Von Ronald Pabst, Democracy International
Nicht zuletzt die ACTA-Proteste zeigen, dass die Bedeutung des Europäischen Parlaments stetig steigt. Wohl zum ersten Mal erwarten viele Menschen gespannt seine Entscheidung: Denn in einigen Ländern wurde die Verabschiedung des Abkommens zunächst ausgesetzt. Aufgeschreckt durch die Demonstrationen will man dort abwarten, wie europaweit entschieden wird. Schon das allein ist Grund genug, einmal genau hinzuschauen, wer uns dort eigentlich vertritt.
Die Wahlen zum Brüsseler Parlament sind rein national – in dem Sinne, dass die Wählerinnen und Wähler lediglich Parteien aus dem eigenen Land wählen können. Derzeit ist es unmöglich, Kandidaten aus anderen EU-Ländern zu wählen. Denn jedes Land hat eine gewisse Anzahl von Vertretern im Parlament – sie richtet sich nach der Bevölkerungsgröße. Allerdings haben kleine Staaten einen größeren Anteil, als ihnen rein nach der Bevölkerung zustehen würde. Dies ist so geregelt, damit sie überhaupt einen Einfluss haben. Und auch das einstmals während der EU-Beitrittsverhandlungen gezeigte Verhandlungsgeschick spielt eine Rolle. Polen etwa hat deswegen vergleichsweise viele Abgeordnete.
Der Anteil an Parlamentariern wird entsprechend dem Wahlergebnis auf die Parteien aufgeteilt. Folge: Ein Wahlkampf auf europäischer Ebene, mit europäischen Themen, findet schlicht nicht statt. In einer Zeit, in der Europapolitik längst Innenpolitik geworden ist, ist das längst ein unhaltbarer Zustand.
Selbst der Zugang zu den Wahlen ist ungleich. In manchen Ländern müssen Hürden überwunden werden, die für neue Parteien schlicht nicht zu meistern sind. Parteien müssen in Frankreich eine Million Euro aufbringen, um überhaupt landesweit antreten zu können. In anderen Ländern müssen absurd viele Unterschriften gesammelt: In Rumänien sind es etwa 200.000.
Nun liegt dem Europa-Parlament ein Gesetzentwurf vor, der die Wahlen in einigen Punkten verbessern will. Kernpunkt: 25 der 751 Abgeordneten sollen über transnationale Listen gewählt werden. Diese Listen sollen Kandidaten aus mindestens sieben EU-Ländern aufführen.
Jede Wählerin, jeder Wähler könnte bei der Europawahl zwei Kreuze machen: eines wie gehabt für eine nationale Partei, ein weiteres für eine der internationalen Listen. Die Wahl soll in Zukunft im Mai statt wie bisher im Juni angesetzt werden, damit das Parlament seinen Einfluss auf die Neu-Besetzung der EU-Kommission wahrnehmen kann. Dies ist aufgrund der engen Fristen bislang nur eingeschränkt möglich.
Der Vorschlag ist ein bescheidener Kompromiss – aber aktuell der einzige Vorschlag, der den Menschen in Europa mehr Rechte einräumen will. Derzeit ist offen, wie die Abstimmung ausgeht. Im Falle einer Ablehnung wäre der Vorschlag vom Tisch, eine weitere Debatte würde es frühestens nach der nächsten Wahl 2013 geben – wenn sich denn wieder Abgeordnete des Themas annehmen. Falls die Vorlage jedoch angenommen wird, gibt es seine Möglichkeit für eine weitgehende Reform. Denn dann würde das Parlament für die Einsetzung eines Konvents stimmen, der die Änderungen grundlegend diskutiert und eine Vertragsänderung vorlegt. Das ist eine große Chance.
Auf einer Kampagnenseite sammelt Democracy International Unterstützung für den Vorschlag. Durch die Kampagne nehmen mehr und mehr Abgeordnete die Abstimmung zur Kenntnis; viele wollen schon mit Ja stimmen. Mit ein paar Klicks auf der Homepage können Sie jetzt ein Zeichen für mehr Demokratie in Europa setzen.