Portrait von Wolfgang Wodarg
Wolfgang Wodarg
dieBasis
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Wolfgang Wodarg zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von werner s. •

Frage an Wolfgang Wodarg von werner s. bezüglich Familie

Was werden Sie tun, um Müttern (und Vätern) mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe bei der Wahrnehmung ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgaben zu ermöglichen?

Portrait von Wolfgang Wodarg
Antwort von
dieBasis

Sehr geehrter Herr Schurer,

das von Ihnen angesprochene Thema liegt mir sehr am Herzen. Deshalb möchte ich nach Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage und der weiterführenden Pläne meiner Partei auch eine persönliche Antwort geben. Wir realisieren derzeit zunehmend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beispielsweise über das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Es sieht vor, dass Länder und Kommunen, die für die Kinderbetreuung zuständig sind, ihre Angebote an Krippen- und Tagespflege für die unter Dreijährigen ab 2005 so erweitern, dass diese Angebote bis zum Jahr 2010 dem Bedarf der Eltern und Kinder entsprechen.

Wie bei anderen Eltern hängt die Höhe des Elternbeitrages zur Finanzierung der Kinderbetreuung auch bei Eltern mit Behinderungen von den finanziellen Verhältnissen der Familie ab. Das Jugendamt kann die Kosten für die Kinderbetreuung ganz oder teilweise übernehmen, wenn diese den Eltern nicht zuzumuten sind. Einen spezifischen Bedarf, der durch die Behinderung von Eltern entsteht, kann die Kinder- und Jugendhilfe zwar nicht ausgleichen, da diese Aufgabe der Eingliederungshilfe vorbehalten ist. Aber diesen Eltern und ihren Kindern stehen im Übrigen sämtliche Leistungen des SGB VIII zur Verfügung. Von besonderer Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit sein, in Notsituationen eine Haushaltshilfe für einen begrenzten Zeitraum zur Betreuung und Versorgung von Kindern einzusetzen (§ 20 SGB VIII). Speziell für Menschen mit Behinderung haben wir den Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz verankert. Daneben gibt es weitere rechtliche Grundlagen, um Müttern und Vätern mit Behinderung bei der Wahrnehmung ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgaben zu unterstützen:

• Eltern-Kind-Kuren nach § 41 SGB V werden von den Krankenkassen voll finanziert.
• § 17 Abs. 2 SGB I beinhaltet den Rechtsanspruch bei "Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen" einschließlich einer kostenlosen Gebärdendolmetschung für den Leistungsberechtigten.
• Nach § 198 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 38 Abs. 3f. haben krankenversicherte Frauen "Anspruch auf häusliche Pflege, wenn diese wegen Schwangerschaft oder Entbindung erforderlich ist soweit eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann".
• In der Begründung des Gesetzgebers zu § 31 SGB IX gehören zu den Hilfsmitteln auch solche, die zur Wahrnehmung von Aufgaben der Familienarbeit notwendig sind.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigen diese Beispiele, dass Müttern und Vätern mit Behinderung eine Vielzahl von Hilfen bereits zustehen. Bei der Gleichstellung behinderter Menschen werden wir den begonnenen Weg weiter beschreiten. Dazu haben wir mit dem Eckpunktepapier zur Fortentwicklung des SGB IX folgenden Punkt beschlossen: "Im Rahmen ihrer Zuständigkeit müssen die unterschiedlichen Träger in Zukunft stärker die besonderen Bedürfnisse behinderter Eltern auch außerhalb des Arbeitslebens bei ihrem Recht auf Teilhabe und für die Ausübung ihres Rechts auf Elternschaft berücksichtigen. Sobald mehrere Träger zuständig sind, ist die Leistung als Komplexleistung zu gestalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch unabhängig von der Berufstätigkeit bei behinderten Eltern Hilfen zur Mobilität zu fördern sind, hörbehinderte Eltern Verständigungshilfen für Elternsprechtage benötigen, barrierefreie Kindermöbel erforderlich sind oder die Elternschaft nur mit Assistenz oder Anleitung wahrgenommen werden kann.»

Im Rahmen der vom Berliner Netzwerk behinderter Frauen und von mehreren Organisationen getragenen und von der Aktion Mensch geförderten Kampagne Recht auf Elternassistenz soll die Situation von behinderten Eltern verbessert werden.

Mein Vater war querschnittsgelähmt und er war der beste Vater, den ich mir vorstellen kann. Durch sein Handikap war er zwar nicht in der Lage, mit seinen Kindern herumzutoben, durch seine Geschichten und seine Kreativität hat er dieses Manko jedoch wunderbar ausgeglichen. Dies war wohl möglich, weil er keine existenziellen, finanziellen Sorgen hatte und weil ihm der Staat Hilfsmittel zur gleichberechtigten Teilnahme an vielen gesellschaftlichen Möglichkeiten geboten hat.

Der individuelle Hilfebedarf für Menschen mit Behinderungen ist extrem unterschiedlich. Die Hilfe muss in jedem Fall gewährleisten, dass auch Behinderte so gut wie möglich das wunderbare Erlebnis Mutter oder Vater zu sein gestalten und genießen können. Das Leben von Eltern ist oft schwer, mit oder ohne Behinderung. Wer mit Behinderung die Verantwortung für Kinder trägt, bedarf unserer besonderen Unterstützung. Als wichtige Zukunftsperspektive sehe ich den Ausbau und die zunehmende Verbreiterung „persönlicher Budgets“ für Menschen mit Behinderung. Gerade wenn es gilt, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben zu leisten, kommt es auf flexible, die persönlichen Lebenssituationen berücksichtigende Hilfe an. Sie wird durch die „persönlichen Budgets“ in vielen Fällen erleichtert.

Seit Beginn meiner Abgeordnetentätigkeit kämpfe ich dafür, dass der Bedarf von Kranken und Behinderten Träger-unabhängig und Träger-übergreifend begutachtet wird. Noch immer ist es so, dass Ärzte, die im Auftrag des Kostenträgers stehen, prüfen, welche Hilfeleistungen berechtigterweise gewährt werden. Ich möchte, dass Kostenträger-unabhängige Gutachter patientenbezogene Hilfeprofile erarbeiten, die von der Prävention über Therapie, Pflege, Sorge- und Rehabilitationsbedarf eine ganzheitliche Hilfeplanung ermöglichen. Welcher Kostenträger dann für welchen Teil der notwendigen Hilfen zuständig ist, sollte erst im zweiten Schritt entschieden werden. Bei einer solchen Hilfeplanung können die besonderen Belange behinderter Eltern in angemessener Weise dargestellt und berücksichtigt werden. Es wird zu klären sein, ob es sich dabei um Hilfen für die Kinder oder für die Erziehenden handelt. Diesen Zuständigkeitsstreit zwischen Jugendhilfe und Behindertenhilfe halte ich aber für lösbar und werde mich für die Lösung mit dem geringsten administrativen Aufwand stark machen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Wolfgang Wodarg, MdB