Frage an Wolfgang Wieland von Kareen A. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Spiller,
als selbstständige Dienstleisterin, (Coach/Trainerin im Bereich Kommunikation und Unternehmensgründung) stehe ich oft vor folgendem Problem: Ich gehe eine Vereinbarung mit einem sozialen, (EU-) geförderten Projekt ein und muss mich, sofern ich mit der entspr. Zielgruppe arbeiten will, notgedrungen mit den entsprechend niedrigen, stets diktierten/nicht verhandelbaren Honorarsätzen des jeweiligen "Programms" (z.B. ESF) abfinden, die - eh schon peinlich genug - z.T weniger als die Hälfte der marktüblichen Höhe betragen.
Nun bin ich inzwischen mehrwertsteuerpflichtig und muss auch noch 19% also ein rundes Fünftel dieser eh schon skandalös niedrigen Honorare abführen, ohne dass ich die Möglichkeit habe, diese auf das Honorar aufzuschlagen und so an die Auftraggeber weiterzugeben (sog. "durchlaufender Posten") wie das eigentlich im Sinne des Erfinders ist oder war. So bin ich doppelt gestraft - die Honorare, die für uns DienstleisterInnen im sozialen Sektor übrig bleiben, sind z.T. nicht mehr menschenwürdig.
Das Finanzamt interessiert das nicht: Einnahme ist Einnahme. Steuersatz ist Steuersatz. Es gibt nicht mal einen ermäßigten Steuersatz für diese Fälle.
Die sog. "Übungsleiterpauschale" greift nicht und die Hürden für das entspr. Projekt, sich für die angebotenen Veranstaltungen befreien zu lassen, sind organisatorisch/personell nicht leistbar (jedes einzelne Coaching müsste in meinem Fall extra per Antrag extra "befreit" werden)
Diese Situation halte ich innerhalb meines Politikverständnisses für sittenwidrig, skandalös und unhaltbar.
Ich bin der Meinung, dass es hier angesichts der zahllosen DienstleisterInnen, die (eh schon grob unterbezahlt) hochqualifiizierte Arbeit für sozial benachteiligte Gruppen leisten, dringenden Handlungsbedarf gibt.
Ihr Abhilfe-Vorschlag und Ihre Strategie-Idee hierzu würde mich interessieren.
mit freundlichen Grüßen
Kareen Armbruster
Sehr geehrte Frau Armbruster,
ich teile Ihre Meinung, dass die von Ihnen beschriebenen Zustände äußerst unschön sind. Schließlich dienen die Coachings, die Sie und viele andere durchführen, ja uns allen - und der Erfolg der Programme ist an vielen Stellen zu sehen.
Meine Antwort hat auch deswegen etwas auf sich warten lassen, weil ich zunächst einmal herausfinden musste, wo das Problem genau entsteht. Es sind nicht die Regeln der EU selbst, die hier zu Ihrem Nachteil werden. Es ist die Umsetzung durch den Berliner Senat. Die europäischen Förderfonds bewilligen Gelder für größere Gesamtkonzepte, die vom jeweiligen Bundesland vorgelegt werden. In diesen Konzepten legt der Senat auch die Höhe der Personalmittel fest.
Eine Steuerbefreiung als Möglichkeit sehe ich sowenig wie Sie. Meiner Ansicht nach sollte die Höhe der Honorare insgesamt überdacht werden. Dabei wäre das Honorar wenigstens so zu erhöhen, dass die Steuer für Sie - im Ergebnis, nicht durch die Weitergabe an die Leistungsnehmer - wirklich zum Durchlaufposten wird.
Ich habe die Problematik auch unserer bündnisgrünen Fraktion im Abgeordnetenhaus geschildert. Ob es allerdings, auch angesichts der Berliner Finanzknappheit, zu einer Lösung durch den Senat kommt, wird man erst im Herbst bei den Haushaltsberatungen sehen. Die Chancen müssen angesichts der Finanzkrise realistisch als sehr gering eingeschätzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wieland