Mit den Kampagnen von abgeordnetenwatch.de können Sie sich direkt an die Politik wenden. So machen wir gemeinsam Druck für mehr Transparenz in der Politik, mehr Bürgerbeteiligung und frei zugängliche Informationen.

Abgeordnetenbestechung: Mit wem will Seehofer eigentlich eine Gesetzesverschärfung durchsetzen?

Jahrelang haben Abgeordnete der CSU eine Gesetzesverschärfung bei Abgeordnetenbestechung hartnäckig blockiert, und nun das: Ausgerechnet ihr Parteichef Horst Seehofer sieht plötzlich "Gesetzgebungsbedarf". Wie konnte das passieren?

von Martin Reyher, 14.08.2013

Für den CSU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Götzer ist die Sache klar: Weil es keine korrupten Politiker gibt, braucht es auch kein Gesetz gegen korrupte Politiker. So einfach ist das.

Fraktionsjustiziar Götzer ist seit Jahren einer der hartnäckigsten Blockierer eines wirkungsvollen Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung. Weil sich Götzer und die Seinen mit dieser Haltung bislang erfolgreich durchgesetzt haben, steht Deutschland auf internationalem Parkett gleichermaßen isoliert wie blamiert da: Im Gegensatz zu 167 Staaten kann hierzulande nämlich eine UN-Konvention gegen Korruption seit 2003 nicht umgesetzt werden - es fehlt ein Gesetz, das Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten konsequent unter Strafe stellt.

Dieser Tage meldete sich CSU-Chef Horst Seehofer in der Causa zu Wort, und seine Einlassungen lesen sich auf den ersten Blick wie eine deftige Watsch'n für die Berliner Parteifreunde

Bevor wir pausenlos rechtfertigen, warum wir das Abkommen nicht ratifizieren, sollten wir es ratifizieren,

sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. Deshalb müsse man sich auch um den dafür notwendigen "nationalen Gesetzgebungsbedarf - Stichwort Abgeordnetenbestechung - kümmern". Sollte die Union nach der Bundestagswahl im September weiterhin an der Regierung beteiligt sein, wolle er das auch "in der Koalitionsvereinbarung" festlegen, so Seehofer, er empfinde dies als "notwendig". Ein Gesetz "beeinträchtige in keiner Weise die Ausübung des freien Mandats", dies sei "ja kein rechtsfreier Raum". Rumms!

Die Frage ist, wer von seinen Leuten eine Gesetzesverschärfung bei Abgeordnetenbestechung eigentlich beschließen soll. In der abgelaufenen Wahlperiode traten die Abgeordneten von Schwarz-Gelb gleich achtmal mit ganzer Kraft auf die Bremse, als das Thema im Rechtsausschuss behandelt werden sollte - auf Betreiben der Koalitionsmehrheit flog es jedesmal von der Tagesordnung. Selbst einen Gesetzesvorstoß ihres Fraktionskollegen Siegfried Kauder, der Vorsitzende des Rechtsausschusses, manövrierten die Unions-Abgeordneten ins Aus. Als dann in der vorletzten Plenarsitzung der Wahlperiode das Thema Abgeordnetenbestechung auf Antrag von SPD und Grünen überraschend auf die Tagesordnung kam, gaben die Parlamentarier von CDU, CSU und FDP ihre Ablehnung in einer namentlichen Abstimmung noch einmal offiziell zu Protokoll, ohne einen eigenen Vorschlag unterbreitet zu haben.

In einem Transparenz-Check hat abgeordnetenwatch.de in den letzten Wochen allen Direktkandidatinnen und -kandidaten zur Bundestagswahl die Gelegenheit gegeben, in Sachen Abgeordnetenbestechung folgende Selbstverpflichtung einzugehen: "Wenn ich in den Bundestag gewählt werde, setze ich mich für eine Gesetzesverschärfung ein." Von den 299 Unions-Kandidaten haben gerade einmal 25 die Selbstverpflichtung unterzeichnet. Unter den Befürwortern einer Gesetzesverschärfung befinden sich u.a. die CDU-Bundestagsabgeordneten Clemens Binninger, Reinhard Grindel, Axel Knoerig, Maria Michalk, Bernhard Schulte-Drüggelte, Uwe Schummer und Marco Wanderwitz - aber kein einziger Parlamentarier von Seehofers CSU.

Es drängt sich die Frage auf, warum der CSU-Chef sich nicht bereits vor Monaten mit einem flammenden Plädoyer eingeschaltet hat, als im Bundestag und Bundesrat über eine Gesetzesreform gestritten wurde? Eigene Gesetzesinitiativen, zum Beispiel über die Länderkammer, sind von Bayern nicht bekannt.

Und so entpuppt sich die Wortmeldung des CSU-Chefs vor allem als eines: als durchsichtiges Wahlkampfmanöver fünf Wochen vor dem Urnengang. Engagement gegen Korruption, so wird sich Seehofer gedacht haben, kommt immer gut, zumal im Amigo-erprobten Bayern.

Wir lassen uns gerne eines Besseren belehren. Andernfalls werden wir Horst Seehofer nach dem 22. September an die Sache mit dem Koalitionsvertrag erinnern. Versprochen.

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

Jetzt Petition unterzeichnen