Frage an Wolfgang Wieland von Lothar G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Zunächst sehr herzlichen Dank, dass Sie bei dem Problem der Übersiedler-Rente nicht auf den Satz von Textbausteinen des BMAS zurückgreifen, wie das meist leider Standard ist.
Der von Ihnen als rechtliche Grundlage der Manipulation genannte §259a gehört zum RÜG und hat damit für Bürger, die am 18.05.1990 nicht auf dem Gebiet der DDR lebten, keine Bedeutung, er wird mit dem §228 SGB VI als Sonderregelung ausschließlich für das Beitrittsgebiet behandelt. Er hat überhaupt keine Bedeutung, weil diejenigen, die Rente nach FRG erhalten sollten, (Geburtsjahrgang 1936 und älter) auch ohne §259a ganz fest davon ausgehen durften, ihre Anwartschaften aus dem Eingliederungsverfahren des FRG zu behalten, schließlich sind sie vom GG Artikel 14 geschützt (auch so gehandhabt durch den Vertrag vom 18.05.1990, nachweisbar in BSG-Urteilen, bestätigt in der "Übersicht über das Sozialrecht"). Vorwärts gelesen bringt der §259a also nur eine Selbstverständlichkeit für allerdings den geringeren Teil der Übersiedler. Riesiger Schaden entsteht jedoch durch den Umkehrschluss, der praktisch alle Übersiedler jünger als Geburtsjahrgang 1936 enteignet, und zwar in der Praxis ohne Aufhebungsbescheid. Irgendwer hat irgendwann gewildert in der Datenbank, es gibt noch nicht einmal eine Statistik für das wüste Handeln. Abgeordnete, die bei der Erarbeitung des RÜG 1990/91 dabei waren, bestätigen, dass niemand je an die Übersiedler gedacht hat, die waren doch eingegliedert. Was sollte das denn bringen angesichts von 4 Mill. Bestandsrentnern und 8 Mill. Menschen mit Erwerbsbiografie in der DDR, die einen Rentenverlauf nach westlichem Muster per RÜG bekommen mussten. Warum hat man diejenigen herausgeworfen, die das bereits hatten, was sollte bewirkt werden? Nirgends gibt es auch nur einen Hinweis einer Diskussion dieser Manipulation durch den damaligen Gesetzgeber, die meisten wissen noch heute nichts davon.
Können Sie diese Sicht in Ihre Bewertung einbeziehen?
Freundliche Grüße
L. G.
Sehr geehrter Herr Gebauer,
Sie haben Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass § 259a SGB VI keine ausdrückliche Regelung zur Entwertung der Rentenanwartschaften für Bestandsübersiedler darstellt. Ihre Sichtweise habe ich aber bereits berücksichtigt. Leider schlägt dieser Einwand juristisch bislang nicht durch. Der von Ihnen zu Recht kritisierte Umkehrschluss - wenn alle Übersiedler, die vor 1937 geboren wurden nach Fremdrentenrecht behandelt werden, fallen im Umkehrschluss undifferenziert alle Übersiedler unter das RÜG - ist von einigen Gerichten als tragfähige Rechtsgrundlage anerkannt worden. Meine Rechtsauffassung ist das nicht und ich meine, dass diese Sichtweise auch nicht überzeugt. Schon das berechtigte Vertrauen in den Bestand der Anwartschaften spricht dagegen. In einem Rechtsstaat müssen wir die Urteile von Gerichten aber anerkennen. Möglicherweise ist noch eine Korrektur dieser verfestigten Spruchpraxis möglich. Ich bin jedoch nicht informiert, ob noch weitere Klagen bei obersten Bundesgerichten oder eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht diesbezüglich anhängig ist.
Unsere Aufgabe als Politiker ist es nicht darauf zu warten, dass wir in unserer Rechtsauffassung schlussendlich dennoch bestätigt werden, sondern die fällige Klarstellung im SGB VI unterzubringen. Es muss zwischen Bestands- und Neuaussiedlern unterschieden werden. Dafür bemühe ich mich, Mehrheiten zu finden.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Wieland