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Internes Bundestagsgutachten empfiehlt schärferes Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung

Ein internes Bundestagsgutachten lässt kein gutes Haar am bestehenden Gesetz zur Bestrafung von Abgeordnetenbestechung: Deutschland erfülle nicht einmal einen globalen Mindeststandard, schärfere Regeln seien notwendig. Doch das stört eine Mehrheit im Parlament überhaupt nicht: Sie blockiert seit Jahren erfolgreich eine Gesetzesänderung.

von Martin Reyher, 16.08.2012

In Sachen Korruptionsbekämpfung befindet sich Deutschland in keiner allzu feinen Gesellschaft: Seit Jahren weigern sich Staaten wie Syrien und Saudi-Arabien, eine UN-Konvention gegen Korruption und Abgeordnetenbestechung umzusetzen - genau wie Deutschland. Vergangene Woche haben deswegen sogar führende deutsche Konzernchefs den Bundestag zum baldigen Handeln aufgerufen. Seit der Unterzeichnung der Konvention im Jahr 2003 wird die Ratifizierung im Parlament blockiert.

Dabei liegt den deutschen Volksvertretern seit vier Jahren ein internes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vor, dessen Kernaussage ziemlich eindeutig ist: In Sachen Abgeordnetenbestechung bestehe dringender „Reformbedarf“, eine "Erweiterung und Verschärfung" der Rechtslage sei notwendig.

Denn das bestehende Gesetz zur Bestrafung von Abgeordnetenbestechung ist nach Ansicht zahlreicher Juristen eine Mogelpackung. Es stehe zwar "Abgeordnetenbestechung" im Titel, doch geregelt werde in Paragraph 108e des Deutschen Strafgesetzbuches nur ein kleiner Teilbereich der politischen Korruption, nämlich der Stimmenkauf bzw. -verkauf von Mandatsträgern in parlamentarischen Gremien. Aber nicht einmal das ist grundsätzlich verboten: Nimmt ein Volksvertreter als Belohnung für sein Abstimmungsverhalten im Nachhinein eine "Dankeschön-Spende" an, geht er straffrei aus. Der Paragraph 108e sei alles in allem ein "Placebo-Gesetz" mit "Alibi-Charakter"', so das vernichtende Urteil in der einschlägigen Fachliteratur, das in dem Rechtsgutachten des Bundestags angeführt wird. Im Gegensatz zu Beamten oder Richtern haben Abgeordnete im Fall von Bestechung, Vorteilsnahme oder -gewährung strafrechtlich also so gut wie nichts zu befürchten.

An diesem Zustand soll sich nach dem Willen mancher Volksvertreter auch künftig nichts ändern. "Ich sehe keinen Regelungsbedarf," erklärte der Vorsitzende des Bundestagsrechtsausschusses, Siegfried Kauder, vergangenen Freitag im Deutschlandradio Kultur. Durch schärfere Gesetze, so Kauder und viele seiner Kollegen, würden Abgeordnete in der freien Ausübung ihres Mandats gehindert.

Die Autoren des Gutachtens kommen allerdings zu dem Ergebnis, "dass eine Privilegierung der Abgeordneten keinesfalls zwingend oder aus den Eigenarten des politischen Geschehens zu rechtfertigen ist." Im Klartext: Das im Grundgesetz festgeschriebene "freie Mandat" kann nicht per se als Argument gegen schärfere Anti-Korruptionsgesetze ins Feld geführt werden. Ein Vergleich mit anderen Ländern zeige, dass "die Abgeordnetenbestechung im Ausland als strafwürdiges Unrecht behandelt wird". Aus verfassungsrechtlicher Sicht spreche hierzulande beispielsweise überhaupt nichts dagegen, "übermäßig dotierte Nebentätigkeiten unter den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung" zu fassen.

In Deutschland ist der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung bislang derart eng gefasst (Stimmenkauf), dass man von einer "praktisch bedeutungslosen 'symbolischen Gesetzgebung'" sprechen kann. So steht es in einem Urteil des Bundesgerichtshofs zum Wuppertaler Korruptionsskandal von 2006. In den ersten 14 Jahren seit Einführung des Paragraphen 108e in das deutsche Strafgesetzbuch habe es überhaupt erst eine einzige Verurteilung gegeben, heißt es in dem wissenschaftlichen Gutachten des Bundestags. Fazit der Parlamentsjuristen:

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH und der Kritik in der juristischen Literatur erscheint § 108e StGB im Ergebnis mithin nicht als ausreichende strafrechtliche Regelung der Abgeordnetenbestechung.

Dieser gesetzliche Missstand führt zu der Peinlichkeit, dass Deutschland im Gegensatz zu 161 anderen Ländern bislang noch immer nicht die 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption umsetzen konnte. Denn selbst die darin festgesetzten "globalen Mindeststandards" (Gutachten) der Vereinten Nationen, die zur Ratifizierung erforderlich sind, werden von Deutschland bislang nicht erfüllt - wegen der unzureichenden Regelung in § 108e StGB. Damit liege die Bundesrepublik im internationalen Vergleich "unter den Schlusslichtern", heißt es in der Expertise, die abgeordnetenwatch.de vorliegt.

Müsste Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption tatsächlich eines Tages umsetzen, weil die Mehrheit der Abgeordneten ihre Blockadehaltung aufgibt, hätte dies für die Volksvertreter weitreichende Auswirkungen. Denn unter die Vorgaben der UNO fallen "umfassende Offenlegungspflichten bezüglich der Nebentätigkeiten, Kapitalanlagen, Vermögenswerte und erhaltener Vergünstigungen oder Geschenke", heißt es in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Auch in Sachen Parteienfinanzierung fordere die Konvention "eine höchstmögliche Transparenz".

Derlei Maßnahmen seien hierzulande jedoch gar nicht notwendig, findet der einflussreiche Abgeordnete Siegfried Kauder, der beim Thema UN-Konvention seit Jahren auf die Bremse tritt. Denn Transparenz gebe es in Deutschland bereits zu genüge - dafür würden schließlich schon die Medien sorgen. "Die Presse", meint Kauder, "ist ein besseres Aufsichtsorgan, als die Staatsanwaltschaft das je sein kann."

Hinweis: Über die Seite fragdenstaat.de kann das Gutachten angefordert werden.

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abgeordnetenwatch.de hat am Freitag eine Petition gestartet, in der die Mitglieder des Deutschen Bundestags aufgefordert werden, sich für die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption einzusetzen. Bis heute wurde die Petition von über 7.000 Menschen gezeichnet.

Die Petition können Sie auch über dieses Formular mitzeichnen: Einfach ausdrucken, ausfüllen, unterschreiben und per Post oder Fax an uns schicken.

Bis zum 17. Oktober, wenn sich der Rechtsausschuss mit dem Thema befasst, wollen wir mindestens 10.000 Unterschriften gesammelt haben. Diese werden wir im Deutschen Bundestag überreichen.

Was kann ich tun?

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