Frage an Xaver Fichtl von Dr. Rolf G. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Fichtl,
schade Ihre Meinung zur Adoption von Kindern in gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus der ÖDP zu lesen. Die Parteimeinung scheint mir hier abzuweichen.
Das BMJ hat eine studie dazu vorgelegt. Die vereinigt alle denkbaren statistischen Fehler, wie wenn man vor dem Fußballstadion nach dem beliebtesten Sport fragt... Ich habe die beim BMJ vorgelegt und um Überprüfung durch einen anerkannten Epidemiologen gebeten. Das wurde abgelehnt. Die Qualität wurde bestätigt: durch die Studienatorin! Die Aussage zu einer eventuellen Interessenkollision unterblieb. Bei Interesse kann ich ihnen genaueres schicken.
Freundlicher Gruß
Rolf Grebenstein
Sehr geehrter Herr Dr. Grebenstein,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Familie und Erziehung, eines der zentralen Themen der ÖDP. Ihre Frage wird wohl in allen Parteien kontrovers und differenziert gesehen, so bin ich sicher nicht der einzige in der ÖDP, der die Adoption von Kindern in Homopartnerschaften nicht generell verbieten will.
Es geht um das Wohl des Kindes, also um eine behütete, liebevolle und zugewandte Bindung und darauf aufbauend um die kompetente, wertorientierte Erziehung und Bildung einer eigenständigen Persönlichkeit. Ob dieses Kindeswohl in "normalen" Familien (die bürgerliche Ehe ist erst im 18. Jahrhundert entstanden, seither hat sie sich stark verändert), bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern, in Lebensgemeinschaften mit mehreren Erwachsenen (Patchworkfamilien, Großfamilien wie z.B. früher regelmäig auf großen Bauernhöfen mit Eltern, Großeltern, Mägden und Knechten, oft Verwandte) oder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelingt, hängt einzig und allein vom Engagement und der Fähigkeit zu Liebe und Zuwendung der Beteiligten ab, aber nicht davon, ob sie heterosexuell, homosexuell oder überhaupt nicht sexuell aktiv sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar die Rechte homosexueller Paare gestärkt: Homosexuelle, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, dürfen künftig ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind adoptieren. Die vorherige Gesetzesregelung verstoße gegen das Recht auf Gleichbehandlung und ist demnach verfassungswidrig, entschieden die Richter in Karlsruhe.Und im Juni entschieden sie, dass Homo-Ehen auch das Recht auf Ehegattensplitting haben. Wo die juristische Reise hingehen wird, hat der ehemalige (konservative) Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, schnörkellos ausgedrückt: "Die Würfel sind gefallen." Durch die 2001 eingeführte Möglichkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft sei eine Privilegierung der Ehe rechtlich nicht mehr zu halten. Im Einklang mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sagte Papier, eine Unterscheidung nach der sexuellen Orientierung sei grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig.
Dieser Linie des Bundesverfassungsgerichts stimme ich zu. Der Staat muss Bindung und Erziehung von Kindern ermöglichen und unterstützen, nicht mehr und nicht weniger. Die sexuelle Orientierung hat den Staat nicht zu interessieren. Die Diskussion in Presse und Internet zum Thema Homoehe und speziell Adoptionsrecht für Homoehe scheint mir bei den Gegnern fast durchweg von Homophobie und Vorurteilen geprägt, oft unter Berufung auf angeblich christliche Sicht. Das Bundesverfassungsgericht hat vor seinem oben genannten Februar-Urteil 14 Verbände um eine Stellungnahme gebeten, neun haben geantwortet. Acht haben sich für das neue Adoptionsrecht ausgesprochen, nur einer vertrat eine abweichende Meinung: Klaus Zeh, der Präsident des Deutschen Familienverbandes, früher CDU-Minister in Thüringen. Laut anderen Teilnehmern hat er dabei keine gute Figur gemacht. Ein Sachverständiger behauptet sogar: „Er hat sich auf Studien von Pfingstlern aus den Vereinigten Staaten bezogen, die wegen dieser Studien aus ihren Berufsverbänden ausgeschlossen worden sind.“ Oder die Aktion "Kinder in Gefahr" der Deutschen Vereinigung für eine christliche Kultur (DVCK): sie hat im Internet eine Gespräch mit der polnischen Zeitung Nasz Dziennik "über die Strategien und Ziele der Homo-Lobby" veröffentlicht, inhaltlich rechtsradikal, homophob und alles andere als christlich. Nasz Dziennik und Radio Maryja sind zwei der größten Medien in Polen, die tagtäglich und mit enormem Sendungsbewußtsein den Hass gegen Andere und Fremde schüren. Die von Ihnen, Herr Dr. Grebenstein, genannte Studie des Bundesministeriums wird vor allem vom "Christilichen Forum" des Christoferuswerks in Münster kritisiert. Dieses Forum bietet auf seiner Internetseite auch einen Link "Homosexualität überwinden" an und hält Homosexualität wohl für krankhaft und sündig. Deshalb nehme ich auch die Kritik dieses Forums an der Studie nicht ernst.
Das Thema Adoptionsrecht für Homo-Ehen ist im Rahmen der Familien-, Erziehungs- und Bildungspolitik eher ein Randthema, der Anteil der Homoehen liegt im Promillebereich.
Viel wichtiger halte ich die Familienpolitik insgesamt. Hier hat die ÖDP ein Alleinstellungsmerkmal, weil sie als einzige Partei die Erziehung der Kleinkinder in der Familie befürwortet und zumindest von staatlicher Seite als Wahlmöglichkeit realisieren will. Derzeit gilt ja bei allen in den Parlamenten vertretenen, Firmenspenden akzeptierenden Parteien, dass der - angebliche - Bedarf der Wirtschaft das entscheidende Kriterum für Familienpolitik ist: Frauen in die Wirtschaft, Kleinkinder in die Krippe. Wenn ein Elternteil daheim bleibt, bekommt er weder Geld noch Rente. Dieser durch die finanziellen Rahmenbedingungen unterstützte Zwang soll auch noch gegen die Diskriminierung der Frauen sein - für mich ist es das Gegenteil. Dem gegenüber die Forderungen der ÖDP, die ich persönlich nachdrücklich unterstütze, zitiert aus dem Landtagswahlprogramm der ÖDP:
Staat statt Familie?ÖDP - die Familienpartei
Familie ist für uns kein Auslaufmodell! Wir treten dafür ein, die familiäre Betreuung von Kindern, aber auch die familiäre Pflege und Begleitung von behinderten und betagten Menschen durch ein sozialversicherungspflichtiges Familiengehalt als wertvolle Leistung für die Gesellschaft anzuerkennen. Ohne Familie ist kein Staat zu machen! Und in den ersten Jahren brauchen Kinder vor allem verlässliche Bindung.
Kindheit unter Dauerstress?ÖDP - die kinderfreundliche Partei
Kinder wollen lernen. Sie wollen die Welt immer besser verstehen und wichtige Erfahrungen machen - mit sich selbst, mit ihren Mitmenschen, mit Pflanzen, Tieren und mit allen Elementen. Familie, Kindergarten und Schulen sind gemeinsam dafür verantwortlich, dieses Ziel zu erreichen. Der Staat hat sie dabei nach Kräften zu unterstützen. Schulische Bildung darf nicht einseitig im Dienst der wirtschaftlichen Verwertung und unter dem Diktat der Beschleunigung stehen. Schule muss ein Ort der Ermutigung sein, an dem jedes Kind seine Möglichkeiten erkennen und ausweiten kann. Wir haben ein anspruchsvolles Ziel: Wie in vielen Ländern und in Reformschulen schon lange üblich, sollen auch in Bayerns Grundschulen zwei Erwachsene (Lehrkraft + Assistent/-in) eine Schulklasse betreuen - so ist die individuelle Förderung aller Kinder und die Inklusion von Kindern mit Behinderung möglich.
Zum letzten Punkt möchte ich als Lehrer an einem Gymnasium ergänzen: ich möchte, dass Bayern zum neunjährigen Gymnasium (G9) zurückkehrt.
Sehr geehrter Herr Dr. Grebenstein, das Wohl der Kinder und der kommenden Generationen ist noch von vielen weiteren Faktoren abhängig, z.B. von der Schuldenfalle, die die derzeitigen Regierungen hinterlassen, von einer dem Wachstumszwang verpflichteteten (gesponserten) Wirtschaftspolitik, von der gnadenlos ausgebeuteten Ressourcen (einschließlich dem von der Regierungsmehrheit befürwortetem Fracking, welches unsere Ökologie einschließlich Grund- und Trinkwasser mutwillig und sehenden Auges zerstören würde), und von vielem mehr. Lesen Sie bitte im Internet nach, dass und wie die ÖDP ihre Ziele im Sinne des Menschen, der Natur und des globalen Ökosystems Erde formuliert und vertritt.
Mit herzlichen Grüßen
Xaver Fichtli