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Wolfgang Wieland
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Frage von Tim K. •

Frage an Wolfgang Wieland von Tim K. bezüglich Verbraucherschutz

Guten Tag Herr Wieland,

1. wie stehen Sie zum derzeit gültigen Verbraucherinformationsgesetz (VIG) und
2. wie zur geplanten Vorratsdatenspeicherung?

(zum Hintergrund: die Vorratsdatenspeicherung zielt m. E. darauf ab, den vollkommen transparenten Bürger zu schaffen; welche genauen (finanziellen) Interessen dahinter stecken, ist unklar und heftig umstritten; andersrum behält sich Politik und Wirtschaft vor, dem Verbraucher keine, unzureichende oder verspätete Informationen zum Beispiel über Herkunft, "Genießbarkeit" oder Zusammensetzung von Lebensmitteln zu geben; siehe beispielsweise den kürzlichen Gammelfleischskandal in Berlin, welcher erst nach Wochen/Monaten bekannt wurde. Eine zeitnahe Informationspflicht gegenüber dem Verbraucher über vorliegende (!) Missstände wäre doch wohl wünschenswert).

Vielen Dank,
T. Karsten
Berlin-Moabit

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karsten,

mit den Themen "Verbraucherinformationsgesetz" und "Vorratsdatenspeicherung" sprechen Sie zwei Felder an, bei denen man sehr anschauliche sehen kann, was sich nach der Regierungsübernahme der großen Koalition geändert hat.

Das Verbraucherinformationsgesetz, das die große Koalition Ende letzten Jahres beschlossen hat enthält viele Löcher und Lücken, die trotz erneuter Gammelfleischfunde und Versagen des Informationssystems auch im Bundesratsverfahren nicht geschlossen wurden. Jede informationspflichtige Behörde eines Bundeslandes kann nach dem nun gültigen Gesetz für jeden konkreten Fall eine Ausnahme finden. Besonders unklar ist der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, hinter dem sich die Behörden verstecken können, wenn sie Informationen zurückbehalten.

Bereits zweimal waren Initiativen der Grünen für ein Verbraucherinformationsgesetz in den Jahren 2002 und 2005 an der Union im Bundesrat gescheitert. Auch im letzten Jahr hatten wir uns dafür eingesetzt, dass notwendige Nachbesserungen am neuen Verbraucherinformationsgesetz und in der Lebensmittelkontrolle vorgenommen werden. Die Grüne Bundestagsfraktion setzt sich zudem dafür ein, dass die Bundesregierung während EU-Ratspräsidentschaft eine Verbraucherinformations-Richtlinie initiierten, die insbesondere auch die Informationspflichten der Unternehmen festlegt. Das Lebensmittelkontrollsystem soll umfassend neu geordnet werden: qualitative Kontrollstandards, Unabhängigkeit der Prüfungen, bessere Bund-Länder-Koordination mit stärkeren Bundeskompetenzen, Qualitätssicherungssysteme u.a. auch in der Gastronomie, besserer Vollzug und Schutz von Informanten.

Zu Recht weisen Sie darauf hin, dass dieselbe Bundesregierung, die gegenüber den Bürgern so geizig mit Informationen der Behörden umgeht, umgekehrt von den Bürgern nahezu alles wissen will. Dazu gehört die von Ihnen erwähnte Vorratsdatenspeicherung, bei der Telekommunikationsunternehmen und Internetprovider gezwungen werden, die Verbindungsdaten Ihrer Kunden über sechs Monate zu speichern, um sie gegebenenfalls den Sicherheitsbehörden überlassen zu können.

Dazu gehört etwa auch die vom Bundesinnenminister geplante Möglichkeit, private Computer online durchsuchen zu lassen. Damit würde der Staat sozusagen als Hacker agieren. Dazu gehört auch die geplante Speicherung von biometrischen Merkmalen in Pässen und Personalausweisen. Gleichzeitig wird das Meldewesen von den Kommunen weggenommen und beim Bund zentralisiert. So besteht die Gefahr, dass wir bald ein zentrales Melderegister mit Fingerabdruck- und/oder Gesichtsfelddateien aller Bundesbürger haben werden, mit nicht zu überschätzenden Auswirkungen für die Überwachbarkeit der Bürger. Oder nehmen sie, last but not least, das Vorhaben der großen Koaltion, die Bewegungsdaten, die bei der Abrechnung der Mautstrecken abfallen, künftig auch zur Verbrechensbekämpfung nutzen zu wollen.

Insgesamt ergeben sich mit neuen technischen Möglichkeiten, mit der bürgerrechtlichen Skupellosigkeit von SPD und CDU sowie aufgrund der großen Mehrheiten dieser Formation im Bundestag und Bundesrat neue Überwachungsmöglichkeiten, die den Weg in den "Überwachungsstaat" immer mehr beschleunigen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wieland