Frage an Wolfgang Wieland von Klaus R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wieland,
Sie sind als Bundestagsabgeordneter zwar nicht unmittelbar dafür zuständig, aber ich hätte gern Ihre Meinung zu der Ihnen möglicherweise auch bekannten, wie ich finde skandalösen Praxis der Evangelischen Kirche in Berlin erfahren, Nichtmitglieder, die wegen lange zurückliegenden Kirchenaustritts diesen nicht mehr mit einer Bescheinigung, wohl aber langjähriger Praxis von Finanzbehörden anderer Bundesländer belegen können, nach Zuzug nach Berlin, sozusagen im Wege der Zwangsmitgliedschaft zur Kirchensteuer heranzuziehen. Darüber hinaus halte ich es für sehr bedenklich, daß die Meldebehörden in Berlin Betroffene bei der Anmeldung in Berlin nicht auf diese Praxis der Evangelischen Kirche hinweisen und damit - abgesehen von der Weitergabe der Daten an kirchliche Stellen - dazu beitragen, den neu Zugezogenen einen finanziellen Schaden zu verursachen, der bei unmittelbar nach Zuzug deklaratorisch wiederholtem Kirchenaustritt in Berlin unterblieben wäre. Auch hierzu hätte ich gern Ihre Meinung erfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Ranner
Sehr geehrter Herr Ranner,
der Einzug der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzbehörden steht immer wieder im Streit, auch in den Kirchen selbst. Kritiker sehen darin eine Durchbrechung des Prinzips der Trennung von Kirche und Staat. Allerdings handelt der Staat nicht selbstlos. Die Dienstleistung des Inkassos der Kirchensteuer wird von den Kirchen bezahlt. Die Verwaltungskostenentschädigung liegt zwischen 2 % und 4,5 % des Aufkommens der Kirchensteuer.
Ihrer konkreten Frage bin ich nachgegangen. Mit dem Austritt aus der Kirche entfällt die Kirchensteuerpflicht. Dieser Grundsatz bindet auch die Finanzbehörden in Berlin. Nun kann die Information über den Kirchenaustritt bei Wohnungswechseln zwischen den Bundesländern verloren gehen. Insbesondere bei einem lang zurückliegenden Austritt wird es in Einzelfällen dazu kommen, dass die Behörde fälschlich von einer weiterbestehenden Mitgliedschaft ausgeht und einen Steuerbescheid erläßt. Die Informationen über die Religionszugehörigkeit werden zwischen den Behörden ausgetauscht. Eine Praxis der Evangelischen Kirche, die Kirchenmitgliedschaft weiterhin zu vermuten, gibt es meiner Information nach nicht.
Dem Steuerbescheid kann jedoch ein Betroffener widersprechen und Belege über seinen Austritt vorlegen. Das kann die von dem Amtsgerichten ausgestellt Bescheidung über den Kirchenaustritt oder der Vermerk im Kirchenbuch sein. Weshalb eine frühere Steuerpraxis nicht als Ausweis für die Nichtzugehörigkeit ausreichen soll, entzieht sich meiner Kenntnis. Ggf. müssten die Gerichte klären, ob dies ein geeigneter Nachweis für die Rechtsstellung ist.
Dass die Meldebehörden jeden Neu-Berliner, jede Neu-Berlinerin beim Umzug auf die Möglichkeit verlorener Unterlagen und eine evtl. Kirchensteuerpflicht hinzuweisen hätten, erscheint mir eine zu weitgehende Forderung. Der von Ihnen erwartete Pflicht der Meldebehörden, einen dekleratorischen Neuaustritt anzuregen, stellt sogar seinerseits die Neutralität von Kirche und Staat in Frage. Es wäre ein Eingriff in das Selbstorganisationsrecht der Kirchen und die Religionsfreiheit.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Wieland