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Abgeordnete verdienten mindestens 22,5 Mio. nebenher - jetzt alle Einkünfte offenlegen!

Was verdient ein Bundestagsabgeordneter neben seinem Mandat? Klar ist das dank mangelhafter Transparenzregeln im Bundestag nicht. Eine Mindestsumme lässt sich jedoch berechnen.

von Martin Reyher, 04.10.2012

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags haben nach unseren Berechnungen seit der Wahl im September 2009 mindestens 22,5 Mio. Euro nebenher verdient. Der Berechnung zugrunde liegen sämtliche monatlichen und jährlichen Einkünfte, die von den Parlamentariern gegenüber der Bundestagsverwaltung angegeben wurden. Tatsächlich dürfte die Summe aber sehr viel höher liegen. Denn ob ein Volksvertreter für einen Aufsichtsratsposten oder einen Vortrag 10.000 oder 100.000 Euro kassiert, muss er nach den geltenden Veröffentlichungspflichten des Bundestags nicht darlegen. In diesem Fall reicht die einfache Angabe "Einkünfte über 7.000 Euro", das entspricht im Stufensystem des Bundestags der Höchststufe 3.

Die Problematik lässt sich am Beispiel von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück darstellen. 76 Vorträge mit einem Honorar von jeweils "über 7.000 Euro" hat der frühere Finanzminister seit 2009 gehalten, dafür kassierte er also mindestens 532.000 Euro. Nach Recherchen des Politikmagazins Kontrovers im Bayerischen Rundfunk kostet ein Steinbrück-Vortrag einen Auftraggeber aber 20.000 Euro. Demnach lägen die Gesamteinkünfte bei weit über einer Millionen Euro.

Für tatsächliche Aufklärung sorgen die derzeitigen Regeln also nicht. Doch anstatt Transparenz bei Nebeneinkünften herzustellen, tritt eine Mehrheit im Bundestag seit über einem Jahr mit voller Kraft auf die Bremse. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag, durch den Abgeordnete ihre Bezüge künftig bis zu einem Betrag von 150.000 Euro in einem Stufensystem offenlegen müssten.

Die Blockade aus den Reihen der Abgeordneten ist auch deshalb erstaunlich, weil die allermeisten Volksvertreter von schärferen Offenlegungspflichten überhaupt nicht betroffen wären. Lediglich 193 der 620 Bundestagsabgeordneten haben zusätzlich zu ihren Diäten weitere Einkünfte. 126 von ihnen geben gegenüber der Bundestagsverwaltung zumindest einen Nebenverdienst in der Höchststufe 3, also "über 7.000 Euro", an (CDU: 59 / FDP: 25 / CSU: 18 / SPD 17 / Linke 5 / Grüne 2). Dabei handelt es sich beispielsweise um Honorarvorträge wie im Fall Steinbrück, um Aufsichtsrats- und Beiratsposten oder um Einkünfte aus Tätigkeiten von Selbstständigen, also etwa Rechtsanwälte, Unternehmensberater oder Landwirte. Offiziell gelten zwar auch Bezüge aus Partei- und Fraktionsämtern, Ministerposten oder das Gehalt der Bundeskanzlerin als Nebeneinkunft, doch diese sind nicht das eigentliche Problem.

Problematisch wird es, wenn es um mögliche Abhängigkeiten geht. Was kassiert beispielsweise der frühere Wirtschaftsminister und jetzige Bundestagsabgeordnete Michael Glos, neben Steinbrück ein anderer Großverdiener im Parlament, als Berater der milliardenschweren Beteiligungsgesellschaft RHJ International? Was zahlte Kabel Deutschland oder die Luxemburger Cable Holding dem ehemaligen

Forschungsminister und jetzigem MdB Heinz Riesenhuber für seine Beratertätigkeit? All das bleibt weitgehend im Dunkeln - weil eine Mehrheit im Bundestag es so will.

Damit muss endlich Schluss sein! Seit Jahren fordert abgeordnetenwatch.de die komplette Offenlegung von Nebeneinkünften ab dem ersten Euro. Nur dann können sich die Bürgerinnen und Bürger ein eigenes Bild davon machen, ob unsere Volksvertreter unabhängig sind. Aus so gut wie allen Parteien wird Peer Steinbrück inzwischen aufgefordert, seine Honorare und die Auftraggeber detailliert offenzulegen. Das ist zwar richtig, aber nicht konsequent. Denn nicht nur der SPD-Kanzlerkandidat sollte vollkommen transparent machen, von welchen Unternehmen er Gelder erhalten hat, sondern alle Volksvertreter mit Nebeneinkünften. Das könnte man noch vor der Wahl durch eine grundlegende Reform der Offenlegungspflichten machen!

Wir werden alle jene Politiker, die nun von Peer Steinbrück Transparenz bei seinen Einkünften einfordern, an ihren Taten messen. Die aktuelle Diskussion über Transparenz und Nebeneinkünfte ist eine große Chance, die Offenlegungsregeln zu verschärfen. Nutzt sie!

Mitarbeit: Mathias Rakow

Dem Autor bei Twitter folgen: @mareyher

Nachtrag: Einen interessanten Aspekt bringt Hans-Martin Tillack vom STERN in die öffentliche Diskussion um die Nebentätigkeiten von Peer Steinbrück ein:

Viele seiner Reden wurden von Agenturen vermittelt, wer wirklich der zahlende Kunde war, ist bisher unbekannt. Und hat Steinbrück all die Vorträge - es waren 80 - wirklich allesamt frei gehalten oder selbst geschrieben, für die er sich bezahlen ließ? Oder lieferten nicht doch auch die Mitarbeiter seines Bundestagsbüros zu? Trug also der Steuerzahler die Kosten für Vorträge, für die Steinbrück privat kassierte?

Update 5.10.2012: Peer Steinbrück lenkt ein und will in den nächsten Wochen für Transparenz bei seinen Honorarvorträgen sorgen. Der BILD-Zeitung sagte er:

Wenn die Arbeit in zwei bis drei Wochen abgeschlossen ist, werden Auftraggeber, Ort und Thema jedes einzelnen Vortrages veröffentlicht. Außerdem werde ich das durchschnittliche Honorar der bezahlten Vorträge vor und nach Steuern in den Jahren 2009 bis 2012 veröffentlichen.

Auf die Frage, warum er nicht jedes einzelne Honorar offenlege, erklärte Steinbrück:

Das ist so gut wie unmöglich, denn dazu müsste jeder Vertragspartner einzeln um Erlaubnis gefragt werden. Wenn nur ein Vertragspartner nicht zustimmt, hängen Sie am Fliegenfänger nach dem Motto: Das ist ja wieder nicht vollständig. Aus der Gesamtsumme der Honorare eine Durchschnittssumme zu veröffentlichen, liegt allerdings in meiner Hand.

An die schwarz-gelbe Koalition gerichtet sagte der SPD-Kanzlerkandidat:

Ich schlage hiermit vor, die Transparenzregeln des Deutschen Bundestages so zu verschärfen, dass alle Angeordnete auf Heller und Pfennig angeben müssen, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt worden sind. Ich fordere Union und FDP auf, einer solchen Neuregelung zuzustimmen. Außerdem fordere ich CDU und FDP auf, Abgeordnetenbestechung in Zukunft endlich unter Strafe zu stellen. Ich bin gespannt, ob Frau Merkel, Herr Westerwelle und Herr Seehofer dies unterstützen.

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Wer sind die Spitzenverdiener im Bundestag? Mit dem Bundestagsradar von SPIEGEL ONLINE und abgeordnetenwatch.de finden Sie es heraus. Bewegen Sie dazu einfach den Schieberegler auf der linken Seite, um die Höhe der Nebeneinkünfte einzustellen. Jedes farbige Quadrat im angedeuteten Bundestagsplenum entspricht einem Abgeordneten, den Sie für weitere Informationen anklicken können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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