Frage an Wolfgang Wieland von Dietmar G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wieland,
nach dem Zusammenbruch der DDR war die Wiedervereinigung möglich geworden. Die DDR trat dem GG der Bundesrepublik Deutschland bei. Das führte dazu, daß im "Rechtsraum" DDR deutsches Recht eingeführt werden mußte.
Die Regierungen der beiden deutschen Staaten hatten 1990 vereinbart, im Beitrittsgebiet unter weitgehender Beibehaltung des Grundmusters des DDR-Rentenrechts, deutsches Rentenrecht einzuführen. Das ist mit dem RÜG geschehen.
Jeder weiß inzwischen, daß das nicht so recht gelungen ist. Die Liste der Nachbesserungsbegehren, Klagen und Gerichtsurteile ist lang.
Kürzlich hat die FDP einen Antrag an die Regierung gestellt, in dem sie für bestimmte Fallgruppen aus den neuen Bundesländern Korrekturen einfordert ("Faires Nachversicherungsangebot"). Es wird dargelegt, daß das RÜG in bestimmten Konstellationen zu gefühlten oder tatsächlichen Ungerechtigkeiten führt.
Merkwürdigerweise sind in diesem Papier auch die ehemaligen DDR-Flüchtlinge aufgeführt.
Nun weiß jeder, daß in der Zeit des kalten Krieges viele Menschen aus der DDR geflohen waren und in der Bundesrepublik eine neue Heimat gefunden hatten. Die waren damals als gut ausgebildete und hochmotivierte Arbeitskräfte, die meist noch Kinder mitbrachten, sehr willkommen gewesen. Mit der Aufnahme in die bundesdeutschen Sozialversicherungen waren sie den geborenen bundesdeutschen Mitbürgern rechtlich gleichgestellt worden.
Eigentlich ist es eine klare Tatsache: Das RÜG erfüllte den Zweck, im Beitrittsgebiet deutsches Recht einzuführen. Es war nicht dafür gemacht, bestehende Rechtspositionen von Bundesbürgern rückwirkend zur Disposition zu stellen.
Von vielen Politikern, so auch von den FDP-Autoren, wird die Aufassung vertreten, die Rentenüberleitung ziele auch auf die ehemaligen DDR-Flüchtlinge, obwohl sie zu jenem Zeitpunkt längst Bundesbürger waren.
Halten Sie das für rechtens? Welchen Standpunkt haben die Grünen?
Mit freundlichem Gruß
Dietmar Grabner
Sehr geehrter Herr Grabner,
den Antrag der FDP-Fraktion BT-Drs. 16/11236 habe ich aufmerksam gelesen und stelle fest, er passt nicht auf die DDR-Flüchtlinge und späteren Bundesbürger. In dem Antrag sind 12 Personengruppen aufgezählt, die aus unterschiedlichen Gründen von der derzeitigen Rentenregelung benachteiligt sind. Flüchtlinge sind aber schon vor 1989/90 Bundesbürger geworden, weshalb sie in diese Aufzählung nicht hineinpassen. Die Gleichstellung von Flüchtlingen mit DDR-Bürgern hat schon bei der Formulierung des SGB VI Anlass zu so vielen Ungerechtigkeiten und Verwerfungen geführt, dass mit dieser Methode gebrochen werden sollte.
Das Ziel des Antrages ist dagegen sicherlich ehrenwert. Die faktische Rentenkürzung, die DDR Flüchtlinge durch die unpassende Rückverweisung auf das DDR-Rentensystem erlitten haben, soll ausgeglichen werden. Ob der Vorschlag einer Nachversicherung dafür der beste Weg ist, kann ich nicht abschließend beurteilen. Dafür ist der Antrag der FDP viel zu oberflächlich. Mich würden folgende Fragen interessieren, wie sollen die konkreten Eckpunkte dieses Programms aussehen, zu welchen Verbesserungen soll es führen und was wird es den Bund oder die Betroffenen kosten?
Das Gegenteil von Gut ist oft Gut gemeint. So ist es auch mit dem FDP-Antrag. Das Ziel geht in Ordnung, aber der Weg ist falsch. Meine persönliche Meinung zur rechtlichen und der davon zu trennenden politischen Betrachtung habe ich schon in früheren Fragen geäußert. Wenn Sie dazu eine konkrete Nachfrage haben, beantworte ich diese gern.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Wieland