Frage an Wolfgang Wetzel von Torsten G. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Herr Wetzel,
für kommenden Mittwoch ist die Abstimmung über die geplanten "Anpassungen" des Infektionsschutzgesetzes angedacht. Die geplanten Maßnahmen stellen eine massive Beschneidung der Grundrechte des Volkes dar. Als Abgeordneter sind Sie ein Diener des Volkes. Wie Ihnen mit Sicherheit aus der Geschichte bekannt ist, bergen derartige "Notverordnungen" ein massives Mißbrauchspotenzial.
Im Namen unseres Vereins Zukunft Zwickau e.V. bitte ich Sie um die Beantwortung folgender Fragen:
Wie werden Sie diesbezüglich abstimmen?
Auf Basis welcher Ihrer persönlichen Kompetenzen treffen Sie diese Entscheidung?
Wie schließen Sie persönlich (sollten Sie den geplanten Grundrechtsbeschneidungen zustimmen) kommende Mißbräuche dieser Maßnahmen zu machtpolitischen Zwecken aus?
Aus welchem Grund sehen Sie sich (sollten Sie den geplanten Grundrechtsbeschneidungen zustimmen) befugt, den Boden des Grundgesetzes zu verlassen?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten.
Torsten Graßlaub
Sehr geehrter Herr Graßlaub,
wir kennen uns ja nun schon längere Zeit. Ihre Texte, die Sie zu meiner Beleidigung und Demütigung im Netz verbreiten, nehme ich meistens zur Kenntnis. Unvergessen bleibt für mich auch jener Sonntag vor gut zwei Jahren, als Sie mich vom Zwickauer Hauptbahnhof bis vor meine Haustür verfolgten und mir Ihre Bedrohungsgesten aufzwangen. Und einige der Verhandlungstermine in den Strafverfahren gegen Sie habe ich als Zuschauer besucht. Ich missbillige die Art und Weise Ihres politisch-medialen Wirkens in Zwickau. Dennoch antworte ich auf Ihre Anfrage.
Ich habe dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt. Deutschland befindet sich mitten in der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie und wir wollen Leben und Gesundheit aller schützen. Damit das möglich ist, braucht es ein funktionierendes Gesundheitssystem. Das sind wir all denjenigen schuldig, die auf den Intensivstationen und in den Gesundheitsämtern mit der zweiten Infektionswelle schwer kämpfen. Viele Krankenhäuser in Deutschland kommen aktuell an ihre Grenzen. Um die zweite Welle zu brechen und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems abzuwenden, haben Bund und Länder Maßnahmen ergriffen, die teilweise tief in die Grundrechte von uns allen eingreifen.
Rechtlich stützten sich die Maßnahmen bislang vor allem auf die relativ allgemein gehaltene Generalklausel des § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG) und wurden dann von den Ländern in ihren jeweiligen Infektionsschutzverordnungen konkretisiert. Unsere Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat diese Praxis seit Mai kritisiert und für eine stärkere Einbindung des Parlaments und eine rechtliche Absicherung der Maßnahmen in der Corona-Krise gekämpft. Unsere Kernforderung war seitdem, eine vom Parlament beschlossene, konkretere gesetzliche Grundlage und klare Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe zu schaffen. Diese Forderung haben wir immer wieder an die Bundesregierung gestellt.
Auch viele Gerichte teilen unsere Auffassung, dass die Landesverordnungen zum Infektionsschutz eine ausreichende, vom Parlament beschlossene Grundlage brauchen. Diese von uns geforderte bundesgesetzliche Grundlage wird nun mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz geschaffen. Mit den Gesetzesänderungen gibt es jetzt deutlichere Leitplanken, unter welchen Bedingungen zum Wohle der Sicherung der Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitswesens in Grundrechte eingegriffen werden darf und wie lange. Mit den neuen Konkretisierungen sind unsere Grundrechte also besser geschützt als zuvor.
Mit aller Entschiedenheit weise ich die Propaganda zurück, es handele sich bei dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz um eine Art "Ermächtigungsgesetz", das unsere Grundrechte aushebelt. Das ist geschichtsvergessen und grob falsch, denn im Gegenteil: Die Befugnisse der Exekutive werden, wie soeben ausführlich geschildert, durch die gesetzliche Konkretisierung eingegrenzt und unsere Demokratie darüber gestärkt. Corona-Maßnahmen werden im Grundsatz befristet und können nur solange ergriffen werden, wie die nationale Pandemielage durch das Parlament festgestellt wird. Mit der Befristung wird sichergestellt, dass neue Entwicklungen berücksichtigt werden und ob eine Aufrechterhaltung verhältnismäßig wäre. Hebt der Bundestag die nationale Pandemielage auf, sind die besonderen Schutzmaßnahmen nach dem neu einzufügenden § 28a IfSG nicht mehr anwendbar. Die Eingrenzung der Befugnisse des Parlaments, die klare Definition unter welchen Bedingungen Grundrechtseingriffe möglich sind sowie die Befristung der Maßnahmen sind im Gesetz verankerte Instrumente, die einen Missbrauch der Regelungen, den Sie befürchten, klar verhindern.
Am ursprünglichen Entwurf der Koalition hatten auch wir viele Kritikpunkte und haben diese öffentlich diskutiert und in alle parlamentarischen Debatten eingebracht. In der öffentlichen Sachverständigenanhörung wurde unsere Kritik von vielen Sachverständigen unterstützt. Umso erfreulicher ist, dass viele unserer Kritikpunkte im deutlich nachgebesserten Gesetzentwurf berücksichtigt worden sind.
So wurde darin die epidemische Lage von nationaler Tragweite gesetzlich definiert. Während ihrer Dauer muss die Bundesregierung dem Bundestag nun regelmäßig berichten. Die Rechtsverordnungen der Länder müssen begründet werden und gelten grundsätzlich nur für vier Wochen. Auch der Zweck der Corona-Maßnahmen wurde konkretisiert. Sie müssen dem Schutz von Leben und Gesundheit dienen sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens erhalten. Generelle Ausgangsbeschränkungen können nicht verhängt werden, sondern nur der Ausgang zu bestimmten Zeiten oder Zwecken beschränkt werden, wenn die pandemische Lage das erfordert. Auch die Situation der Menschen in Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern wird sich verbessern. Besuchsbeschränkungen für enge Familienangehörige sind nur unter erhöhten Voraussetzungen zulässig. Wir wollen verhindern, dass Beschränkungen zur Isolation von besonders Schutzbedürftigen führen und begrüßen, dass mit der Gesetzesänderung ein Mindestmaß an sozialen Kontakten gewahrt bleibt. Und nicht zuletzt wurden die Hürden, Demonstrationen zu verbieten, durch die Gesetzesänderung angehoben.
Wir hätten weitere gesetzliche Klarstellungen für sinnvoll gehalten, etwa dass das Kindeswohl noch stärkere Berücksichtigung findet, dass ein Mindestmaß an sozialen Kontakten natürlich auch außerhalb von Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern möglich sein muss oder bei Kontakt- und Reisebeschränkungen für Ehe, Partnerschaft und Familie.
Dieses Gesetz ist ein erster Schritt. Wir haben damit die Tür zu den parlamentarischen Beratungen über die Pandemiemaßnahmen aufgestoßen. Weitere Debatten werden und müssen folgen. Sie haben, sehr geehrter Herr Graßlaub, nie einen Hehl aus Ihrer Verachtung der parlamentarischen Demokratie und der politischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gemacht, deshalb werden Sie meine Ausführungen wohl kaum überzeugen. Ich bedanke mich jedoch für die Kenntnisnahme meiner Antwort auf Ihre Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wetzel