Bestechlichkeit, Beleidigung, Urheberrechtsverletzung

Gegen diese Abgeordnete laufen Verfahren

Gegen sechs Abgeordnete von AfD und FDP laufen nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de Verfahren. Es geht u.a. um Bestechlichkeit, Beleidigung und Urheberrechtsverletzung. Andere mussten bereits hohe Summen zahlen, ein Abgeordneter erhielt eine Freiheitsstrafe.

von Lisa Wölfl und Martin Reyher, 17.02.2025
Bundestagsplenum

In der vorletzten Sitzungswoche vor der Bundestagswahl ging es um Bestechung durch Parteispenden. Diesen Vorwurf erhebt die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen den FDP-Politiker Friedhelm Boginski. Um den Weg für eine Anklage freizumachen, hatte die Strafverfolgungsbehörde beim Bundestag die Aufhebung von Boginskis Immunität beantragt das Parlament stimmte am 30. Januar zu.

Boginski ist einer von zwölf Abgeordneten, denen der Bundestag in der aktuellen  Wahlperiode die Immunität entzogen hat. Bei sechs Abgeordneten sind die Verfahren inzwischen abgeschlossen. Sie endeten mit Auflagen, Strafbefehlen und rechtskräftigen Urteilen.

Fünf AfD-Politiker und ein FDP-Abgeordneter betroffen

Gegen sechs weitere Abgeordnete laufen dagegen Ermittlungs-, Disziplinar- oder Strafverfahren vier von ihnen kandidieren bei der anstehenden Bundestagswahl. Das zeigen Recherchen von abgeordnetenwatch.de bei Gerichten und Staatsanwaltschaften.

Die Immunität der Abgeordneten erklärt

Bundestagsabgeordnete sind grundsätzlich vor rechtlicher Verfolgung geschützt. Die Immunität soll Abgeordnete besonders vor politisch motivierten Klagen schützen.

Will eine Behörde etwa ein Strafverfahren einleiten, eine:n Abgeordnete:n festnehmen oder eine Hausdurchsuchung anordnen, braucht sie dafür die Genehmigung des Bundestags.

Nicht erforderlich ist eine Genehmigung, wenn Abgeordnete auf frischer Tat ertappt oder kurz darauf festgenommen werden. 

In der laufenden Legislaturperiode wurde die Immunität von 12 Abgeordneten aufgehoben. Zwischen 2017 und 2021 waren es 18 Parlamentarier:innen. 

Häufig haben die Verfahren finanzielle Folgen. Insgesamt sieben Abgeordnete von AfD und FDP müssen Geldbußen, Ordnungsgelder und Auflagen zahlen. Die Gesamtsumme beläuft sich auf mindestens 96.400 Euro. Davon strittig sind Zahlungen in Höhe von 39.000 Euro, hier sind noch Verfahren anhängig. 

Das sind die laufenden Verfahren gegen Bundestagsabgeordnete 

Strafverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit: Friedhelm Boginski, FDP

Gegen den FDP-Abgeordneten will die Staatsanwaltschaft Neuruppin Anklage wegen Bestechlichkeit erheben, wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigte. In seinem früheren Amt als Bürgermeister der brandenburgischen Stadt Eberswalde soll Boginski gegen die Zahlung von Parteispenden dafür gesorgt haben, dass ein Bauinvestor bei einem städtebaulichen Vertrag bevorzugt behandelt wurde. Den Fall deckte der RBB 2022 auf.

Der Abgeordnete Friedhelm Boginski beugt sich über das Rednerpult.
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit gegen Friedhelm Boginski, FDP

“Ich habe von Beginn an betont, dass ich mir kein rechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen habe und bin nach wie vor dieser Meinung”, sagte Boginski gegenüber abgeordnetenwatch.de. Inhaltlich werde er sich zum laufenden Verfahren nicht äußern. Boginski tritt bei der kommenden Bundestagswahl nicht mehr an.

Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche (derzeit ausgesetzt): Petr Bystron, AfD

Die Ermittlungen gegen den AfD-Politiker stehen seit Juli 2024 still. Bystron soll während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter mehrere zehntausend Euro von einem pro-russischen Internetportal erhalten haben, um im Gegenzug im Sinne Russlands zu agieren. Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft ihm Bestechlichkeit und Geldwäsche vor.

Unter anderem wegen dieser Vorwürfe entzog der Bundestag Bystron sechs Mal die Immunität. In der Folge durchsuchten die Ermittler:innen Bystrons Bundestagsbüro sowie mehrere Immobilien im In- und Ausland.

Petr Bystron
Ermittlungen gegen Petr Bystron, AfD, mussten pausiert werden

Da Bystron im Sommer 2024 ins EU-Parlament gewählt wurde, erhielt er erneut Immunität. Seitdem pausieren die Ermittlungen. Über einen Antrag der Generalstaatsanwaltschaft München aus dem Juli 2024 hat der zuständige Ausschuss noch nicht entschieden. Doch nun steht eine Abstimmung offenbar bevor (lesen Sie hier mehr: Staatsanwaltschaft kann seit Monaten nicht gegen AfD-Politiker Bystron ermitteln).

Bystron bestreitet sämtliche Vorwürfe. Auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de reagierte er nicht.

Verfahren wegen Urheberrechtsverletzung: Martin Sichert, AfD

Der AfD-Abgeordnete Martin Sichert, der bei der anstehenden Bundestagswahl erneut kandidiert, verlor seine Immunität Ende Januar.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg wirft Sichert vor, das Kunsturhebergesetz verletzt zu haben, wie ein Sprecher gegenüber abgeordnetenwatch.de mitteilte. Sichert selbst gibt an, Videomaterial verwendet zu haben, auf dem zu sehen ist, wie Jugendliche ein Mädchen demütigen. Die Urheberin des Videos ist eine der mutmaßlichen Mobbing-Täterinnen. Die Mutter habe ihn angezeigt.

Gegen eine Zahlung von 2.000 Euro wäre das Verfahren eingestellt worden. Sichert wollte diese nicht zahlen und bezeichnete das gängige Verfahren (Einstellung gegen Geldauflage) als “Erpressungsversuch”. 

Möglich ist, dass die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen Sichert beantragt oder es in weiterer Folge zu einer Hauptverhandlung vor Gericht kommt, sagte ein Sprecher auf Anfrage.

Disziplinarverfahren: Hannes Gnauck, AfD

Gegen den AfD-Abgeordneten Hannes Gnauck läuft ein Disziplinarverfahren. Medienberichten zufolge soll es um hetzerische Aussagen über Asylbewerber:innen und Migrant:innen während Gnaucks Zeit bei der Bundeswehr gehen. Eine Bundeswehrsprecherin wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren.

Gnauck bestätigte gegenüber abgeordnetenwatch.de, dass das Verfahren noch läuft. Auf die Frage, ob die mediale Darstellung zutrifft, antwortete er: Nein. Nachfragen zum Inhalt des Verfahrens ließ der AfD-Politik unbeantwortet. Er kandidiert wieder für den Bundestag.

Einstweilige Verfügung und laufendes Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung: Stephan Brandner, AfD

Immer wieder rückte der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner eine SPIEGEL-Journalistin in die Nähe des Faschismus. Weil er eine vom Gericht erlassene einstweilige Verfügung wiederholt verletzte, muss er insgesamt 50.000 Euro an Ordnungsgeld bezahlen.

Laut einer Sprecherin des Landgerichts Berlin II beglich Brandner bisher 20.000 Euro. Gegen das jüngste Ordnungsgeld von 30.000 Euro legte er Beschwerde ein. Das Verfahren läuft.

Stephan Brandner, AfD
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Beleidigung gegen Stephan Brandner, AfD

Zusätzlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Gera gegen Brandner wegen Beleidigung und Anstiftung zur Beleidigung in derselben Sache. Seit 2019 ist Brandner stellvertretender Bundessprecher der AfD. Bei der kommenden Wahl will er für seine Partei wieder in den Bundestag einziehen.

Auf eine Anfrage von abgeordnetenwatch.de reagierte Brandner nicht.

Verurteilung wegen Beleidigung (laufendes Revisionsverfahren): Martin Erwin Renner, AfD

Eine Verkäuferin in einem Tabakladen forderte den AfD-Abgeordneten im Februar 2021 auf, eine Corona-Schutzmaske aufzusetzen, da er nur eine Stoffmaske trug. Daraufhin soll Renner der Verkäuferin und dem Ladenbesitzer den Mittelfinger gezeigt haben.

Das Amtsgericht Mettmann verurteilte den AfD-Abgeordneten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 9.000 Euro.

Renner, der bei der anstehenden Bundestagswahl erneut kandidiert, bestreitet den mutmaßlichen Tathergang und legte Revision ein. Der Fall liegt nun bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf.

Eine Anfrage von abgeordnetenwatch.de ließ Renner unbeantwortet.

Auflagen, Buß- und Geldstrafen: Diese Abgeordneten mussten bereits zahlen

Verfahren wegen Beleidigung (nach Geldauflage eingestellt): Stephan Protschka, AfD

Der AfD-Abgeordnete bezeichnete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim politischen Aschermittwoch 2023 als “Landesverräter” und nannte ihn “Södolf”. Das Amtsgericht Deggendorf erließ einen Strafbefehl wegen Beleidigung, gegen den Protschka Einspruch einlegte. Mittlerweile wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt. Protschka zahlte 12.000 Euro.

“Mir ist es nicht darum gegangen, Söder zu beleidigen, sondern einen Beitrag zur politischen Auseinandersetzung zu leisten”, sagte Protschka, der bei der kommenden Wahl als Direktkandidat antritt, auf Nachfrage. Mit dem Ausgang des Verfahrens sei er zufrieden.

Verfahren wegen gewerbsmäßiger Untreue (nach Geldauflage eingestellt): Peter Heidt, FDP

Dem FDP-Politiker war vorgeworfen worden, als Rechtsanwalt Mandantengelder erst gar nicht und dann stark verspätet an seine Klient:innen weitergeleitet zu haben. Gegen eine Geldauflage in Höhe von 20.000 Euro wurde das Verfahren wegen des Verdachts auf gewerbsmäßige Untreue eingestellt. 

Die Vorwürfe ständen in keinem Zusammenhang mit seiner politischen Arbeit, erklärte Heidt auf Anfrage. Er will über die FDP-Landesliste Hessen wieder in den Bundestag einziehen.

Geldstrafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte: Karsten Hilse, AfD

Videoaufnahmen zeigen den AfD-Bundestagsabgeordneten Karsten Hilse bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei am Rande einer Großdemonstration im November 2020.

Weil er keine Corona-Schutzmaske trug, wollten Beamt:innen seine Personalien aufnehmen. Hilse widersetzte sich und rief: “Hey, ich bin Bundestagsabgeordneter, habt ihr ‘ne Scheibe, oder was? Ich bin deutscher Bürger!” Das zeigt ein Video, in dem Hilse später mit gefesselten Händen hinter dem Rücken am Boden liegend zu sehen ist.

Ein Berliner Gericht verurteilte ihn 2022 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamt:innen zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro.

Hilse, der als Direktkandidat für die kommende Wahl antritt, reagierte auf eine Anfrage von abgeordnetenwatch.de nicht.

Geldstrafe wegen Subventionsbetrug: Kay-Uwe Ziegler, AfD

Kay-Uwe Ziegler, AfD
Corona-Soforthilfen zu Unrecht beantragt: Ein Gericht verurteilte den AfD-Abgeordneten Kay-Uwe Ziegler wegen Subventionsbetrugs zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.400 Euro.

Der Politiker ist Geschäftsführer mehrerer Läden im Textileinzelhandel. Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühling 2020, als Ziegler noch nicht im Bundestag saß, beantragte er über 12.000 Euro an Corona-Soforthilfen. Das Amtsgericht Dessau-Roßlau verurteilte Ziegler 2024 rechtskräftig zu einer Geldstrafe von insgesamt 2.400 Euro. Er habe keinen Anspruch auf die Subventionen gehabt, weil seine Läden bereits 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen waren.

Der AfD-Politiker erstattete die erhaltene Summe und akzeptierte den Strafbefehl. “Ein ‘Ich wusste es damals nicht besser’ wurde vom Gericht nicht akzeptiert”, sagte Ziegler zu abgeordnetenwatch.de.

Bußgeld in einer Steuerangelegenheit: Nicole Bauer, FDP

Wegen falscher Angaben in ihrer Steuererklärung musste die FDP-Abgeordnete Nicole Bauer 2024 eine Geldbuße bezahlen. Zur Höhe der Summe möchte sich Bauer auf Anfrage nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft Landshut macht ebenfalls keine Angaben und verweist auf das Steuergeheimnis.

Gegenüber ihrer Lokalzeitung sagte Bauer, sie habe ihrem Ex-Freund eine Wohnung weit unter dem ortsüblichen Preis vermietet. Dennoch setzte sie die vollen Werbungskosten von der Steuer ab. Das ist verboten. “Unwissenheit schützt vor Strafe nicht”, kommentierte die FDP-Abgeordnete den Fall. Bauer kandidiert erneut für den Bundestag.

Gegen diesen Abgeordneten erging eine Freiheitsstrafe

Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung (auf Bewährung): Thomas Hacker, FDP

Wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung in jeweils zwei Fällen verurteilte das Amtsgericht Hof den FDP-Abgeordneten 2022 per Strafbefehl zu einem Jahr Gesamtfreiheitsstrafe auf Bewährung.

Thomas Hacker, FDP
Thomas Hacker, FDP, wurde wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Hacker, der wieder für den Bundestag kandidiert, verwies auf Anfrage darauf, eine Steuererklärung verspätet abgegeben zu haben.

Gegen diesen Ex-Abgeordneten läuft ein Korruptionsverfahren

In der Wahlperiode 2017-2021 wurde die Immunität von 18 Abgeordneten aufgehoben. Bis auf ein Verfahren sind alle abgeschlossen.

Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer (1998-2021) steht wegen Korruptionsverdachts vor dem Oberlandesgericht München. Das Parlament hatte ihm im März 2021 die Immunität entzogen. Fischer soll mehr als 26.000 Euro erhalten haben und dafür im Europarat “nach Anweisung im Interesse Aserbaidschans” abgestimmt haben.

Fischer bestreitet die Vorwürfe. Die Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht sollen bis April 2025 dauern.


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