CDU und CSU haben jahrelang eine gesetzliche Regelung blockiert, nun aber steht folgender Satz im Koalitionsvertrag: "Wir werden die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu regeln." Wie dieser Passus zu verstehen ist, hat eine namentlich nicht genannte Unionspolitikerin gerade der Süddeutschen Zeitung erzählt. Die SZ schreibt in ihrer heutigen Ausgabe:
Die Skepsis innerhalb der Union sei weiterhin groß. Es sei nach wie vor problematisch, die mandatsrelevante Tätigkeit von der Straftat abzugrenzen. "Die Bedenken unsererseits haben sich nicht in Luft aufgelöst", sagte eine Unionsvertreterin.
Dabei liegt seit über einem Jahr ein Gesetzesvorschlag von abgeordnetenwatch.de auf dem Tisch, der juristisch geprüft wurde und der eigentlich alle Bedenken ausräumen sollte:
§ 108 f StGB Vorteilsannahme durch Mandatsträger und Vorteilszuwendung
(1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände (Mandatsträger) für eine Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Mandats einen Vorteil für sich oder einen andern fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Dasselbe gilt für Mitglieder des Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates, der Europäischen Union oder der parlamentarischen Versammlung einer sonstigen internationalen Organisation.
(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Mandatsträger für eine Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Mandats einen Vorteil für diesen selbst oder einen anderen anbietet, verspricht oder gewährt.
(3) Vorteile sind geldwerte Zuwendungen an den Mandatsträger oder eine von diesem benannte Person ab einem Wert von 50 Euro.
Rechtsexperten von SPD, Grünen und Linken - und auch der frühere Rechtsausschussvorsitzende Siegfried Kauder von der CDU - halten den abgeordnetenwatch.de-Vorschlag für eine geeignete Grundlage, Abgeordnetenbestechung in Deutschland endlich umfassend unter Strafe zu stellen. Ihr eigener Gesetzesentwurf aus diesem Frühjahr basiert auf dem Vorschlag von abgeordnetenwatch.de. Allerdings wurde er wegen der bisherigen Blockade durch Union und FDP nie im Bundestag zur Abstimmung gestellt.
"Peinlich, peinlich" bzw. "Einfach nur noch peinlich" ist der angesprochene Artikel in der Print- bzw. Onlineausgabe der SZ überschrieben, in dem u.a. Wirtschaftsvertreter von Siemens und dem Chemieunternehmen Lanxess die künftige Bundesregierung zum Handeln auffordern: "Es ist ein Anachronismus, dass sich Deutschland in dieser Frage isoliert." Denn mit der jetzigen Gesetzeslage erfüllt Deutschland nicht einmal die Mindeststandards der Vereinten Nationen und kann im Gegensatz zu 168 Ländern eine UN-Konvention gegen Korruption nicht umsetzen:
Aus der Union verlautet, dass die Ratifizierung der UN-Konvention zwar wahrscheinlicher geworden, die genaue Umsetzung aber weiterhin unklar sei, schreibt die SZ.
Wir werden erneut das Gespräch mit Abgeordneten von CDU und CSU suchen, um den skandalösen Zustand abzustellen, dass Deutschland - genau wie Syrien, Nordkorea und Barbados - die Anti-Korruptionskonvention der UN noch immer nicht umgesetzt hat. Ein Lösungsvorschlag liegt auf dem Tisch. Jetzt ist die Union am Zug und muss darlegen, worin ihre Bedenken genau bestehen.
Nachtrag vom 11.12.2013:
Über die Frankfurter Rundschau hat sich heute der stellvertretende Fraktionschef von CDU/CSU, Günter Krings, zu Wort gemeldet, der nach eigenen Angaben einer gesesetzlichen Regelung bei Abgeordnetenbestechung schon seit längerem offen gegenüber steht:
Allerdings lag bislang kein verfassungsfester und vor allem praxistauglicher Vorschlag vor. Dieser muss so formuliert sein, dass jeder einzelne Abgeordnete wissen kann, was er darf und was nicht. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir in den nächsten vier Jahren eine gute Regelung erarbeiten werden.
Krings Worte passen allerdings nicht so recht zum Verhalten seiner Fraktion in den vergangenen Jahren. Anstatt eigene Vorschläge für eine verfassungsfeste und praxistaugliche Regelung zu machen, wurden CDU und CSU in der Vergangenheit nur dann aktiv, wenn es um die Verhinderung von Gesetzesvorschlägen der Opposition ging. Im Rechtsausschuss wurde das Thema Abgeordnetenbestechung mit schwarz-gelber Mehrheit insgesamt acht Mal von der Tagesordnung genommen. Noch im Mai fragte Fraktionsjustitiar Wolfgang Götzer im Deutschen Bundestag: "Wo also ist der Handlungsbedarf?"
Dass der Fraktionsspitze von CDU/CSU bislang nicht an einer konstruktiven Suche nach einer gesetzlichen Regelung gelegen war, zeigt die harrsche Kritik an den eigenen Parteifreunden, die der damalige Rechtsausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) bei einer abgeordnetenwatch.de-Pressekonferenz im Juni geäußert hatte:
- Frage von Reporterin: "Worin sehen Sie denn die Ablehnung [Ihres Antrags durch die Regierungskoalition] begründet?" - Kauder: "Wenn es jemand begründen würde wäre es schon mal gut. (...) Aber man taucht ab und lässt mich in die Abseitsfalle laufen. Man begründet es nicht mal."
- "Das Thema Abgeordnetenbestechung wurde im Rechtsausschuss siebenmal vertagt. Im Januar in jeder Sitzungswoche von mir auf die Tagesordnung gesetzt - jedes Mal kommentarlos vertagt. Man blockiert damit auch die Opposition, die eigene Vorschläge hat. (...) Blockade kann es nicht sein."
- "Als Regierungskoalition zu sagen, was die Opposition vorträgt machen wir nicht, ist zu wenig."
- "Ich habe am 24.4. unseren parlamentarischen Geschäftsführer angeschrieben und ihn gebeten das Thema für einen Gruppenantrag zu öffnen. Ich habe bis heute keine Antwort - das ist auch nicht die feine Art."
Schon bald wird sich zeigen, wie es um den angeblichen Willen von CDU/CSU bestellt ist, tatsächlich zu einer gesetzlichen Regelung in Sachen Abgeordnetenbestechung zu kommen.
Beim angehenden Koalitionspartner SPD gibt es offenbar schon konkrete Vorstellungen, wie ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung inhaltlich aussehen könnte. Um zu definieren, was ein Abgeordneter darf und was nicht, will die SPD bei einer Gesetzesänderung ungern feste Geldbeträge vorgeben. Entsprechend äußerte sich die stellvertretende Fraktionssprecherin Christine Lambrecht gegenüber der Frankfurter Rundschau.