Der Koalitionsvertrag der 2012 gewählten Regierungskoalition las sich gut: Mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung versprachen SPD, Grüne und SSW, und auch für die Offenlegung der Nebenverdienste wollten sie sorgen. Auf Letzteres wartete man bislang vergeblich, doch das soll sich nun ändern.
Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat die Regierungskoalition noch einen Gesetzesentwurf zur Offenlegung der Nebeneinkünfte vorgelegt. Von der "Pflicht zur genauen Ausweisung der Höhe der Nebenverdienste“, so wie im Koalitionsvertrag angekündigt, ist dort allerdings keine Rede mehr. Denn angeben sollen die Landtagsabgeordneten ihre Nebenverdienste nicht etwa in Euro und Cent, sondern in groben Gehaltsstufen. Stufe 1 soll jährliche Einkünfte bis 1.000 Euro erfassen, Stufe 2 Einkünfte bis 2.500 Euro, Stufe 3 Einkünfte bis 5.000 Euro usw. Ab Stufe 7 sind 30.000 Euro-Schritte vorgesehen. Duch ein solches Stufensystem bleiben unter Umständen hohe Summen im Dunkeln. Im Fall des NRW-Landtags sind es beispielsweise bis zu 700.000 Euro seit Anfang 2015, als die dortigen Offenlegungspflichten in Kraft traten.
Und noch ein anderer Punkt fällt bei den Nebeneinkunftsplänen der Kieler Regierungskoalition ins Auge: Gelten wird die Veröffentlichungspflicht nicht etwa für die derzeitigen Abgeordneten, sondern erst für den im Mai 2017 gewählten Landtag.
Vergangenen Freitag sollte im Landtag eigentlich eine Debatte über den Regierungsentwurf auf der Tagesordnung stehen, doch diese wurde kurzfristig abgesetzt. Nun liegt das Thema im Innen- und Rechtsausschuss. Anfang 2017 sollen die Offenlegunggspflichten dann beschlossen werden.
In den allermeisten Ländern gibt es Veröffentlichungsregeln - in Schleswig-Holstein nicht
Die Piraten, deren Gesetzentwurf zur Offenlegung von Nebeneinkünften 2013 von den übrigen Landtagsfraktionen abgelehnt wurde, kritisierten das Vorgehen der Regierungskoalition: “Das im Koalitionsvertrag gegebene Versprechen, die genaue Höhe der Nebenverdienste auszuweisen, wird gebrochen. Wie auf Bundesebene werden nur Stufen ausgewiesen, sodass die tatsächliche Höhe der Nebeneinkünfte vollkommen im Dunkeln bleibt - gerade bei hohen Einnahmen.“ Der Gesetzentwurf entpuppe sich als „fauler Kompromiss“, so der Fraktionsvorsitzende der Piraten, Patrick Breyer.
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Hans-Jörn Arp, betonte, dass die Abgeordneten der CDU kein Problem mit der Offenlegung ihrer Nebeneinkünfte hätten. Durch eine Offenlegung dürften jedoch keine beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Die oppositionelle CDU verhandelt derzeit mit der Regierungskoalition über die Ausgestaltung des Gesetzes.
Schleswig-Holstein ist bis heute eines der wenigen Bundesländer, in denen die Abgeordneten ihre Einkünfte aus Nebentätigkeiten nicht offenlegen müssen. Vollkommen unverständlich ist, warum SPD, Grüne und SSW das Thema so lange vor sich hergeschoben haben. Nun soll kurz vor der Landtagswahl im kommenden Mai noch schnell ein Gesetz verabschiedet werden, das erst in der nächsten Legislaturperiode zum Tragen kommen wird. Konsequenz: Keine Wählerin und kein Wähler kann sich vor dem Urnengang ein Bild davon machen, welche Abgeordneten Geld von Unternehmen oder Verbänden erhalten.
Update 23.12.2016: Die CDU-Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein will den Gesetzentwurf der Regierungskoalition deutlich abschwächen. Nach dem Willen der Christdemokraten soll es bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht kein Ordnungsgeld mehr geben. Dies geht aus einem Änderungsantrag der CDU hervor. Im Gesetzentwurf von SPD, Grünen und SSW ist dagegen von einem "Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung" die Rede. Außerdem will die CDU die Nebeneinkünfte von Abgeordneten hinter noch groberen Gehaltsstufen verstecken als bislang geplant. Anders als im Gesetzentwurf der Koalition soll es eine nach oben hin offene Höchststufe geben. Dies bedeutet, dass sämtliche Einkünfte von mehr als 250.000 Euro im Dunkeln bleiben. Ob ein Abgeordneter 250.001 Euro oder mehrere Millionen Euro nebenher verdient, würde für die Öffentlichkeit nicht ersichtlich. Die CDU orientiert sich dabei an dem sog. 10-Stufen-Modell des Bundestages. Nach abgeordnetenwatch.de-Recherchen vom August lassen sich auf diese Weise Millionensummen vor der Öffentlichkeit verbergen. Die Regierungskoalition strebt offenbar eine einvernehmliche Lösung mit den Oppositionsfraktionen CDU und FDP an. Dahinter steckt offenbar die Sorge, dass nach der Landtagswahl im kommenden Mai eine neue Regierungsmehrheit die Offenlegungspflichten wieder rückgängig machen könnte.
Update 15.03.2017: Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW wollen ihren eigenen Gesetzentwurf zur Transparenz bei Nebeneinkünften aufweichen. Anstatt die konkreten Einkünfte individuell aufzuführen, wie es etwa im Bundestag Pflicht ist, sollen Schleswig-Holsteins Landtagsabgeordnete künftig nur ein monatliches Durchschnittseinkommen angeben müssen. Dies geht aus einem Änderungsantrag vor, den die drei Parteien kurz vor der Verabschiedung im Innen- und Rechtsausschuss vorgelegt haben. Außerdem soll der Parlamentspräsident "Ausnahmen" von der Veröffentlichungspflicht zulassen können.