Frage an Wolfgang Wieland von Edwina G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wieland,
nachdem Irland nun mit Nein für den EU-Vertrag gestimmt hat, sagt das Gesetz, dass der EU-Vertrag nichtig ist. Jetzt höre und lese ich aber, dass einige Politiker in Deutschland und in anderen EU-Ländern sich einfach über dieses Gesetz hinwegsetzen wollen und den Vertrag auch ohne Irland ratifizieren wollen. Das gibt erstens ein schlechtes Vorbild, denn jeder muss sich an Gesetze halten und zweitens ist dieses Verhalten zutiefst undemokratisch. Für den einfachen Bürger sieht es so aus, als würden die Regierenden ihre Ziele um jeden Preis durchsetzen wollen und da wird auf nichts und niemanden Rücksicht genommen nicht einmal auf ein Referendum also auf Volkes Stimme. Da fragt sich der interessierte Bürger, so wie ich auch, welche Ziele sind so wichtig, dass sie mit aller Macht durchgeprügelt werden müssen? In der ARD gab es mal einen Beitrag (ich glaub es war in Panorama) da wurden einige Bundestagsabgeordnete nach dem Inhalt des EU-Vertrages gefragt, die Antworten waren für Menschen die über den EU-Vertrag abstimmen sollten nicht sehr Vertrauen erweckend. Und wie Sie wissen haben alle Bundestagsabgeordnete, ausser die der Linken, den EU-Vertrag durchgewinkt, ohne ihn zu kennen. Schon dieser Umstand hat mein Vertrauen in die Demokratie in den Grundfesten erschüttert. Jetzt wird auch noch Volkes Stimme, natürlich in den schönsten Sätzen, ignoriert und dass hat mit Demokratie rein gar nichts mehr zu tun. Wo doch unsere Kanzlerin so gerne über Demokratie spricht.
Daher meine Anfrage an Sie:
Welche wahren Ziele werden mit dem EU-Vertrag verfolgt?
Was kann ich tun, dass die Regierenden sich an geltende Gesetze halten?
Und bitte ergehen Sie sich nicht in Floskeln und leeren Worthülsen, davon habe ich schon mehr als genug gehört und gelesen. Es wird Zeit, dass die Regierung mal anfängt die Wahrheit auf den Tisch zu legen und Sie haben die allerbeste Gelegenheit hier und heute gleich damit anzufangen.
Sehr geehrte Frau Göhing,
dass ein internationaler Vertrag nur gilt, wenn alle ihn unterschreiben und ratifizieren, liegt in der Natur eines Vertrages. Sonst kommt er nicht zustande.
Von daher ist die vom Referendum in Irland ausgelöste Debatte kein Gesetzesbruch, geht aber in die völlig falsche Richtung. Man darf jetzt nicht überlegen, wie man die Iren überredet, doch noch zuzustimmen, sondern muss überlegen, wie es dazu kam. Ich bin für eine weitere europäische Integration, aber „mit aller Macht durchprügeln“, wie Sie es sagen, darf man sie nicht.
Übrigens: Dass Sie mich als Teil der Bundesregierung ansprechen ist falsch – wie Sie wissen befinden sich Bündnis 90/Die Grünen seit 2005 in der Opposition. Das enthebt mich nicht der Verpflichtung, meine Entscheidung zum Vertrag zu begründen. Aber in Ihre Kritik an dem Vorgehen der Bundeskanzlerin kann ich im Wesentlichen nur einstimmen.
Zum Vertrag: Ich habe mir tatsächlich die Mühe gemacht, ihn zu lesen und die Anhörungen, die es im Bundestag gab, zu besuchen. Natürlich kenne ich die Regelungen in den politischen Themenbereichen, in denen ich arbeite, dabei besser als den Rest. Ich komme zu einem positiven Gesamturteil und habe deswegen zugestimmt. Ganz wichtig waren mir die bessere Beteiligung der Parlamente in den Mitgliedsstaaten und die Stärkung des europäischen Parlaments. Damit verliert die EU einiges von ihrem Charakter als Regierungs-Kungelrunde und wird erheblich demokratischer. Das ist alles nicht perfekt, aber es ist ein erheblicher Schritt, das Ungleichgewicht zwischen Regierungsmacht und der Rolle der gewählten Europa-Abgeordneten sowie zwischen Brüssel und Berlin zu beheben.
Dass nun wieder ein EU-Vertrag an einer Volksabstimmung scheitert, heißt für mich dreierlei: Wir müssen – da sind alle Berufspolitiker in der Pflicht – deutlich machen, was in der EU eigentlich passiert, warum es getan wird und wem es welche Vorteile bringt. Und wir müssen erklären, warum eine Reform der EU in dieser Form sinnvoll ist. Und wir müssen uns alle als Bürgerinnen und Bürger klar machen, ob wir die EU wollen und in welcher Form.
Das ist zuwenig passiert, deswegen gab es die Ablehnung in Irland. Übrigens wette ich, dass da ganz viele abgestimmt haben, die den Vertrag nicht gelesen haben und auch nicht die wesentlichen Inhalte kennen – da sind die Wählerinnen und Wähler auch nicht besser als viele im Parlament.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wieland