitpanda-Chef in einem Interview mit Table Media bestätigte - oder auch politische Nähe. Und das scheint zu funktionieren: So hat eine Recherche von correctiv kürzlich aufgedeckt, dass sich die Forderungen der Chemie-, Finanz- und Metall-Lobby – die zu den größten Geldgeber:innen der CDU gehören – nahezu eins zu eins im Wahlprogramm der CDU wiederfinden.

In dieses Bild passen auch die Enthüllungen einer neuen Recherche von abgeordnetenwatch: Bundeskanzler Olaf Scholz lud am 29. Oktober 2024 die führenden Vertreter:innen der Automobil-, Stahl- und Chemiewirtschaft ins Kanzleramt zu einem Wirtschaftsgipfel. Wenige Wochen später forderte er in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen genau jene Maßnahmen, die ihm die Wirtschaftsvertreter:innen zuvor nahegelegt hatten. Auch die Chemie- und Metall-Lobby zählt zu den Großspender:innen der SPD.

Das ist ein Alarmsignal: Großspenden und Unternehmensspenden gefährden die Unabhängigkeit von Parteien und verzerren den Wettbewerb um die besten politischen Ideen in der Politik.

Eine Obergrenze für Parteispenden ist überfällig

Nach Ansicht von fast zwei Drittel der Befragten (61 %) sind die bisherigen Parteispendenregeln nicht streng genug. Sie sprechen sich für eine Obergrenze für Parteispenden von Privatpersonen aus. Diese Meinung wird mehrheitlich von den Anhänger:innen aller im Bundestag vertretenen Parteien – außer der FDP – geteilt. Die höchsten Zustimmungswerte hierzu finden sich abermals in der Gruppe der 30- bis 44-Jährigen (63 %) sowie bei Frauen, von denen sich zwei Drittel (66 %) für eine Obergrenze aussprechen.

Vor dem Hintergrund dieser klaren Positionierung der Bürger:innen, ist es umso erstaunlicher, dass nur zwei Parteien – Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke – eine Obergrenze für Parteispenden in ihr Wahlprogramm aufgenommen haben. SPD, CDU/CSU, BSW und AfD ignorieren damit den Wunsch vieler ihrer Wähler:innen nach einer Obergrenze für Parteispenden. Diese Kluft zwischen dem Willen der Bürger:innen und den Positionierungen der meisten Parteien im Bundestagswahlkampf hat das Potenzial, das Vertrauen in die Parteien und die Demokratie weiter zu beschädigen. Um dem entgegenzuwirken und die Meinungen der Parteianhänger:innen – im Fall der SPD sind es sogar mehr als zwei Drittel (69 %), im Fall der CDU/CSU immerhin 56 % – ernst zu nehmen, sollten sich auch die anderen Parteien für eine Obergrenze für Parteispenden stark machen. 

Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher

In Deutschland nehmen die Rekordspenden an einzelne Parteien kein Ende. Fast 23 Millionen Euro sind bereits seit dem Ende der Ampelkoalition im November an deutsche Parteien geflossen. In keinem anderen EU-Land fließen so viele Parteispenden: Eine Erhebung u.a. von ZDF, Follow the Money und Lobbycontrol kam zu dem Schluss, dass die deutschen Parteien zwischen 2019 und 2022 zwei Drittel aller Spenden an Parteien in der EU erhalten haben. Insgesamt waren die Zuwendungen an Parteien von Privatpersonen, Unternehmen und Mandatsträger:innen in Deutschland mehr als zehnmal so hoch wie die Zuwendungen in den anderen analysierten Ländern. Dies zeigt, wie wichtig eine Obergrenze für Parteispenden gerade hierzulande wäre. Es kann nicht sein, dass Vermögende und Konzerne so viel spenden können, wie sie möchten, ohne jegliche Begrenzung nach oben. Frankreich und Spanien sowie 17 weitere EU-Länder, die schon längst die notwendige Obergrenze für Parteispenden eingeführt haben, sind hier ein Vorbild. Die nächste Bundesregierung muss ihre Standards diesbezüglich dringend nachziehen

Für die Union, SPD und FDP ist es eine verpasste Chance, dass sie Parteispenden bis heute nicht gedeckelt haben. Denn die AfD hat mit mehreren dubiosen Millionenspenden die höchsten Einzelspenden seit Anfang 2025 erhalten. Auffällig ist dabei, dass bei mehreren Spender:innen nicht hundertprozentig klar ist, wer genau - bzw. wessen Gelder - dahinter stecken. Allein die ominöse millionenschwere Wahlplakatspende eines Ex-FPÖ-Funktionärs aus Österreich sowie die AfD-Wahlwerbung von Elon Musk über seine Online-Plattform X verschaffen der Partei außerordentlich viel Gehör und Reichweite. 

Prof. Sophie Schönberger, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Düsseldorf, sieht derartige Großspenden und die Parteispendenregeln kritisch, siehe ihre Stellungnahme in der Süddeutschen Zeitung zum Thema: 

„Durch solch hohe Spendensummen ergibt sich zwar kein direkter Einfluss auf das Wahlergebnis Ende Februar, aber „es besteht die Gefahr, dass politischer Einfluss durch Geld genommen wird, gerade bei erheblichen Summen“, erklärt Sophie Schönberger, Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung in Düsseldorf. Zwar sei es legal, den Parteien Geld zu spenden. Das Bundesverfassungsgericht sehe diese Spendenmöglichkeit als Zeichen gesellschaftlicher Verankerung, so Schönberger. „Das ist eine Annahme, die man zunehmend infrage stellen muss.“

(Direkte und indirekte Zitate übernommen aus dem Artikel der Süddeutschen Zeitung, erschienen am 09.02.2025)

Um zu verhindern, dass einzelne Vermögende über die deutsche Politik entscheiden und den Wahlkampf manipulieren, brauchen wir dringend eine Obergrenze für Parteispenden! Mit dieser Forderung stehen wir nicht allein da – mehr als 70.000 Menschen haben unsere Petition bereits unterzeichnet und fordern mit uns eine Obergrenze für Privatspenden an politische Parteien.

Verbotszeichen über einer Hand, die eine Überweisung über 1.000.000 € ausfüllt

Unternehmensspenden an Parteien verbieten, Privatspenden deckeln!

71.701 Menschen unterstützen die Petition
75.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

Illegitimer Einfluss auf Politik durch Konzerne

Ein Beispiel für illegitimen Einfluss von Unternehmensspenden auf Parteien sind die Spenden in Höhe von 1,75 Millionen Euro der Krypto-Handelsplattform Bitpanda GmBH an mehrere Parteien: Am meisten profitiert haben CDU, FDP und SPD, die jeweils eine halbe Million Euro erhielten, aber auch die CSU erhielt eine Spende des Unternehmens in Höhe von 250.000 Euro. Der Verdacht liegt nahe, dass sich der Kryptoriese mit diesen Megaspenden politisches Gehör und Einfluss erkaufen wollte. Denn kurz darauf ergänzte Bitpanda im Lobbyregister, dass es Gespräche mit Bundestagsabgeordneten und Ministerien führt. Solche Lobbyspenden, also Parteispenden, die konkret mit Lobbyismus für partikulare Interessen in Verbindung stehen, sind höchst problematisch: Sie bestätigen den Eindruck Vieler, dass Politik käuflich sei. Derartige Verquickungen von Parteispenden und Lobbyeinfluss verschärfen zudem den Vertrauensverlust vieler Bürger:innen, die sich von der Politik abwenden und resignieren.  

Der Politikwissenschaftler Professor Dr. Michael Koß, Leuphana Universität Lüneburg, sieht durch solche Großspenden die Chancengerechtigkeit der Bürger:innen gefährdet und spricht sich für eine Obergrenze für Parteispenden aus, siehe seine Stellungnahme in der Süddeutschen Zeitung dazu: 

„Spenden wie jene von Bitpanda fallen allerdings auf, findet Demokratieforscher Michael Koß von der Leuphana-Universität Lüneburg. Das Unternehmen ziele wohl auf bessere Bedingungen für Kryptowährungen ab. Spenden in solchen Höhen erwecken ihm zufolge den Verdacht, den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen. Jeder könne bei der Bundestagswahl seine Stimme abgeben, aber nicht jeder kann 200 000 Euro an eine Partei spenden, sagt Koß. In Zeiten, in denen das Ansehen von Politikern sinke, würden derartige Großspenden nicht gerade helfen. Dabei würden selbst Spenden von mehr als 10 000 Euro am Gesamtvermögen der Parteien in der Regel nicht mehr als fünf Prozent ausmachen: „Eine Deckelung der Spenden würde die Parteien nicht ins Mark treffen, aber ihr Ansehen erhöhen.“

(Direkte und indirekte Zitate übernommen aus dem Artikel der Süddeutschen Zeitung, erschienen am 09.02.2025)

Ein weiteres Beispiel ist die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG), die immer wieder großzügige Beträge an bestimmte Parteien vergibt: Seit dem Ampel-Aus erhielt die Union dabei mit 500.000 Euro den höchsten Anteil, die FDP erhielt immerhin noch 300.000 Euro, SPD und Die Grünen hingegen „nur“ 100.000 Euro. Mit der unterschiedlichen Höhe der Spenden machen Konzerne immer wieder deutlich, welche Parteien ihren Interessen am nächsten stehen und von wem sie sich als Dank für die Spende besonders viel Entgegenkommen in politischen Positionen erwarten. Als die DVAG einen Spendencheck in Höhe von 100.000 Euro an Friedrich Merz übergab und sich damit einen direkteren Draht zur CDU erkaufen wollte, deckten wir diesen Zusammenhang in einer Recherche auf. Die versuchte politische Einflussnahme von Konzernen durch solche verdächtigen Spenden schafft eine Zwei-Klassen-Demokratie, in der nicht alle Stimmen gleich viel wert sind.

Verbot von Unternehmensspenden an Parteien für Chancengerechtigkeit

Ein Verbot von Unternehmensspenden an Parteien wird von den Befragten unterschiedlich bewertet: Während 49 % der Meinung sind, dass ein solches Verbot ihr Vertrauen in die Demokratie erhöhen würde, meinen etwas weniger Befragte (48 %), dass ein Verbot keinen Einfluss darauf hätte. Die höchsten Zustimmungswerte zur Stärkung des Vertrauens in die Demokratie durch ein Verbot von Unternehmensspenden an Parteien finden sich in der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen (56 %) und der 30- bis 44-Jährigen (53 %). Die Umfrageergebnisse machen deutlich, dass es je nach parteipolitischen Präferenzen sehr unterschiedliche Positionen zum Verbot von Unternehmensspenden an Parteien gibt: Eine Mehrheit der Anhänger:innen von Die Linke (75 %), BSW (62 %), Die Grünen (61 %) und SPD (53 %) nimmt ein Verbot von Unternehmensspenden als vertrauensstärkende Maßnahme wahr. Unter den Anhänger:innen der anderen Parteien wird diese Einschätzung hingegen von deutlich weniger Menschen geteilt: 42 % bei AfD, 38 % bei CDU/CSU und 24 % bei FDP; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Mehrheit von ihnen meint, dass ein solches Verbot keinen Einfluss auf ihr Vertrauen in die Demokratie hätte. 

Trotz der breiten Zustimmung findet sich das Verbot von Unternehmensspenden nur im Wahlprogramm der Linken.

Für uns bedeutet das: Wir sind noch lange nicht am Ziel. Mehr als 70.000 Menschen setzen sich bereits mit uns für ein Verbot von Unternehmensspenden an Parteien ein. 

Verbotszeichen über einer Hand, die eine Überweisung über 1.000.000 € ausfüllt

Unternehmensspenden an Parteien verbieten, Privatspenden deckeln!

71.701 Menschen unterstützen die Petition
75.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

Gemeinsam bleiben wir dran und werden den Druck weiter erhöhen, damit der nächste Bundestag und die nächste Bundesregierung eine Nachschärfung der Parteispendenregeln auf den Weg bringt. Denn so viel ist klar: Es ist längst überfällig Unternehmensspenden an Parteien zu verbieten und Privatspenden zu deckeln!  

Wenn die Parteien die Umfrageergebnisse und deutlichen Meinungen der Bürger:innen ernst nehmen, dann müssen sie in Punkto Parteispenden glaubwürdiger werden und sich für weitreichende und wirksame Reformen stark machen. So haben sie die Chance, das verloren gegangene Vertrauen der Bürger:innen zurückzugewinnen und die Grundfeste unserer Demokratie zu stärken.

Lesen Sie hierzu auch:

Bundestagswahlkampf: Parteispenden in Deutschland: Eine Gefahr für die Demokratie (mit aktuellen Grafiken zu Entwicklungen bei Parteispenden)

Transparenz-Check der Parteien zur Bundestagswahl 2025: Wahlprogramme im Check: Was versprechen die Parteien für mehr Integrität und Transparenz?

Warum wir ein Verbot von Parteispenden fordern und welche Folgen dies hätte 

Analyse: Finanzen der Parteien: Wo die Parteien ihr Geld herbekommen

 

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