Frage an Wolfgang Wieland von Andreas V. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Wieland,
ich beschäftige mich mit dem Thema „Elternunterhalt“, insbesondere der Einforderung von nicht gedeckten Pflegeheimkosten durch Träger der Sozialhilfe von unterhaltspflichtigen Kindern.
Dieser so genannte Sozialhilferegress greift keineswegs nur bei vermögenden Kindern, sondern bereits bei unteren Einkommen. Die fälschlicher weise immer wieder zu lesende Meinung, dass dies erst bei einem Jahreseinkommen von über 100.000 Euro relevant wird, verwechselt die Leistungen der Grundsicherung (dauernde Erwerbsunfähigkeit im Alter) mit denen der Hilfe zur Pflege.
Wird eine solche Hilfe geleistet, geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch der Eltern gem. § 94 SGB XII auf den Träger der Sozialhilfe über, welcher dann versucht, sich an den Kindern schadlos zu halten. Der zivilrechtliche Anspruch gem. § 1601 BGB besteht zwischen Verwandten in gerader Linie. Durch ein Urteil des BGH wurde mit einer umstrittenen Berechnung obendrein die verdeckte Schwiegerkindhaftung eingeführt. Dadurch wird auch noch von minimal verdienenden Kindern über das höhere Einkommen ihrer Ehegatten eine Leistungsfähigkeit konstruiert.
Bereits 1996 gab es eine Gesetzesinitiative des Bundesrats zur Abschaffung des Elternunterhalts. Im Jahr 2005 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zu diesem Thema die besonderen Belastungen der Sandwichgeneration herausgestellt.
Halten Sie es in der heutigen Zeit noch für sinnvoll, den Rückgriff durch den Sozialhilfeträger beim Elternunterhalt aufrecht zu halten?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Vorgel
Sehr geehrter Herr Vorgel,
Sie sprechen ein vielschichtiges Problem an, auf das es keine einfache Antwort gibt.
Zunächst folgt der Elternunterhalt dem Prinzip der Familie als Verantwortungsgemeinschaft. Es stellt ja auch niemand in Frage, dass die Eltern jahrelang die Bedürfnisse ihrer Kinder abzudecken haben, bis weit über die Volljährigkeitsgrenze hinaus, wenn längere Ausbildungs- oder Studienzeiten vorliegen. Die Leitungen, die die Kinder von ihren Eltern selbstverständlich erhalten gehen also in der Regel weit über das hinaus, was auf Kinder später eventuell als Belastung zukommt. Wenn man sich von diesem Prinzip der gegenseitigen Verantwortung verabschieden wollte, müsste man zumindest erklären, warum denn andere dafür einzutreten hätten. Schließlich werden auch die Steuermittel, auf die sonst zurückgegriffen werden müsste von Beschäftigten erarbeitet, die zu einem erheblichen Teil auch nicht im Geld schwimmen. Und: Niemand wird durch Unterhaltspflichen in die Sozialhilfe getrieben. Die Einkommensgrenzen liegen deutlich über den Regelsätzen.
Andererseits kann es durch den Elternunterhalt auch zu unzumutbaren Härten für die Angehörigen kommen. Deshalb hat der Gesetzgeber, wie Sie richtig schreiben, bei der Grundsicherung bereits auf den Elternunterhalt weitgehend verzichtet. Damit sollte verhindert werden, dass alte Menschen in Armut geraten und aus Rücksicht auf ihre Kinder auf Sozialleistungen verzichten. Diese Absicherung des Grundbedarfs durch die Gemeinschaft aller Steuerzahler erstreckt sich nicht auf Pflegekosten. Hier tritt vielmehr die Pflegeversicherung ein, die allerdings nicht annähernd alle notwendigen Kosten übernimmt. Dashalb kann es hier tatsächlich, wie sie richtig sagen, in einigen Fällen zu schweren Belastung und gelegentlich auch zu unzumutbaren Härten kommen.
Wir Grüne treten nicht dafür ein, dass der Elternunterhalt ersatzlos wegfällt. Allerdings wollen wir Verbesserungen in anderen Bereichen. So führt die derzeitige Deckelung der Pflegeversicherung dazu, dass die Schere zwischen Leistungen und den tatsächlichen Kosten immer größer wird. Auch die Tatsache, dass die Pflegeversicherung keine Betreuungskosten erstattet ist nicht hinnehmbar.
Zusätzlich sollte die steuerliche Absetzbarkeit von Pflegekosten als über dem Betrag von heute bereits möglichen 1.200 Euro pro Jahr möglich sein, wenn diese Mehrkosten tatsächlich angefallen sind und nicht von der Pflegerversicherung bezahlt werden. Schließlich kann man über eine Erhöhung der Einkommensgrenzen nachdenken, unterhalb derer eine Unterhaltpflicht entfällt.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wieland