Frage an Wolfgang Zimmermann von Jürgen K. bezüglich Finanzen
Guten Tag,
hat die Landesregierung einen Überblick, in welchem Umfang die NRW Gemeinden Cross Boarder Leasing Geschäfte abgeschlossen haben und welches finanzielle Risiko sich daraus für die Steuerzahler ableiten lässt?
Warum werden die entsprechenden Verträge nicht veröffentlicht?
Ist es eigentlich zulässig, das Volksvertreter mit dem ihnen anvertrauten Geld zocken und sodann
straffrei aus der Sache herauskommen?
Sehr geehrter Herr Koch,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de.
Zu Ihren Fragen möchte ich Ihnen sowohl die Fakten darlegen als auch meine politische Einschätzung geben:
1. Nein, die Landesregierung NRW hat keinen Überblick über den Umfang von Cross Border Geschäften der Gemeinden in NRW. Dementsprechend kennt sie auch das finanzielle Risiko nicht.
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hat es dazu Anfragen von Landtagsabgeordneten an die Regierung gegeben, deren Beantwortung ich Ihnen in der Anlage beifüge.
Daraus geht m.E. auch hervor, dass die Landesregierung kein übermäßiges Interesse daran hatte, sich einen Überblick zu verschaffen bzw. die Risiken einzugrenzen und CBL-Geschäfte zu verbieten.
Abgehoben wird dabei auf die kommunale Selbstverwaltung, die den Kommunen die eigene Entscheidung darüber freistelle. Dazu ist allerdings anzumerken, dass
a) die Kommunalaufsicht sehr wohl angehalten ist, Risikogeschäfte zu überprüfen oder auch zu unterbinden (z.B. Zinsderivate), und
b) die kommunale Selbstverwaltung in anderen Zusammenhängen regelmäßig mit Füßen getreten wird, insbesondere was die angemessene Finanzausstattung der Gemeinden angeht. Die dramatische Unterfinanzierung der Kommunen ist oft gerade ein Grund dafür gewesen, dass Gemeinderäte so willig auf die vermeintlich günstigen CBL-Geschäfte eingegangen sind.
2. Nein, es ist eigentlich nicht zulässig, dass Volksvertreter mit Steuergeldern zocken und straffrei bleiben.
In NRW legt die Gemeindeordnung fest (§ 43, Absatz 4):
„Erleidet die Gemeinde infolge eines Beschlusses des Rates einen Schaden, so haften die Ratsmitglieder, wenn sie
a) in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung ihrer Pflicht gehandelt haben,
b) bei der Beschlussfassung mitgewirkt haben, obwohl sie nach dem Gesetz hiervon ausgeschlossen waren und ihnen der Ausschließungsgrund bekannt war,
c) der Bewilligung von Aufwendungen und Auszahlungen zugestimmt haben, für die das Gesetz oder die Haushaltssatzung eine Ermächtigung nicht vorsieht, wenn nicht gleichzeitig die erforderlichen Deckungsmittel bereitgestellt werden.“
Im Falle der CBL-Geschäfte käme grobe Fahrlässigkeit in Frage.
Hierzu ist anzumerken, dass es sich bei CBL-Geschäften um komplizierte Konstruktionen handelt, mit mehrtausendseitigen Vertragswerken, z.T. in englischer Sprache. Selbst offen gelegte Verträge wären kaum verständlich gewesen; überdies wurde keine Einsicht gewährt. Stattdessen wurde die Vertragsinhalte den Gemeinderäten gegenüber von sog. Beratern wie auch von Banken zusammengefasst, nahegebracht und für risikoarm erklärt.
Insofern ist den Gemeinderäten zwar sicher Gutgläubigkeit und Dummheit nachzuweisen, bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz ist das schon schwieriger.
Eine juristische Herangehensweise ist daher meines Erachtens für sich genommen wenig aussichtsreich. Vielmehr muss das Problem politisch angegangen werden, vor allem durch Aufklärungsarbeit und widerständige Aktionen.
Dazu möchte ich auch auf die hervorragende Reportage-Arbeit des Journalisten Werner Rügemer zu CBL-Geschäften hinweisen, durch welche viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch manche Gemeinderäte überhaupt erst aufgescheucht wurden, wenn sie denn willens waren, sich aufklären zu lassen. (Werner Rügemer: Cross Border Leasing – Ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte. Münster 2005, ISBN 978-3-89691-568-9)
Es gab auch schon manch erfolgreiches Bürgerbegehren gegen CBL-Geschäfte.
(z.B. wurde in Bergisch Gladbach im Jahr 2006 ein CBL-Geschäft zur Kanalnetz-Verleasung in einem Bürgerentscheid mit 96,5 % abgelehnt )
Die Partei die Linke und Ihre Vorläufer haben sich sowohl in Parlamenten wie auch bei Bürgerbegehren immer gegen die CBL-Geschäfte engagiert und werden auch weiterhin gegen Risiko- und Spekulationsgeschäfte sowohl von Gebiets-körperschaften wie auch von staatlichen Banken oder Sparkassen eintreten.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Zimmermann
Fraktion DIE LINKE im Landtag NRW