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Frage von Johannes W. •

Frage an Wolfgang Wodarg von Johannes W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Wodarg,

kürzlich habe ich bei der Blutspende festgestellt, dass es Schwulen nicht erlaubt ist Blut zu spenden. Da ich demnächst für eine Studierendenzeitung an der Universität Freiburg einen Artikel darüber schreiben möchte, würde ich sie als Gesundheitsexperten um die Beantwortung folgender Fragen bitten:

1. Welche medizinischen Gründe gibt es, dass Schwule nicht Blut bzw. Knochenmark spenden dürfen?
2. Empfinden Sie es als diskriminierend, dass Schwule von der Blut-, bzw. Knochenmarkspende ausgeschlossen werden. Suggeriert dieser Ausschluss nicht, dass Schwule prinzipiell ungeschützten Sex betreiben?
3. Besitzt der Gesetzgeber irgendeine Handlungsmöglichkeit gegen diesen pauschalen Ausschluss?

Mit besten Grüßen

Johannes Waldschütz

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Antwort von
dieBasis

Sehr geehrter Herr Waldschütz,

um die Frage nach meiner persönlichen Einstellung gleich zu Beginn zu beantworten: Ich empfinde es als absolut ungerechtfertigt und diskriminierend, dass Homosexuelle nicht Blutspenden dürfen. Die Sexualität sagt nichts über den Lebensstil eines Menschen aus und die generelle Unterstellung, alle Homosexuellen hätten ein Sexleben mit ständig wechselnden Geschlechtspartnern ist nicht zu rechtfertigen.

Um auf Ihre Hintergrundfragen einzugehen, muss man etwas in die Vergangenheit schauen. Das Verbot, dass Homosexuelle nicht Blutspenden dürfen, entstand aufgrund des Blutskandals vom Herbst 1993. Damals wurde bekannt, dass offizielle Berichte über Konserven mit verseuchtem Blut gefälscht waren. In den 80er Jahren als die Diagnosemöglichkeiten noch nicht so gut waren, infizierten sich mehrere hundert Menschen mit dem HI-Virus bei Bluttransfusionen. Es bestand damals also ein hoher Druck, die Sicherheit von Blutkonserven zu erhöhen, womit das Verbot begründet wurde. (Heute tendiert die Infektion über Blutprodukte, dank neuer Untersuchungsmethoden gegen null.) Im entsprechenden, 1998 verabschiedeten Gesetz selber findet sich zwar kein direktes Verbot, allerdings verweist ein Passus auf eine durch die Bundesärztekammer zu fixierende Ausschlussliste von Risikogruppen. Neben Drogenabhängigen und Prostituierten werden dort auch Homosexuelle genannt.

Da ich es ablehne, Menschen nach ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung einzuteilen und auszugrenzen, allerdings trotzdem den hohen Sicherheitsstandard der Blutkonserven gewährleisten möchte, unterstütze ich einen Vorschlag der Vorsieht, dass künftig nicht mehr nach der sexuellen Orientierung, sondern nach der Häufigkeit wechselnder Sexualpartner gefragt wird. Schwulen in irgendeiner Form eine unreflektiertere Lebenshaltung und die billigende Inkaufnahme der Gefährdung der Empfänger zu unterstellen, würde somit umgangen und das eigentliche Problem direkt angepackt. In anderen Ländern sind solche Regelungen bereits zustande gekommen, zum Beispiel in Spanien oder Italien. Auch in Deutschland setzen sich verschiedene Gruppen für eine Änderung der Gesetzeslage ein. Innerhalb der SPD sind das vor allem die „Schwusos“.

Es stellt sich neben der Diskriminierung auch ganz praktisch die Frage, ob wir es uns angesichts eines Mangels an Spenderblut erlauben können unzählige Menschen, die eigentlich gerne spenden würden, auszuschließen.

Zu Ihrer letzten Frage. Da der Ausschluss von Homosexuellen nicht gesetzlich geregelt ist, sondern von der Ärztekammer so beschlossen wurde, wäre eine gesetzliche Änderung nicht nötig. Selbstverständlich ist es allerdings möglich auf gesetzlichem Wege den Ausschluss Homosexueller zu verhindern und für eine solche Regelung werde ich mich in der kommenden Legislaturperiode einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen, Dr. Wolfgang Wodarg